Zwischen Smart Home, Smart Meter und Smart Grid
Smart Home, das intelligente, vernetzte Haus, ist keine Zukunftsvision mehr. Das will Anfang September auch die Internationale Funkausstellung in Berlin zeigen. Die Konsumelektronik mit TV, Video und Audio scheint hier mit Standards Fortschritte zu machen. Doch noch fürchten Bundesbürger Datenschutzmängel, Kosten und Normenchaos.
Es ist kein Zufall, dass gerade die führende Messe der Unterhaltungs- und Haushaltselektronik, die IFA (2. bis 7. 9.) in Berlin, das Thema „Smart Home“ als eines ihrer Themen gewählt hat. Denn, so Michael Schidlack vom Branchenverband Bitkom, die Konsumelektronik ist einer der Vorreiter auf dem Weg zum intelligenten, vernetzten Haus.
Das zumindest ergab eine Befragung unter 68 Unternehmen, die im Umfeld „Connected Living“ tätig sind: Mit 26 % hat hier die Konsumelektronik als Treiber eindeutig die Nase vorn.
Immer mehr TV-Geräte haben einen Netzwerkanschluss und können so Kontakt mit dem Internet aufnehmen. Auch andere Geräte der Unterhaltungselektronik, aber auch der heimischen IT-Landschaft suchen im Netz den Kontakt untereinander.
Fast alle Anbieter von TV-Geräten und Audio-Komponenten haben mittlerweile Produkte und Lösungen im Angebot, die eine sinnvolle Vernetzung über mehrere Räume hinweg möglich machen.
Mit 21 % der Nennungen kam das Thema „Energie“ in der Bitkom-Befragung auf Platz zwei der Markttreiber für Heimvernetzung. Wichtige Stichworte hier: Smart Meter und Smart Grid, also intelligente, vernetzte Stromzähler und ein intelligentes Stromnetz.
Smart Meter und Smart Grid: Die Waschmaschine kommuniziert über den Stromzähler mit dem Energieversorger
Wenn so künftig die Waschmaschine mit dem Stromzähler und so mit dem Energieversorger kommunizieren kann, um genau dann zu waschen, wenn besonders preisgünstiger Strom vorhanden ist, dann kann das dazu beitragen, Lastspitzen in den Stromnetzen zu vermeiden und damit teure Kraftwerkskapazität für solche Spitzen einzusparen.
Doch diese Szenarien, so konkret sie technologisch bereits zu verwirklichen wären, sind noch deutlich weiter von der Realisierung entfernt als die Vernetzungsmöglichkeiten der Unterhaltungselektronik. Dies musste auch Norbert Verweyen, Geschäftsführer der RWE Effizienz GmbH in Köln, eingestehen: „Das Thema Smart Meter wird derzeit noch überschätzt, weil die Kundenakzeptanz fehlt.“
Dazu trage auch die Sorge vor einem gewissen Kontrollverlust auf der Kundenseite bei, man wolle sich nicht von der Technik vorschreiben lassen, wann etwas im Hause zu geschehen habe.
Generell hat das Thema Heimvernetzung viel mit Information und Beratung zu tun. Hier sind vor allem die Architekten und Bauingenieure, aber auch der einschlägige Fachhandel und das Installationshandwerk gefragt. Doch dort sah der Parlamentarische Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, Hans-Joachim Otto, vor wenigen Wochen bei der Eröffnung der Kongressmesse Conlife in Köln noch erhebliche Defizite.
Den vorhandenen Innovationen im Produktbereich müssten neue, ertragreiche Geschäftsmodelle folgen. Otto: „Alle Türen stehen weit offen.“ Gebäudeautomation und Haustechnik seien Bereiche, in denen deutsche Firmen traditionelle Stärken nutzen könnten. Otto: „Wer die Standards setzt, beherrscht den Markt.“ Auf der Kundenseite dagegen müssen Vertrauen in die Technik und damit Investitionssicherheit geschaffen werden (siehe Seite 10).
Smart Home ist noch weit vom Massenmarkt entfernt
Denn: „Von einem wirklichen Massenmarkt sind wir noch ein Stück weit entfernt“, merkte Otto kritisch an. Nach Untersuchungen seines Ministeriums betrug das Umsatzvolumen im Bereich Heimvernetzung – ohne Internet-TV – im Jahr 2010 gerade 2 Mrd. € und wird nach heutiger Schätzung bis 2015 auf 2,5 Mrd. € anwachsen. Wobei Otto davon ausgeht, dass der Markt auch wesentlich dynamischer wachsen könnte, wenn einige der Hemmnisse aus dem Weg geräumt würden.
Diese Hemmnisse liegen auch auf der Kundenseite, wie Michael Schidlack vom Bitkom ausführte. Laut einer repräsentativen Forsa-Umfrage hegen 54 % der Bundesbürger vor allem Datenschutzbedenken gegenüber der Heimvernetzung. Die – befürchteten – hohen Kosten rangieren mit 39 % auf Platz zwei und das Fehlen von Standards folgt mit 33 % auf Platz drei.
Doch genau in letzterem Bereich sieht Bitkom-Präsidiumsmitglied Friedrich Joussen Fortschritte zumindest im Bereich der Konsumelektronik: Mit DLNA sei hier ein Standard geschaffen, der positive Auswirkungen auf den Markt haben werde (siehe unten). Hinter dem Standard steckt die Digital Living Network Alliance, die Interoperabilität von Computer, Konsumelektronik und Mobilfunk im Heimbereich sicherstellen will.
Andere Experten merkten während der Diskussionen an, dass auch DLNA nur einen Mindeststandard definiere – z. B. bei den Videoformaten, die ein Gerät wiedergeben kann –, dass aber darüber hinaus vieles im Ermessen des einzelnen Herstellers stehe, was dann im Detail wieder zu Inkompatibilitäten führen könne.
Und die Technik muss dann auch verständlich an den Kunden gebracht werden. Stichwort: Bedienungsanleitung. Hier äußerte der Chefredakteur der Zeitschrift Computerbild Hans-Martin Burr in Köln deutliche Kritik.
Technik für Smart Home muss verständlich sein
Er zitierte aus der Bedienungsanleitung eines Internet-TV-Gerätes: „Dieser DLNA-kompatible Fernseher besitzt ein IEEE-802.11n-Wireless-Modul, das ebenfalls die Standards 802.11a/b/g unterstützt. Vergewissern Sie sich, dass die Breitbandrouter und Hubs mit 10 BASE-T/100
BASE-TX kompatibel sind.“ Dieses Kauderwelsch könnten nur Experten verstehen, die schlichte Botschaft für den Endkunden heißt laut Burr: „Dieser Fernseher lässt sich mit allen handelsüblichen Routern mit dem Internet verbinden.“
Die Conlife verbreitete jedenfalls Aufbruchsstimmung in Sachen Heimvernetzung. Die Baustellen, die noch zu bearbeiten sind, wurden in den zahlreichen Diskussionen deutlich angesprochen. Eine „Killerapplikation“, die das Thema schlagartig für breite Schichten attraktiv macht, wurde nicht gefunden. Die IFA in Berlin wird hier Anfang September sicher weitere interessante Ansätze auf dem Weg zum vernetzten Haus zeigen.
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