1000 m hohes Aufwindkraftwerk für Namibia geplant
Mit einem 1000 m hohen Turm wäre es das höchste Bauwerk der Welt. Mit der regenerativen Energie könnte das Land einen großen Teil der Stromversorgung sichern.
Rund 1000 m reckt sich der schlanke Turm aus Stahlbeton wie ein Finger in die Höhe. Der Kamin ist damit höher als der Wolkenkratzer von Burj Dubai, dem, wenn es im kommenden Jahr fertiggestellt sein wird, mit 818 m höchsten Gebäude der Welt. Um die Basis des Kamins spannt sich ein kreisförmiges Glasdach von gigantischen Ausmaßen: Rund 30 km2 Fläche verschwinden darunter. Die futuristisch wirkende Konstruktion ist ein Aufwindkraftwerk und könnte in wenigen Jahren in Namibia stehen.
Noch existiert das Kraftwerk erst als Computermodell, das die Bochumer Windingenieure Hans-Jürgen Niemann, Rüdiger Höffer und der Tragwerksplaner Wilfried Krätzig berechnet haben. „Das Prinzip ist denkbar einfach“, erläutert Niemann. „Die Sonne heizt die Luft unter dem zum Kamin leicht ansteigenden Glasdach auf. Die heiße Luft strömt wie in einem Schornstein nach oben und zieht kühlere Luft nach. Der Kreislauf liefert Energie.“
Mindestens 50 MW elektrische Leistung soll der Generator bringen, der mit den 16 Windturbinen an der im Durchmesser rund 300 m messenden Basis des Kamins sitzt. Ein vergleichsweise bescheidener Beitrag, was jedoch für Namibia einen großen Fortschritt bedeuten würde. Nach Angaben des afrikanischen Energieversorgers NamPower beträgt der Stromverbrauch des 2-Mio.-Einwohner-Landes gerade einmal 400 MW.
Eine Untersuchung der Universität Stellenbosch in Südafrika, die jedoch von einem größer dimensionierten Kraftwerk mit einer Turbinenleistung von 200 MW und einer Jahresleistung von rund 500 GWh ausgeht, stellt dafür einen überaus günstigen Stromabgabepreis von rund 1,5 Eurocent/kWh in Aussicht. Der Haken: Schätzungen sehen die Baukosten für ein solches Aufwindkraftwerk im dreistelligen Millionenbereich. Kaum machbar für ein Entwicklungsland. „Wir müssen das so preiswert machen, dass die Investitionskosten in zehn Jahren abgeschrieben sind“, sagt Krätzig. Nicht nur wirtschaftlich stellt das Projekt für das Team, an dem auch Ingenieure der Universität Wuppertal und Partner aus Südafrika beteiligt sind, eine Herausforderung dar.
Bereits 1982 baute der Stuttgarter Ingenieurwissenschaftler Jörg Schlaich den Prototypen eines Aufwindkraftwerks im spanischen Manzanares. Der Turm war damals knapp 200 m hoch und sollte 100 KW elektrische Leistung bereitstellen, doch er lieferte nur die Hälfte. Dafür versorgte das auf drei Jahre Betriebszeit ausgelegte Kraftwerk neun Jahre lang die Forscher mit wichtigen Messdaten. Dann stürzte der Turm ein und zerstörte die Anlage.
Das darf und wird diesmal nicht passieren, da sind sich die Bochumer Forscher sicher. „Vor 25 Jahren hätte man diese Schlote aus Stahlbeton nicht technisch sicher bauen können. Wir haben heute Betone, die sind so fest wie Gusseisen“, sagt Krätzig. Er sieht deshalb das Problem der Turmhöhe als erledigt an. Nicht zuletzt, weil der Turm in Schalenbauweise errichtet wird.
Die Kunst des Schalenbaus, führt der Ingenieur aus, bestehe darin, eine Form zu finden, die der verhältnismäßig dünnen Wand die Tragwirkung einer viel stabilerer, dickeren verleiht. Mithilfe von Computersimulationen berechnen die Konstrukteure das Optimum. Dabei orientieren sie sich auch an Vorbildern aus der Natur. Wenn der Turm fertig ist, wird er ähnlich stabil gebaut sein wie ein dünner, hohler Schilfrohrhalm, der wegen seines segmentalen Aufbaus auch einem schweren Sturm trotzt.
Ein Problem gibt es aber. Für die Berechnungen muss der Schalenstatiker wissen, welche Windkräfte am geplanten Standort auftreten. Zwar lässt sich aus physikalisch-meteorologischen Modellen ableiten, dass in Bodennähe mit sehr böigen Luftströmungen zu rechnen ist, die in der Höhe in einen gleichmäßigen Wind übergehen. Noch aber haben die Forscher keine Erfahrungen mit Windströmungen in derart großen Höhen. Deshalb will Niemann nun ein Modell des Kraftwerks im Windkanal untersuchen.
Der technische Fortschritt zeigt sich auch bei der Energieerzeugung. Jeder Rotor hat einen Durchmesser von 32 m und sitzt auf einer horizontalen Achse. Anders jedoch als bei freistehenden Windturbinen muss der Rotor eine Lufttemperatur von bis zu 100 °C aushalten. Das mache den Einsatz hitzebeständiger Materialien und Werkstoffe erforderlich, so die Forscher.
Damit aus der Vision Wirklichkeit werden kann, suchen die Forscher nun mithilfe des Bundesumweltministeriums und ausländischer Regierungsstellen Geldgeber. Locken sollen Investoren u. a. Verrechnungsmöglichkeiten beim Handel mit CO2-Verschmutzungsrechten. S. VON DER WEIDEN
Heiße Luft im Kamin liefert 50 MW Leistung
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