So kam die Energiewende 2024 in Deutschland voran
Bei der Energiewende war Deutschland 2024 auf Kurs, was das nationale Ziel angeht. In zwei wichtigen Bereichen stockt es jedoch.
Inhaltsverzeichnis
- Energiewende 2024: Was sind die ersten Zahlen für den Ausbau erneuerbarer Energien?
- Boom beim Zubau der Photovoltaik – 100-GW-Schwelle erreicht
- Energiewende 2024: Boom bei Steckersolargeräten hält an
- Windausbau 2024 war verhalten, wird in Zukunft aber Fahrt aufnehmen
- Biomasse stagniert 2024 – Branchenaussicht ungewiss
- Wie haben sich die Treibhausgasemissionen in Deutschland 2024 entwickelt?
- Deutschland ist bei den EU-Klimavorgaben noch nicht ajour
- Energiewende 2024 bringt Rekorderlös aus dem Emissionshandel – wer aber bekommt das Geld?
Schauen wir rückblickend auf das Jahr 2024, so erscheint die Bilanz im Energiesektor und für den Klimabereich ziemlich grün – also: sogar doppelt grün. Denn unterm Strich lief es vor allem bei den grünen Themen gut, als da wären:
- Erneuerbare Energien: Rekorde bei Solar
- Treibhausgasemissionen: Verringerung besser als gedacht.
- CO2-Handel: Rekordeinnahmen
Was will man mehr? Das ist angesichts des nun begonnenen Wahlkampfes je nach Partei sehr verschieden. Vielleicht hilft zur eigenen Meinungsbildung in Zeiten der Bundestagswahl ein Blick auf die Fakten.
Als Übersicht zur Faktenlage fassen wir das Energie- und Klimajahr 2024 für unsere Leserinnen und Leser zusammen, die vorerst letzten Nachrichten kamen gestern von der deutschen Emissionshandelsstelle (DEHSt) beim Umweltbundesamt und vom Öko-Thinktank Agora Energiewende. Heute, am 8. Januar 2025, folgte die Bundesnetzagentur zum Ausbau erneuerbarer Energien.
Energiewende 2024: Was sind die ersten Zahlen für den Ausbau erneuerbarer Energien?
Die Bundesnetzagentur hat am heutigen Mittwoch, 8. Januar 2025, erste Zahlen zum Zubau erneuerbarer Energien für die Stromerzeugung im Jahr 2024 ermittelt. Der Bonner Agentur zufolge stieg die installierte Leistung von Erneuerbare-Energien-Anlagen im vergangenen Jahr um knapp 20 GW auf insgesamt installierte 190 GW, ein Plus von 12 %. „Hauptanteil an dieser Entwicklung haben die Energieträger Solar und Wind“, so die Bundesnetzagentur laut Meldung. Laut Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hätten in Deutschland demnach erneuerbare Energien mit 254,9 TWh oder fast 60 % „mittlerweile die Hauptaufgabe bei der Stromerzeugung in Deutschland“ übernommen.
Die Bundesnetzagentur wertet für die Daten ihr Marktstammdatenregister aus: Noch sind die Zahlen vorläufig, da die Daten für Dezember laut Behörde abgeschätzt seien. „Eine abschließende Analyse der Zubauzahlen wird mit der monatlichen Veröffentlichung der Bundesnetzagentur unter www.bundesnetzagentur.de/ee-statistik Mitte Januar 2025 veröffentlicht.“
Boom beim Zubau der Photovoltaik – 100-GW-Schwelle erreicht
„Der Boom beim Zubau von Photovoltaik hält an. Die Zubauleistung 2024 liegt noch mal über dem bisherigen Rekordjahr 2023. Diese Investitionen bringen die Energiewende weiter voran“, sagt Klaus Müller, Präsident der Bundesnetzagentur. Schon am 6. Januar hatte der Bundesverband Solarwirtschaft (BSW) eigene erste Berechnungen dazu veröffentlicht. Am Jahresende 2024 betrug die installierte Solargesamtleistung in Deutschland laut Bundesnetzagentur 99,3 GW, der BSW berichtete, die 100-GW-Schwelle sei überschritten. Bis 2030 soll die installierte Photovoltaikleistung laut Gesetz auf 215 GW ansteigen.
Die Solarstromanlagen deckten 2024 rund 14 % des deutschen Stromverbrauchs (2023: 12 %). Der Zubau der Solarleistung fiel 2024 laut Bundesnetzagentur mit 16,2 GW Nennleistung erneut etwas höher aus als im Vergleich zum Vorjahreszubau. Zwei Drittel des Zubaus erfolgten auf Hausdächern oder an Gebäuden und Fassaden, der Rest auf größeren Flächen. Laut BSW seien 2024 etwa 1 Mio. Photovoltaikanlagen mit insgesamt rund 17 GW auf Dächern und Freiflächen neu in Betrieb genommen worden (+10 % gegenüber 2023).
Energiewende 2024: Boom bei Steckersolargeräten hält an
Die neu installierte Leistung der Balkonsolaranlagen habe sich 2024 gegenüber dem Vorjahr auf knapp 0,7 GW verdoppelt, so die Bundesnetzagentur. Zum Jahresende waren im Marktstammdatenregister der Bundesnetzagentur mehr als 780.000 der kleinen Solaranlagen als in Betrieb gemeldet. Als sogenannte Balkonanlagen (steckerfertige Solaranlagen) registrierte die Bundesnetzagentur 2024 etwa 435.000 Anlagen im Marktstammdatenregister. Dies entspricht einem Anteil am gesamten deutschen Solarzubau in Höhe von 2,6 % (0,4 GW). Im Vorjahr lag der Anteil noch bei 1,5 % (0,2 GW). Die Bundesnetzagentur geht davon aus, dass die Zahl dieser Anlagenart noch höher ist, da vermutlich nicht alle Balkonanlagen registriert sind.
Laut BSW-Hauptgeschäftsführer Carsten Körnig kommt die Installation von Steckersolargeräten erst noch richtig in Fahrt, denn im vergangenen Herbst habe der Gesetzgeber die Vermieter und Wohnungseigentümer dazu verpflichtet, Steckersolargeräte grundsätzlich zu genehmigen. Es gebe viele Produkte, die Preise seien weiter gesunken. Körnig erwartet auch nicht, dass die Energiepolitik einer kommenden Bundesregierung die Rahmenbedingungen für diese Anlagen verschlechtern wird. Inzwischen sei Deutschland ein globaler Leitmarkt für Balkonkraftwerke geworden.
Windausbau 2024 war verhalten, wird in Zukunft aber Fahrt aufnehmen
„Bei Wind an Land stimmt mich optimistisch, dass 2024 Genehmigungen für knapp 15 GW Leistung ergangen sind. Das wird sich in steigenden Zubauzahlen in den nächsten Jahren auszahlen“, so Bundesnetzagentur-Chef Müller. Zwar liege die 2024 an Land zugebaute Windleistung mit 2,5 GW unter dem Vorjahresniveau. Aber es seien eben Genehmigungen für knapp 15 GW Windenergie an Land erteilt – ein Rekord, der fast 90 % über dem Wert von 2023 (8 GW) liege.
Für die Offshore-Windkraft notierte die Agentur zwischen Mai und September 2024 73 Anlagen, die auf See neu in Betrieb gegangen sind, den Windpark Baltic Eagle (Ostsee) und den in der Nordsee liegenden Windpark Gode Wind. Mit den 0,7 GW wurde 2024 mehr als doppelt so viel Windleistung auf See zugebaut wie im Vorjahr. Insgesamt sind 9,2 GW in Ost- und Nordsee installiert. Genauere Zahlen zu beiden Sektoren werden der Bundesverband Windenergie (BWE) und VDMA Power Systems in den kommenden Wochen vorlegen.
Biomasse stagniert 2024 – Branchenaussicht ungewiss
Der Zubau der Biomasseanlagen hat sich laut Bundesnetzagentur 2024 mit 110 MW auf gleichem Niveau wie im Vorjahr entwickelt. Damit seien deutschlandweit ca. 9 GW an Biomasseleistung in Betrieb. Vor Weihnachten mahnte das „Hauptstadtbüro Bioenergie“ (HBB), der Transformationspfad im Biomassepaket, der am 20. Dezember 2024 zur ersten Lesung vorlag, sei unerlässlich um das Aus für Tausende Biogasanlagen abzuwenden. Demnach wurden das Ausschreibungsvolumen sowie der Flexibilitätszuschlag erneut angehoben. Dennoch würde das Paket in der jetzigen Form weite Teile des Anlagenbestands gefährden und müsste daher von der Branche in dieser Form abgelehnt werden. Im HBB bündeln vier Energieverbände ihre politische Interessenvertretung in Sachen Bioenergie.
Hintergrund sind die Flexibilisierungsvorgaben für die Anlagen. „Aufgrund der plötzlichen Vorgabe, dass Biogasanlagen bereits in den Ausschreibungen in 2025 doppelt so stark flexibilisieren müssen, wie ihnen in den letzten zehn Jahren vorgegeben wurde“, bleibe den Anlagenbetreibern laut HBB nicht genügend Zeit, um die benötigten Genehmigungen einzuholen, die Finanzierung zu stemmen sowie den Kauf von Trafo, BHKW und Speichern zu leisten. Angesichts der drohenden Gefahr Tausende Bioenergieanlagen auf dem nötigen Weg der Transformation zu verlieren, schlug HBB-Leiterin Sandra Rostek einen Übergangszeitraum vor:
Wie haben sich die Treibhausgasemissionen in Deutschland 2024 entwickelt?
Ganz offiziell erstellt das Umweltbundesamt die Treibhausgasemissionen Deutschlands nach § 5 Bundes-Klimaschutzgesetz (KSG) zum 15. März eines jeden folgenden Jahres. Aber wie immer ist kurz vor und/oder nach dem Jahreswechsel der Hunger nach Nachrichten groß, wie es denn war im vergangenen Jahr. Also gibt es von verschiedenen Seiten aufgrund der vorhandenen Datenlage Berechnungen und Abschätzungen, wie sich die Treibhausgasemissionen entwickelt haben.
Der Berliner Thinktank Agora Energiewende zog am 7. Januar eine erste Klimabilanz 2024 auf Basis der Daten des UBA und der Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen (AGEB). Die Analyse: „Die Energiewende in Deutschland: Stand der Dinge 2024“ meldet einen Emissionsrückgang von 3 % auf 656 Mio. t trotz Stagnation bei Gebäuden, Verkehr und Industrie. Der Energiesektor hat dabei – wieder einmal – das entscheidende Momentum geliefert. „Die Rückgänge finden zu gut 80 % in der Energiewirtschaft statt“, so Agora Energiewende. Ökostromausbeute und Stromimporte nahmen zu, die Kohleverstromung ab, Kohlekraftwerkskapazitäten von 6,1 GW wurden stillgelegt; hinzu kam das milde Wetter und die Wirtschaftsflaute.
Deutschland ist bei den EU-Klimavorgaben noch nicht ajour
Der Zielwert der Bundesregierung von 693 Mio. t, den Agora Energiewende aus dem KSG ermittelt, ist damit deutlich erfüllt. Die Emissionen wären damit das dritte Jahr in Folge gesunken. Ähnlich niedrig seien sie zuletzt in den 1950er-Jahren gewesen, hieß es. Im Vergleich zu 1990 wäre der deutsche Treibhausgasausstoß damit um 48 % gesunken. Das Ziel der sogenannten „Effort Sharing Regulation“ (ESR) der EU in Höhe von 371 Mio. t CO2 für all jene Sektoren, die nicht im EU-Emissionshandel abgebildet sind, werde jedoch „nach gegenwärtigem Kenntnisstand um 12 Mio. t CO2“ verfehlt.
Das kann längerfristig Konsequenzen haben: „Wenn Deutschland sein europäisches Emissionsbudget bis 2030 reißt, drohen Strafzahlungen nach Brüssel“, sagte Simon Müller, Direktor Agora Energiewende, der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Zwar gäbe es die Möglichkeit, sich mit CO2-Zertifikaten aus anderen Ländern freizukaufen, ob diese aber dann angeboten würden, ist unbekannt.
Das mit den Daten und Ihren Projektionen ist übrigens so eine Sache: Das Science Media Center wies darauf hin, dass laut der Analyse der Agora Energiewende die tatsächlichen Emissionen um 21 Mio. t unter der Prognose des UBA vom März 2024 liegen. „Projektionen der Treibhausgasemissionen haben in den letzten Jahren den konjunkturellen Abschwung in Deutschland nicht vorhergesehen beziehungsweise dessen Dimension unterschätzt“, weiß Manfred Fischedick, Präsident und wissenschaftlicher Geschäftsführer des Wuppertal Instituts. Im Zuge des konjunkturellen Abschwungs seien in Deutschland deutlich weniger energie- und CO2-intensive Grundstoffe wie Stahl, Zement und chemische Grundstoffe produziert worden. „Verstärkt wurde dieser Effekt durch die in Deutschland – im internationalen Vergleich – relativ hohen Energiepreise sowie globale Produktionsüberkapazitäten. Hierdurch kam es zu zunehmenden Grundstoffimporten nach Deutschland.“
Energiewende 2024 bringt Rekorderlös aus dem Emissionshandel – wer aber bekommt das Geld?
„Einnahmen aus dem Emissionshandel erneut auf Rekordniveau“, meldete das Umweltbundesamt (UBA) am 7. Januar. Der Verkauf von nationalen und EU-CO2-Zertifikaten spülte demnach 2024 insgesamt 18,5 Mrd. € in die Kassen des Bundes (+100 Mio. € mehr als 2023). Das Geld fließt laut UBA vollständig in den Klima- und Transformationsfonds (KTF), aus dem Energiewende- und Klimaschutzmaßnahmen finanziert werden: energetische Gebäudesanierung, Dekarbonisierung der Industrie, Wasserstoffwirtschaft oder auch der Ausbau der Ladeinfrastruktur für Elektroautos.
Die 18,5 Mrd. € teilen sich auf in 5,5 Mrd. € aus dem EU-ETS. Das sind laut Deutscher Emissionshandelsstelle beim UBA rund 28 % weniger als 2023, die Preise seien im Schnitt von knapp 84 €/t (2023) auf 65 €/t zurückgegangen. Die Einnahmen aus dem nationalen Emissionshandel für Wärme und Verkehr stiegen um 21 % auf 13 Mrd. €. Diese sogenannte CO2-Abgabe entfällt auf Benzin, Diesel, Heizöl, Flüssig- und Erdgas, seit 2024 auch bei der Verbrennung von Abfällen. Bezahlen müssen sie etwa Gaslieferanten oder Unternehmen der Mineralölindustrie. Die reichen sie dann an die Verbraucherinnen und Verbraucher weiter. Im Unterschied zu den europäischen Zertifikaten werden die nationalen derzeit nicht verknappt, aber sie verteuern sich. So stieg zu Jahresbeginn der Preis pro Tonne CO2 von 45 € auf 55 €. Ab 2026 soll sich der nationale Preis zunächst in einem Korridor und dann frei am Markt bilden – wie schon jetzt im europäischen Handelssystem. Experten rechnen dann mit deutlich höheren CO2-Preisen als zurzeit.
Das Umweltbundesamt regt in seiner Mitteilung einen Finanzausgleich für Privatleute an, auch Klimageld genannt. Das gilt als nötig, damit die Preise durch die CO2-Besteuerung an einer Stelle nicht nur steigen, sondern an anderer Stelle auch wieder Geld an die Bevölkerung zurückfließt. Diese Mittel müssten laut UBA-Präsident Dirk Messner zielgerichtet für eine sozial- und wirtschaftspolitische Flankierung der klimaneutralen Transformation eingesetzt werden.
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