60-Grad-Waschprogramm nur vorgetäuscht
Stromsparende Waschmaschinen verkaufen sich gut. Entsprechend begehrt sind deshalb die Label mit hoher Energieeffizienz. Diese aber erreichen die Hersteller nicht mit innovativer Technik, sondern mit Tricks, so das Fazit von Stiftung Warentest. Keines der getesteten Geräte heizte wirklich auf die angegebene Temperatur hoch. Das senkt zwar den Energieverbrauch, hat aber auch Folgen für die Hygiene.
Um es vorwegzunehmen: „Fast alle Maschinen waschen gut“, konstatiert Stiftung Warentest im Testbericht „Waschmaschinen“ (1/2013). Dafür aber bräuchten die Geräte unglaublich lange für einen Waschgang, so ein Kritikpunkt der Prüfer. „Kein Gerät hat im geprüften 60-Grad-Programm wirklich mit 60 °C gewaschen“, lautet das vernichtende Urteil der Prüfer. Oft werde das Wasser gerade einmal auf um die 50 °C erhitzt, bei einem Gerät kletterte die Temperatur sogar nur auf 44 °C. Um trotzdem eine vorzeigbare Waschleistung zustande zu bringen, müssen die Maschinen dann um so länger laufen.
Die betroffenen Waschmaschinenhersteller sind sich der Problematik durchaus bewusst, verweisen aber auf die EU-Gesetzgebung für die Zulassung der Geräte, die Mindesttemperaturen ausdrücklich nicht vorsehe, wie Miele-Sprecher Carsten Prudent betont. Die bei energiesparenden Labelprogrammen beobachtete Kombination aus abgesenkter Temperatur und verlängerter Laufzeit sei bei den derzeit auf dem Markt befindlichen Geräten die einzige Option, die Energieeffizienzklasse A+++ zu erreichen.
„Sie entspricht gängiger Praxis und auch der Intention des EU-Gesetzgebers, ist hygienetechnisch und rechtlich abgesichert und dient dem Kundenbedürfnis nach einem perfekten Waschergebnis bei gleichzeitig größtmöglicher Energieeffizienz“, erklärte Prudent gegenüber den VDI nachrichten. Selbstverständlich verweise Miele gemäß der entsprechenden EU-Vorschrift von Juni 2012 in allen Bedienungsanleitungen darauf, dass die tatsächliche Wassertemperatur von der Zyklustemperatur abweichen könne.
Niedrigere Temperaturen verlängern des Waschgang
Auch die Bosch-Siemens-Hausgeräte GmbH (BSH) beruft sich auf die EU. Hier sei das Erreichen einer bestimmten Waschwirkung Grundvoraussetzung für die Zulassung einer Waschmaschine, erklärt ein BSH-Sprecher. Das von Stiftung Warentest getestete Siemens-Modell 14S840 biete neben dem normalen 60-Grad-Baumwollwaschprogramm die Optionen „ecoPerfect“ mit niedrigerer Temperatur und längerer Waschzeit und „speedPerfect“ mit heißerem Wasser und kürzerer Laufzeit. Diese Möglichkeiten könnten in fast allen Modellen hinzu gewählt werden, heißt es aus dem Hause BSH, und weiter: „Alle Programme erreichen eine sehr gute Waschwirkung.“ Normal verschmutzte Baumwolltextilien kämen im Energiesparprogramm zu einem vergleichbaren Waschergebnis wie im normalen 60-Grad-Programm.
Nach dem sogenannten Sinnerschen Kreis hängt die Waschwirkung von der Chemie des Waschmittels, der Mechanik der Waschtrommel sowie von Zeit und Temperatur ab. Weil ein Mehr an Chemie aus Gründen des Umweltschutzes nicht gewollt sei und eine stärkere mechanische Belastung der Trommel zu Lasten der Wäscheschonung gehe, bliebe den Herstellern nichts anderes übrig als an den Stellschrauben Zeit und Temperatur zu drehen, um die vom Verbraucher erwartete Energieeinsparung zu schaffen, erklärt Stefan Löb, bei AEG zuständig für den Bereich Wäschepflege.
„Das ist der Weg, den die Branche geht, und kein Entwickler kann die Physik überlisten“, weiß Löb. Das Thema „Energie sparen“ sei in Deutschland nach wie vor das „Verkaufsargument Nr. 1“. Löb: „Dass diese Maschinen auch gut waschen, setzen die Kunden als selbstverständlich voraus.“ Eine gute Waschwirkung ist im Labelprogramm definiert und wird für leicht bis normal verschmutzte Wäsche natürlich auch zu 100% erreicht.
60 Grad nur im Normalwaschgang
Verbrauchern, die die tatsächliche Temperatur von 60 °C erreichen wollen, empfiehlt Miele-Sprecher Prudent den normalen Waschgang „Baumwolle 60 °C“. Gehe es um die Beseitigung von Bakterien oder Pilzen, bieten nach seinen Angaben die meisten A+++-Waschmaschinen von Miele mindestens eines von zwei Spezialprogrammen: „Hygiene“, bei dem die Wassertemperatur von 60 °C länger gehalten wird, oder „Intensiv plus“ mit höherem Wasserstand und zusätzlicher Vorwäsche. Auch zahlreiche BSH-Geräte verfügen nach den Worten eines Unternehmenssprechers über ein spezielles Hygieneprogramm.
Die Kunden aber sind verunsichert, ob sich ihre teure Hightechwaschmaschine nicht doch als heimliche Keimschleuder entpuppt. Überleben Krankheitskeime nun die Behandlung in der Waschküche oder werden sie wirkungsvoll abgetötet? Das untersuchen regelmäßig auch Textilingenieure, Mediziner und Chemiker an den Hohenstein Instituten in Bönnigheim. Die Textilforscher nahmen im Waschlabor vor allem Salmonellen, Noroviren und Fußpilzerreger unter die Lupe. „Aus Sicherheitsgründen rate ich bei akut übertragbaren Krankheiten zum 90 °C-Programm“, lautet das Fazit von Dirk Höfer, dem stellvertretenden Leiter des Hohenstein Instituts für Textilinnovation.
Mit Mikroorganismen belastete Textilien brauche Bleichmittel und Hitze
Doch der Textilhygieniker weiß auch, dass viele moderne Gewebe eine solche Kochwäsche gar nicht überstehen würden. Dann müsse entsprechend dem Sinnerschen Kreis an einer anderen Stellschraube gedreht werden, zum Beispiel bei der Wahl des Waschmittels. Dass gängige Bleichmittel ausreichen, hatte Monika Betz an der TU München an einem breiten Spektrum von Bakterien und Pilzen überprüft. „Stark mit Mikroorganismen belastete Textilien sollten mit bleichmittelhaltigem Waschpulver bei 60 °C im Vollwaschgang gewaschen werden“, empfiehlt das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) in Berlin. Das gelte auch für Putz- und Spüllappen.
Ein bis zwei Mal pro Monat solle mit einem Vollwaschmittel bei mindestens 60 °C gewaschen werden, raten auch die Warentester generell zu spezieller Maschinenpflege: „Ansonsten können Bakterien mit der Zeit Teile im Innern der Maschine besiedeln und unangenehme Gerüche verursachen, die auf die Wäsche übergehen können.“
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