Abbau des Reaktorbehälters im Forschungszentrum Jülich hat begonnen
Die heiße Phase beim Rückbau des Jülicher Versuchsreaktors hat begonnen: Gestern war der Startschuss für das Herausheben des radioaktiven Reaktorbehälters. Das ist eine weltweite Premiere: Noch nie in der Geschichte der friedlichen Nutzung der Atomenergie wurde so etwas gemacht.
Jetzt wird es ernst im Forschungszentrum Jülich bei Aachen: Gestern wurde am Reaktor des früheren Kernforschungszentrums damit begonnen, das Herz des Ende 1988 stillgelegten Atomreaktors, den Reaktorbehälter, auszubauen. Das ist technisch aufwendig: Immerhin ist dieser Reaktorbehälter 26 Meter hoch, besitzt einen Durchmesser von 7,6 Metern und wiegt 2100 Tonnen, ein Ungetüm aus Stahl. Der Jülicher Reaktor ist weltweit der erste Kugelhaufen-Hochtemperaturreaktor, der betrieben wurde. Und er ist nun der Erste, der zurückgebaut wird.
Die vier Lützenheber können 4000 Tonnen halten
Die Arbeitsgemeinschaft Versuchsreaktor (AVR), die den Rückbau betreibt, betont, dass sie alle Sicherheitsvorkehrungen getroffen hat. So wird der Reaktorbehälter an vier sogenannten Lützenhebern angehängt, die ein Gewicht von 4000 Tonnen halten können.
Der radioaktive Reaktorbehälter soll daran herausgehoben und anschließend 30 bis 35 Meter weiter in einem Gestell abgesetzt werden. Das Anheben, Verschieben und Absetzen dauert mehrere Tage. Dabei verlässt der Koloss nicht die Materialschleuse genannte geschlossene Stahlhalle.
Steuermittel von 360 Millionen Euro für den Rückbau des Reaktors
Der gesamte Rückbau wird allerdings noch einige Jahre dauern: Als Ziel nennt die AVR das Jahr 2022. Die Kosten liegen bis dahin bei geschätzten 360 Millionen Euro. Diese Kosten tragen der Bund zu 70 Prozent und das Land NRW zu 30 Prozent aus Steuermitteln.
Schon im Jahre 1994 waren die hochstrahlenden Brennelemente aus dem Reaktorbehälter entfernt worden. Die 2285 Atomkugeln liegen seitdem in gelben Castorbehältern in einem Zwischenlager auf dem Gelände des Forschungszentrums Jülich.
Im November 2008 wurde der Reaktorbehälter mit etwa 500 Kubikmeter Porenleichtbeton verfüllt. Dies sollte die Reaktoreinbauten für den Moment des Heraushebens stabilisieren und den Grafitstaub im Reaktorbehälter im Beton binden.
Herausheben des Reaktorbehälters birgt Risiken
Der Pressesprecher der AVR, Wilfried Hubrich, betont, dass der Behälter beim Reißen eines der Seile nur nach vorne und damit in die Materialschleuse fallen könnte, weil an den Seiten Führungsschienen angebracht sind. Er gibt aber zu, dass in diesem Fall der Behälter aufplatzen und sein radioaktiver Inhalt, der Porenleichtbeton, aus dem Behälter austreten könnte. Und genau darin sieht Rainer Moormann, der im Forschungszentrum gearbeitet hat und als ausgewiesener Experte der Anlage gilt, ein Problem.
Er sagt, dass der Beton mit dem Graphit im Innern des Reaktorbehälters zu radioaktiven Methangas reagiert, „was eine sehr ungünstige Mischung ist, die man vermeiden muss“. Denn diese Gase treten ständig aus dem Behälter aus.
Im Frühjahr soll der Reaktorbehälter in das Zwischenlager gebracht werden, welches außerhalb der Materialschleuse in 200 Meter Entfernung liegt.
Dort hatte man schon öfter mal etwas: Im Mai 1978 entstand ein Leck im Dampferzeuger, der sich oberhalb des Reaktors befindet. Durch dieses Leck flossen etwa 27 Kubikmeter Wasser in den Reaktor. Und bei Reinigungsarbeiten im Zusammenhang mit diesem Störfall gelangte kontaminiertes Wasser über eine undichte Gebäudefuge in das umgebende Erdreich und auch ins Grundwasser.
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