Zementwerk Rohrdorf 26.10.2012, 19:55 Uhr

Abhitzekraftwerk soll Stromkosten um 30 Prozent senken

Ein Zementwerk in Oberbayern will ein Drittel seines externen Strombedarfs einsparen, in- dem es zielstrebig die Wärme des Abgases aus dem Drehrohrofen nutzt. Das Umweltbundesamt und der Verein Deutsche Zementwerke halten das Projekt für vorbildlich und betonen beide gleichzeitig, es sei nicht eins zu eins auf alle Zementwerke übertragbar.

Abhitzekessel eines Abhitzekraftwerks.

Abhitzekessel eines Abhitzekraftwerks.

Foto: Werkfoto

Der Andrang war groß. Rund 4000 Neugierige strömten am Tag der offenen Tür im Sommer in das Zementwerk im oberbayerischen Rohrdorf. Es gab vieles Neues zu sehen, wie das erste europäische Abhitzekraftwerk mit Wasser-Dampf-Kreislauf.

Durch die umfassende Verstromung ungenutzter Abwärme will das Südbayerische Portlandzementwerk der Gebrüder Wiesböck seinen externen Strombedarf um fast ein Drittel senken. Das wird jährlich rund 31 500 t an CO2-Emissionen einsparen. „Das ist ein Vorbild auch für andere Zementwerke in Deutschland und Europa“, so Bettina Rechenberg, im Umweltbundesamt (UBA) Leiterin der Abteilung Nachhaltige Produktion, Ressourcenschonung und Stoffkreisläufe.

Zementwerke nutzen schon lange Abwärme. „Jeder Zementwerker ist bestrebt, möglichst energieeffizient zu haushalten“, betont Helmut Leibinger, Verfahrensingenieur im Portlandzementwerk Rohrdorf. Das weltweit übliche Verfahren ist, das aus dem 1500 °C heißen Drehrohrofen strömende Ofenabgas (Temperatur: ca. 1000 °C) in einen Wärmetauscherturm zu leiten.

In diesem Wärmetauscherturm wird das Ofenmehl, also die fein gemahlenen Rohmaterialien für den Zement, auf rund 800 °C vorgewärmt. Dabei wird das Kalkgestein auch entsäuert, sprich kalziniert. In Rohrdorf verlässt das Abgas den Wärmetauscherturm mit 430 °C. Ein Drittel dieses Gases wird zur Mahltrocknungsanlage geleitet, wo Rohmaterialien wie Kalk und Mergel getrocknet und gemahlen werden.

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„Dieser Kühlturm war unsere Energievernichtungsmaschine“

Zwei Drittel des Abgases blieben bisher energetisch ungenutzt. Das Abgas wurde stattdessen in einem Kühlturm mit Wasser auf 150 °C abgekühlt, um es anschließend in einem Gewebefilter zu entstauben. „Dieser Kühlturm war unsere Energievernichtungsmaschine“, so Leibinger.

Seit Juni 2012 befindet sich das Abhitzekraftwerk zur Verstromung dieser Restwärme im Probebetrieb. Die Abteilung Anlagenbau des Zementwerks hat die Anlage geplant, montiert und in Betrieb genommen. Die Dampfturbine stammt von Siemens. Die Hauptbestandteile des Dampfkessels lieferte die japanische Firma Kawasaki.

Das Besondere am Kessel sei, „die Rohre im Kessel regelmäßig so abzuklopfen, dass der Staub im Abgas den Kessel nicht verklebt“, so Leibinger. Denn 1 m3 Ofenabgas enthält rund 80 g Staub. Durch das Klopfen fällt der Staub von den Rohren und die Wärme kann weiter übertragen werden.

Der Probebetrieb verlaufe erfolgreich, freut sich Leibinger. „Wir erzeugen im Abhitzekraftwerk 5 MW bis 6 MW elektrische Leistung netto.“ Das sind 44 kWh/t Klinker. Es entspricht dem Stromverbrauch von mehr als 16 000 Haushalten oder 30 % des Strombedarfs des Rohrdorfer Zementwerkes.

Abhitzekraftwerk: Wirkungsgrad liegt bei 22 %

Der thermische Wirkungsgrad des Kraftwerks liegt bei 22 %. Zudem wird viel Wasser gespart. Bislang brauchte das Zementwerk jede Stunde rund 30 m3 Wasser aus dem eigenen Tiefbrunnen, um das 430 °C heiße Abgas auf 150 °C zu kühlen. Das Abhitzekraftwerk braucht hingegen nur 35 m3 Wasser, die tagein, tagaus in Kreislauf gefahren werden.

„Abhitzekraftwerke lassen sich aber nicht in jedem Zementwerk sinnvoll einsetzen“, meint Volker Hoenig, Geschäftsführer im Forschungsinstitut der Zementindustrie in Düsseldorf. Es geht etwa um die Feuchte der Rohmaterialien, die getrocknet werden müssen. Sie weisen in Rohrdorf einen Wassergehalt von etwa 5 % auf.

Andere Zementwerke müssen Materialien mit höheren Wassergehalten trocknen. „Im Bereich von 10 % oder mehr muss nahezu die gesamte Abwärme für die Trocknung reserviert werden“, so Hoenig. Dann bliebe für die Nutzung zur Stromerzeugung nichts übrig. Die Trocknung der Rohstoffe stellt die energieeffizienteste Abwärmenutzung dar.

Die umfassende Nutzung der Abwärme ist auch eine Frage der Wirtschaftlichkeit: Das Portlandzementwerk Rohrdorf hat rund 31 Mio. € für das Abhitzekraftwerk und zwei weitere kleine Wärmetauscher bezahlt. Künftig wird damit in Rohrdorf auch die Abwärme aus der Klinkerkühlerabluft (260 °C) und der Entstickungsanlage (150 °C) verstromt.

Diese Investition würde sich bei einem Strompreis, der jährlich um ca. 3 % steigt, nach zehn bis zwölf Jahren rechnen, so Leibinger. Da das Zementwerk einen Zuschuss von 5,4 Mio. € aus dem Umweltinnovationsprogramm des Bundesumweltministeriums erhalten hat, verkürze sich die Amortisationszeit auf etwa zehn Jahre. Selbst das ist eine lange Zeit. „Das geht nur mit Eigentümern, die nicht auf kurzfristige Rendite setzen, sondern in langen Zeiträumen denken“, betont Mike Edelmann, Geschäftsführer der Rohrdorfer Gruppe.

Abhitzekraftwerk zählt in Japan und China zur Standardtechnik

Doch Deutschland ist in Sachen Abhitzekraftwerk ein Entwicklungsland. Das gilt auch für Europa. Denn dort, wo Strom teurer ist oder die Stromversorgung instabil, setzen mehr als 500 Zementwerke weltweit die Technik bereits ein. „In Japan und China gilt diese Technologie im Prinzip als Stand der Technik für neue Zementdrehöfen“, erklärt Hoenig.

Japanische Unternehmen waren Pioniere. Der Anlagenbauer Kawasaki installierte 1980 den ersten Abhitzekessel in einem japanischen Zementwerk. „Da Stromkosten in Japan höher als in Deutschland sind, sind sie dort für die Zementwerke wirtschaftlicher.“ Taiwan erhielt 1990 die erste Anlage, China 1998. Dort wurden seitdem rund 85 % aller Abhitzekessel installiert.

So hat die chinesische Regierung entschieden, neue größere Zementwerke müssen diese Technologie nutzen. „Es geht dabei auch um Versorgungssicherheit“, erklärt Hoenig. Es sei sinnvoll, Strom zum Teil selber zu erzeugen, um bei Stromausfällen etwa den Drehrohrofen am Laufen zu halten.

Ein Beitrag von:

  • Ralph H. Ahrens

    Chefredakteur des UmweltMagazins der VDI Fachmediengruppe. Der promovierte Chemiker arbeitete u.a. beim Freiburger Regionalradio. Er absolvierte eine Weiterbildung zum „Fachjournalisten für Umweltfragen“ und arbeitete bis 2019 freiberuflich für dieverse Printmedien, u.a. VDI nachrichten. Seine Themenschwerpunkte sind Chemikalien-, Industrie- und Klimapolitik auf deutscher, EU- und internationaler Ebene.

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