Ammoniak-Terminals: Wasserstoff kommt Huckepack nach Deutschland
Während die Politik den Start von schwimmenden LNG-Terminals feiert, sind Teile der Industrie längst weiter. Unter anderem in Hamburg und Brunsbüttel werden Terminals gebaut, an denen grünes Ammoniak aus sonnenreichen Ländern gelöscht und in Wasserstoff umgewandelt werden kann. Ammoniak erleichtert den Transport von Wasserstoff.
Mit flüssigem Erdgas gelingt es, den Lieferstopp von Russland auszugleichen. Niemand muss in diesem Winter frieren, und die Glasindustrie, die zu den Großverbrauchern gehört, kann weitermachen wie bisher – abgesehen von den erdrückenden Kosten. Ob der nächste Winter auch so problemlos zu überstehen ist bleibt offen, denn die Schiffe, die in Wilhelmshaven, Brunsbüttel und Lubmin bei Greifswald LNG (Liquefied Natural Gas, flüssiges Erdgas) zurückverwandeln in Gas können nur einen kleinen Teil der früher gelieferten Mengen aus Russland ersetzen.
Ohne Importe geht es nicht
In dieser Situation an eine Zukunft zu denken, in der LNG und Erdgas, das über Pipelines geliefert wird, zum Auslaufmodell oder gar überflüssig wird, erscheint kühn, ist aber überlebenswichtig. Wasserstoff ist der Rohstoff der Zukunft für die Prozesswärmeerzeugung in der Industrie, zum Heizen, Kochen und für die Stromerzeugung. Dass Deutschland sich damit selbst versorgen kann nimmt nicht einmal der größte Optimist an. Selbst wenn ehrgeizige Pläne zur Wasserstoffproduktion auf hoher See realisiert werden , wird es nicht ohne Wasserstoffimporte aus sonnen- und windreichen Regionen wie Australien, Nordafrika, Chile und Namibia gehen. Darauf bereiten sie sich bereits intensiv vor. Der Wasserstoff soll in Form von Ammoniak, also gewissermaßen huckepack auf einem Stickstoffmolekül. Er wird hergestellt, wo gewaltige Windfarmen und Solarkraftwerke entstehen.
Ammoniak lässt sich leichter transportieren
Die Industrie bereitet sich jedenfalls auf diese Art des Transports von grünem Wasserstoff vor. Zwar gibt es bei der Umwandlung von grünem Wasserstoff in Ammoniak und der Rückumwandlung in Wasserstoff am Ziel energetische Verluste. Doch der Transport von Ammoniak ist weitaus unproblematischer als der von Wasserstoff. Ammoniak wird bei minus 33 Grad Celsius flüssig, Wasserstoff erst bei minus 253 Grad. Beide Rohstoffe können in gut isolierten Behältern – Kryotanks – per Schiff drucklos transportiert werden
Knotenpunkt für Wasserstoff
In Hamburg, Brunsbüttel, Wilhelmshaven, Rotterdam und anderen Hafenstädten sind die Pläne zum Aufbau von Ammoniak-Terminals bereits sehr konkret. Wilhelmshaven soll ein zentraler Knotenpunkt für die Wasserstoff-Wirtschaft in Deutschland werden. Der Energiekonzern BP will dort ein Terminal und einen Ammoniak-Cracker errichten. Dieser soll ab 2028 gemeinsam mit Elektrolyseuren, die BP am gleichen Standort installieren will, bis zu 130.000 Tonnen Wasserstoff pro Jahr produzieren. Cracker wandeln Ammoniak in Wasserstoff um, indem sie das Molekül in Stickstoff- und Wasserstoffatome aufspaltet. Der Wasserstoff soll über umgerüstete Erdgas- und Öl-Pipelines zu den Kunden transportiert werden.
Auch Stickstoff lässt sich nutzen
Dass der Wasserstoff genutzt wird versteht sich von selbst. Doch auch der Stickstoff ist brauchbar, etwa als Schutzgas für die Lebensmittelindustrie oder in verflüssigter Form als Kühlmittel für biologische Proben, im Tiefbau und in einer Vielzahl von anderen Anwendungen. Selbst wenn sich keine wirtschaftlich umsetzbare Anwendung findet und er einfach in die Atmosphäre entlassen würde wäre das kein Umweltproblem: Luft besteht zu 78 Prozent aus diesem reaktionsträgen Gas.
Wasserstoffzüge pendeln im Norden
Auf dem Gelände der Firma Oiltanking nahe der Kattwykbrücke im Hamburger Hafen werden derzeit noch Mineralöle gelagert und umgeschlagen. Bis 2026 wollen der Industriegaseproduzent Air Products und der Hamburger Kraft- und Brennstoffhändler Mabanaft dort ein Terminal für den Import von Ammoniak fertigstellen. Die Investitionssumme wurde anfangs mit 500 Millionen Euro beziffert. Jetzt ist es schon doppelt so viel. Der Cracker wird für 100.000 Jahrestonnen Wasserstoff ausgelegt. „Hamburg hat das Ziel, zu einem führenden Wasserstoffstandort in Europa zu werden“, so Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD). Der Wasserstoff könnte beispielsweise an das Bahnunternehmen Eisenbahnen und Verkehrsbetriebe Elbe-Wese geliefert werden, das bereits heute Wasserstoff-Triebwagen zwischen Bremerhaven und Cuxhaven pendeln lässt. Oder an den Stahlhersteller Salzgitter, der Koks durch Wasserstoff ersetzen will.
300.000 Tonnen Ammoniak für Brunsbüttel
In Brunsbüttel, wie Wilhelmshaven ein LNG-Terminal-Standort, wird der Essener Energiekonzern RWE in Sachen Ammoniak tätig. Ab 2026 sollen dort jährlich 300.000 Tonnen grünen Ammoniaks gelöscht und an Kunden in ganz Deutschland verteilt werden – Ammoniak lässt sich nicht nur zur Herstellung von Wasserstoff nutzen, sondern auch direkt zur Herstellung von Düngemitteln. Später will RWE am Terminal-Standort auch einen Cracker bauen. Der darin produzierte Wasserstoff soll per Pipeline zu den Kunden gepumpt werden. Zu diesem Zeitpunkt will RWE in Brunsbüttel bereits zwei Millionen Tonnen Ammoniak importieren.
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