An diesen Orten könnten Windräder und Solaranlagen stehen
Geographen der Universität Augsburg wollen ihren Teil dazu beitragen, den Ausbau an erneuerbaren Energien zu vereinfachen und zu beschleunigen. Sie arbeiten an einer Karte, die alle notwendigen Rahmenbedingungen erfasst. So könnte auf einen Blick sichtbar werden, welche Standorte für neue Anlagen geeignet wären.
Der Klimawandel lässt sich nur begrenzen, wenn der Ausstoß klimaschädlicher Gase sinkt. Der Ausbau erneuerbarer Energien ist in den vergangenen Jahren trotzdem nur schleppend vorangekommen. Jetzt hat das Thema an Fahrt aufgenommen. Der Krieg in der Ukraine hat deutlich gezeigt, dass die Abhängigkeit von Gas nicht nur für die Umwelt ein Problem ist.
Beim Ausbau erneuerbarer Energien müssen in einem so dicht besiedelten Land wie Deutschland allerdings viele verschiedene Faktoren berücksichtigt werden. In der Projektplanungsphase geht daher viel Zeit für die Auswahl neuer Standorte verloren. Forschende der Universität Augsburg wollen das ändern. In einem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Projekt erstellen sie eine Karte, auf der alle wesentlichen Standortfaktoren verzeichnet sind.
Windkraft in Deutschland: Diskussion um die (nicht-) Auslastung?
Effizienz von Solaranlagen und Windparks hängt nicht nur vom Wetter ab
Das Prinzip ist bekannt: Bei Umfragen spricht sich regelmäßig die Mehrheit der Bevölkerung für eine umweltfreundliche Form der Energieerzeugung aus, aber wenn es hart auf hart kommt, heißt es: not in my backyard (nicht in meiner Nachbarschaft). Unterschiedliche Interessen müssen also berücksichtigt werden.
„Wie viel Platz benötigen wir in Deutschland eigentlich für eine CO₂-neutrale Energiegewinnung und wo sind die Orte, an denen das effizient umgesetzt werden kann? Wir stellen genau diese Fragen“, sagt Harald Kunstmann vom Augsburger Instituts für Geographie. „Biogas-, Solar-, Wasser- und Windenergie sind abhängig von natürlichen Standortfaktoren. Diese sammeln wir und erstellen ein Modell, wie diese zusammenwirken und bilden sie auf einer Karte ab.“
Der Wissenschaftler ist davon überzeugt, dass es auf diese Weise möglich wäre, für jede Region festzulegen, ob der Bau von Solaranlagen oder Windkraftwerken dort effizient wäre. Dafür erfassen die Forschenden wichtige Variablen wie Sonnenscheindauer, Nebelaufkommen, Temperatur, Niederschlagsmenge, durchschnittliche Windgeschwindigkeit übers Jahr, Turbulenzen, tageszeitliche und saisonale Schwankungen. Aber auch Daten über die Flächennutzung und die vorhandene Vegetation werden einbezogen. Dafür greift das Team auf Daten aus verschiedenen Quellen zurück. Dazu gehören der Deutsche Wetterdienst, der Energieatlas Bayern und Material ihrer eigenen Forschungsarbeiten.
Ein Windrad im Garten oder auf dem Dach: Lohnt sich das?
Meinungen in der Bevölkerung sind wichtig für Solaranlagen und Windparks
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wollen es dabei genau wissen: Die Karte soll mit einer Genauigkeit von etwa einem Quadratkilometer die Ausgangslage für die verschiedenen Arten umweltfreundlicher Energiegewinnung erfassen. Neben der aktuellen Situation berechnen die Forschenden für ihre Karte auch, wie sich die natürlichen Standortfaktoren durch den Klimawandel voraussichtlich verändern werden.
Das ist aber nur der erste Schritt. In der zweiten Phase des Projekts ist der Humangeograph Stephan Bosch dafür zuständig, die ökonomischen, ökologischen und sozialen Rahmenbedingungen inklusive eventueller Konflikte zu ermitteln. „Anlagen, die erneuerbare Energie produzieren, stehen nämlich immer in Konkurrenz zu anderen Interessen. Sei es das persönliche Empfinden von Anwohnerinnen und Anwohnern, der Naturschutz, die Nutzung von Flächen für Landwirtschaft oder die für den Tourismus relevante Ästhetik einer Landschaft“, sagt Bosch. „Stellen Sie sich einen Windpark rund um Schloss Neuschwanstein vor, der dort stehen würde, nur weil der Standort eine effektive Energiegewinnung ermöglicht.“
Veränderungen durch den Klimawandel werden bereits einbezogen
Er bezieht sogar die Meinung der Menschen ein, möchte sie befragen, wie sie über erneuerbare Energien denken und ob eine Solaranlage oder ein Windpark in ihrer Nähe für sie denkbar wäre. Sogar Zeitungsartikel will er zusammen mit seinem Team auswerten. „Wir analysieren auch die geführten Diskurse“, sagt Bosch. Er vermutet, dass es kulturelle Unterschiede bei der Akzeptanz von Windrädern zwischen Nord- und Süddeutschland gibt.
Im Idealfall haben die Planer von Solar- und Windanlagen später eine Deutschlandkarte in der Hand, auf der sie genau ablesen können, welche Regionen sie für erneuerbare Energien stärker erschließen sollten.
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