Atomkraftwerk Krümmel soll vom Erdboden verschwinden
Vor vier Jahren verklagte Vattenfall noch die Bundesregierung, weil die nach Fukushima das Aus für die ältesten deutschen Atomkraftwerke beschloss, darunter auch Krümmel bei Hamburg. Jetzt plant der Energiekonzern selbst den totalen Rückbau der Anlage. Von einem der umstrittensten AKW überhaupt soll in 20 Jahren nichts mehr zu sehen sein.
Vattenfall ist einer der vier großen Energieerzeuger in Deutschland – und derjenige, der als besonders strikter Verfechter der Atomkraft gilt. Nun aber scheint auch die deutsche Tochter des schwedischen Staatskonzerns nicht mehr von einer Renaissance der Technologie in Deutschland zu träumen. Nach Brunsbüttel hat Vattenfall nun auch für den Reaktor Krümmel die Stilllegung beantragt.
In Betrieb ist der Meiler schon lange nicht mehr: Nach einem Transformatorbrand 2007 für zwei Jahre abgeschaltet, lief er zwar nochmal für kurze Zeit an, geriet aber wieder wegen schwerer Pannen in die Schlagzeilen und wurde 2011 endgültig abgeschaltet, als die Bundesregierung Konsequenzen aus der Katastrophe von Fukushima zog. Krümmel war 1984 ans Netz gegangen. Bis heute ist umstritten, ob es im Jahr 1986 schon einen Brand gab, durch den sich eine radioaktive Wolke in der Region ausgebreitet haben soll. Genauso heftig diskutiert werden Berichte über eine erhöhte Zahl von Leukämiefällen bei Kindern in der Umgebung des Kraftwerks.
Einschluss wäre billiger gewesen
In 20 Jahren soll von der Anlage nun nichts mehr zu sehen sein. Vattenfall hat sich für den „direkten Rückbau“ entschieden, „um die Erfahrungen und Fachkenntnisse der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter optimal zu nutzen“. Dahinter steckt die Sorge, dass in ein paar Jahrzehnten einfach kaum noch qualifiziertes Personal zur Verfügung stehen könnte. Die Alternative zum direkten Rückbau wäre der Einschluss der radioaktiven Teile in Beton bis zu einem Zeitpunkt, da die Endlagerung der Brennelemente geklärt und möglich wäre. Das aber ist trotz jahrzehntelanger Suche und Erkundung beispielsweise in Gorleben immer noch nicht absehbar. Für Vattenfall wäre der Einschluss zunächst die billigere Lösung gewesen, der Rückbau dürfte rund eine halbe Milliarde € kosten.
Einige Brennstäbe defekt
Wie lange der Rückbau eines Kernkraftwerks dauert, hängt vor allem vom Reaktortyp ab. Mit 10 bis 15 Jahren rechnet Vattenfall für Krümmel. Bis die Genehmigung vorliegt und die Arbeiten starten können, werden aber auch noch einige Jahre vergehen. Dann werden zunächst alle Anlagenteile abgebaut, die für den noch laufenden Restbetrieb nicht mehr nötig sind. Danach folgt die Entfernung von radioaktiv stark belasteten Komponenten wie Kühlmitteln und Pumpen und schließlich des Reaktordruckbehälters, seiner Betonverkleidung und der Brennstäbe.
Von den Brennelementen sind, wie Vattenfall inzwischen einräumt, „einige defekt“ – was das für die Entsorgung heißt, ist unklar. In jedem Fall müssen die Brennstäbe noch vor Ort zwischengelagert werden, bis ein Endlager für hochradioaktive Stoffe zur Verfügung steht. Schwach und mittelstark strahlende Stoffe wandern dann voraussichtlich ins Lager „Schacht Konrad“.
Kleine Hintertür bleibt offen
Eine Rückkehr zur Kernkraft scheint in Deutschland derzeit ausgeschlossen. Schon jetzt läuft das Stilllegungsverfahren für eine Reihe von Reaktoren, darunter Obrigheim, Mülheim-Kärlich und Gundremmingen. Eine Hintertür hält sich Vattenfall allerdings immer noch offen: Im jetzt gestellten Antrag betont das Unternehmen ausdrücklich, dass bestehende atomrechtliche Genehmigungen davon nicht berührt seien und man sich vorbehalte, den Antrag jederzeit wieder zurückzuziehen.
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