Mit Lasertechnik zur Kernfusion 08.08.2023, 10:43 Uhr

Auf dem Weg zum Fusionskraftwerk: Marvel Fusion geht in die USA

Fusionskraftwerke könnten einmal unsere Energieprobleme lösen. Nun verliert Deutschland ein hoffnungsvolles Startup aus der Kernfusions-Forschung an die USA. Wie Marvel Fusion mitteilte, wird das Unternehmen zusammen mit der Colorado State University (CSU) in Fort Collins eine der stärksten Laseranlagen der Welt bauen.

Lasertechnik

Mit Lasertechnik soll der Traum vom Fusionskraftwerk näherkommen.

Foto: CSU Photography

Das Münchner Energie-Start-up Marvel Fusion will die Entwicklung seines Kernfusionskraftwerks in den USA vorantreiben. Wie das Unternehmen und die Colorado State University am Montag bekannt gaben, soll auf dem Campus der Universität bis 2026 die weltweit leistungsstärkste Kurzpuls-Laseranlage entstehen. Die neue Anlage wird es Marvel Fusion ermöglichen, die Entwicklung seines eigenen Fusionskonzepts erheblich zu beschleunigen und so den Weg zu einem funktionierenden Kraftwerk zu ebnen. Das 150-Millionen-Euro-Projekt wird zu großen Teilen von privaten Geldgebern finanziert. In Deutschland wäre dies nicht möglich gewesen, wie das Unternehmen mitteilte.

Der Traum von Fusionskraftwerk

Die Kernfusionstechnologie wurde von der Sonne inspiriert. Die Sonne besteht zum größten Teil aus Plasma, einem Zustand, in dem Wasserstoffmoleküle zu Helium verschmelzen und dabei große Mengen an Energie freisetzen. Weltweit arbeiten Wissenschaftler daran, dieses Prinzip zur Energiegewinnung in Fusionskraftwerken zu nutzen.

Um eine Kernfusion zu erreichen, muss zunächst ein Plasma erzeugt werden. Im plasmaförmigen Zustand lösen sich die atomaren Bindungen auf und das Plasma besteht nur noch aus geladenen Teilchen. Um dies zu erreichen, sind jedoch extrem hohe Temperaturen notwendig. Während auf der Sonne Temperaturen von 15 Millionen Grad Celsius ausreichen, um Fusionsprozesse in Gang zu setzen, sind auf der Erde Temperaturen von 100 Millionen Grad Celsius notwendig. Das liegt daran, dass der Druck im Inneren der Sonne wesentlich höher ist als auf der Erde.

Noch ist es jedoch keinem Forschungsteam nachhaltig gelungen, das Plasma und die extrem hohen Temperaturen zu beherrschen bzw. wesentlich mehr Energie zu erzeugen, als in das System reingesteckt wird. Würde es gelingen, wäre die Energieversorgung der Erde auf lange Zeit gesichert. Anders als bei Atomkraftwerken bestehen außerdem keine hohen Sicherheitsrisiken, auch bei einem schweren Unfall wird nur wenig radioaktives Material freigesetzt. Es ist daher verständlich, dass viele Forschende von einem Durchbruch in Sachen Kernfusion träumen. Mit der geplanten Laseranlage könnte ein weiterer Schritt auf dem Weg zum Fusionskraftwerk beschritten werden.

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Mit Lasertechnik zur Kernfusion

In einer Pressemitteilung vom 13. Dezember 2022 gab das Lawrence Livermore National Laboratory (LLNL) in Kalifornien, USA, bekannt, dass Wissenschaftler der National Ignition Facility (NIF) einen wichtigen Durchbruch in der Fusionsforschung erzielt haben. Sie konnten aus einem mit den Wasserstoffisotopen Deuterium und Tritium gefüllten Pellet eine Fusionsenergie von 3,15 Megajoule (MJ) freisetzen. Diese Energie überstieg die für den auslösenden Laserpuls aufgewendete Energie von 2,05 MJ um 154 Prozent. Dieser Netto-Energiegewinn markiert einen lang erwarteten internationalen Meilenstein in der Fusionsforschung.

Marvel Fusion will in Kooperation mit der CSU in diese Richtung weiterforschen, dazu wird auf dem Campus der Uni die bereits erwähnte Laseranlage gebaut. Diese hochmoderne Anlage wird nach ihrer Fertigstellung die Grundlage für die Weiterentwicklung des Fusionskonzepts des Unternehmens bilden. Die Fortschritte bei der Laserfusion und ihr Potenzial als innovative Energiequelle sind von großer Bedeutung. Sie haben das Potenzial, den CO2-Fußabdruck der globalen Energieversorgung erheblich zu reduzieren.

Uni-Präsidentin Amy Parsons sagte: „Das Projekt bringt Fort Collins und den Bundesstaat Colorado langfristig einen bedeutenden wirtschaftlichen Nutzen und Renommee“. Moritz von der Linden, CEO von Mavel Fusion ergänzt begeistert: „Diese öffentlich-private Partnerschaft setzt den weltweiten Standard für die laserbasierte Fusionsforschung und treibt die Entwicklung einer sicheren, sauberen und zuverlässigen Energiequelle voran. Es ist ein unglaublicher Schritt nach vorne für Marvel Fusion und ein Beweis für unseren Erfolg und unsere Vision“.

Bis 2026 soll die Laseranlage stehen

Das Projekt, das bis 2026 abgeschlossen sein soll, umfasst mindestens drei Lasersysteme. Jedes dieser Systeme wird eine Spitzenleistung von mehreren Petawatt und eine ultraschnelle Wiederholrate von zehn Pulsen pro Sekunde haben. Diese Kombination von Lasern macht die Anlage weltweit einzigartig. Darüber hinaus ist die Anlage so konzipiert, dass sie in Zukunft erweitert und mit zusätzlichen Lasern ausgestattet werden kann.

Bei der Forschung kann sich Marvel Fusion zudem auf die Expertise der CSU freuen. Die Universität ist führend in der Laserforschung und zudem Mitglied von LaserNetUS, einem vom Office of Fusion Energy Sciences des US-Energieministeriums (DOE) finanzierten Programm. LaserNetUS setzt sich für den Aufbau eines robusten Netzwerks leistungsstarker Laserforschungseinrichtungen in Nordamerika ein und bietet Forschungsgruppen – einschließlich US-Laboratorien, Universitäten und der Privatindustrie – Zugang zu diesen Einrichtungen. Das US-Energieministerium hat kürzlich eine zusätzliche Finanzierung in Höhe von 12,5 Millionen Dollar für die Entwicklung von Prototypen für Laser-Upgrades und eine erweiterte Unterstützung für LaserNetUS angekündigt.

Warum geht Marvel Fusion in die USA?

Häufig wird der Politik die alleinige Schuld gegeben, wenn hoffnungsvolle Unternehmen Deutschland verlassen. Bei Marvel Fusion ist das nicht so. Zum einen wird das Unternehmen seinen Stammsitz weiterhin in München haben, zum anderen hätte man die Forschungen gerne in Deutschland weitergeführt, wie Marvel-Fusion-Gründer van der Linden am Montag gegenüber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung betonte: „Wir hätten sie auch gern in Deutschland errichtet“, aber europäische Investoren hätten abgewunken.

„In Amerika engagieren sich neben dem Staat auch Leute wie Bill Gates, Salesforce-Gründer Marc Benioff oder Jeff Bezos von Amazon mit riesigen Beträgen in der Fusionsforschung,“ so van der Linden weiter. Um noch einen draufzulegen: „Hier schauen immer alle auf den Staat!“ Ziel von Marvel Fusion ist es, innerhalb der nächsten zehn Jahre einen Prototyp für ein kommerzielles Fusionskraftwerk zu entwickeln. Dieses Projekt könnte mehrere Milliarden Euro kosten und möglicherweise von ersten Kunden mitfinanziert werden. Bis 2045 will das Unternehmen einen wesentlichen Beitrag zur Energieversorgung leisten.

Das ist Marvel Fusion

Das 2019 in München gegründete Unternehmen Marvel Fusion verfolgt einen beschleunigten Ansatz zur Kommerzialisierung der Fusionsenergie. Sein technologisches Konzept basiert auf hochintensiven, kurz gepulsten Lasern und speziell entwickelten nanostrukturierten Brennstofftargets. Über einen Zeitraum von vier Jahren hat das Unternehmen die grundlegenden physikalischen Aspekte seines theoretischen Modells durch kontinuierliche Experimente validiert und signifikante Fusionsreaktionen mit hochintensiven Ultrakurzpulslasern und nanostrukturierten Brennstofftargets nachgewiesen.

Unter der wissenschaftlichen Leitung von Georg Korn und Hartmut Ruhl wird Marvel Fusion von renommierten Wissenschaftlern auf dem Gebiet der Fusionsforschung unterstützt. Dazu gehören der Physik-Nobelpreisträger Gérard Mourou, Siegfried Glenzer von der Stanford University und Florian Metzler vom Massachusetts Institute of Technology (MIT). Das Unternehmen verfügt über ein Kapital von 105 Millionen Euro aus privaten und öffentlichen Kooperationsprojekten und beschäftigt 70 Mitarbeiter.

(mit dpa)

Ein Beitrag von:

  • Dominik Hochwarth

    Redakteur beim VDI Verlag. Nach dem Studium absolvierte er eine Ausbildung zum Online-Redakteur, es folgten ein Volontariat und jeweils 10 Jahre als Webtexter für eine Internetagentur und einen Onlineshop. Seit September 2022 schreibt er für ingenieur.de.

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