Benzin aus Ökostrom, Wasser und CO2
In Karlsruhe läuft ein Prototyp, der mit völlig neuen oder optimierten Techniken arbeitet. Der Vorläufer von großtechnischen Anlagen soll beweisen, dass das Verfahren funktioniert. Mit synthetischen Treibstoffen werden herkömmliche Fahrzeuge klimaneutral.
Die erste Power-to-Liquid-Anlage, in der 4 völlig neue oder optimierte Techniken eingesetzt werden, ist am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) in Betrieb gegangen. Sie produziert in 4 Schritten aus Wasser, Ökostrom und Kohlendioxid (CO2) Benzin. Das CO2 entzieht das System direkt der Luft. Das gelingt mit einer Technik, die an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETH) entwickelt worden ist und von Climeworks, einer Ausgründung aus der ETH, zur Serienreife gebracht wurde.
Ein „Schwamm“ fängt Kohlendioxid ein
Durch Unterdruck wird Luft angesaugt und durch ein Material geleitet, das ausschließlich CO2 an sich bindet. Es wirkt wie ein Schwamm, der Wasser aufsaugt. Wenn der CO2-Schwamm gesättigt ist wird er durch einen Frischen ersetzt. Das gesättigte Material gibt das CO2 frei, wenn es auf 90 bis 100 Grad Celsius erwärmt wird, und kann eingefangen werden. Damit steht der erste Rohstoff zur Benzinproduktion zur Verfügung.
Im zweiten Schritt kommt eine so genannte CO-Elektrolyseanlage zum Zuge, die gleichzeitig CO2 und Wasser spaltet. Dieses völlig neue Verfahren hat das Dresdner Unternehmen Sunfire entwickelt. Es kombiniert zwei bisher getrennte Prozesse, die Elektrolyse, bei der Wasserstoff entsteht, und dessen anschließende Reaktion mit Kohlendioxid, bei der der Sauerstoff abgetrennt wird und Kohlenmonoxid entsteht. Das Ergebnis ist in beiden Fällen Synthesegas, also ein Gemisch aus Wasserstoff und Kohlenmonoxid.
Aus zwei Prozessschritten wird einer
Die Zusammenlegung der beiden Prozessschritte reduziert ganz wesentlich die Verluste. Die intern anfallende Wärmeenergie wird gewissermaßen recycelt, sodass weit weniger verloren geht als bei einer zweistufigen Synthesegas-Produktion. Das Ergebnis: Bis zu 80 % der Energie des eingesetzten Ökostroms findet sich im Synthesegas wieder. Bei der relativ kleinen Anlage in Karlsruhe ist der Wirkungsgrad allerdings geringer.
Stufe 3 ist ein Fischer-Tropsch-Verfahren. Karlsruher Forscher haben es optimiert, sodass auch hier die Verluste deutlich geringer sind. Das Verfahren selbst ist 1925 am Kaiser-Wilhelm-Institut (heute Max-Planck-Institut) in Mülheim an der Ruhr entwickelt worden, um aus Kohle Synthesegas und daraus wiederum mit Hilfe von Katalysatoren flüssige Treibstoffe zu gewinnen. Den optimierten Reaktor baute Ineratec, eine Ausgründung aus dem KIT. Er verträgt klaglos Lastwechsel, ein entscheidender Vorteil, wenn Ökostrom genutzt wird. Denn der steht nur zeitweise zur Verfügung, etwa bei Sonnenschein oder einer steifen Brise.
Verschiedene Treibstoffe je nach Prozessführung
Schließlich werden die langen Kohlenwasserstoffketten durch so genanntes Hydrocracken teilweise aufgespalten. Dazu wird wieder Wasserstoff benötigt. Es entstehen je nach Prozessführung Benzin, Diesel oder Kerosin. Dieses letzte Glied der Kette integrierten KIT-Ingenieure in die Anlage, die in einem Standardcontainer untergebracht ist.
„Wind und Sonne versorgen uns weltweit mit einer ausreichenden Menge an Energie, aber nicht immer zur richtigen Zeit“, so Professor Roland Dittmeyer vom KIT. „Zudem brauchen einige wichtige Verkehrssegmente wie Flug- oder Schwerlastverkehr auch langfristig Kraftstoffe, da diese eine hohe Energiedichte aufweisen.“ Daher liege es nahe, den bisher ungenutzten Ökostrom in Power-to-X-Anlagen zu verwerten. Diese fungieren praktisch als Stromspeicher.
Anlage für 2000 Liter pro Tag geplant
Der Karlsruher Prototyp liefert gerade mal 10 Liter Sprit pro Tag. Doch schon ist eine größere Anlage in der Planung, die auf 200 Liter pro Tag kommt. Im nächsten Schritt sollen es 1500 bis 2000 Liter pro Tag sein.
Die KIT-Anlage ist Teil des Kopernikus-Projekts P2X (Power-to-X, wobei das „X“ für flüssige Treibstoffe, Methangas oder Wärme steht). Daran sind 18 Forschungseinrichtungen, 27 Industrieunternehmen sowie 3 zivilgesellschaftliche Organisationen beteiligt. Ziel ist es, auf längere Sicht Fahrzeuge aller Art, Schiffe, Züge und Heizungen klimaneutral zu betreiben. Viele Experten glauben, dass die Klimaschutzziele so schneller und kostengünstiger erreicht werden können als etwa durch Elektroautos und -flugzeuge.
Zusätzlicher Schub von Angela Merkel
Zusätzlichen Schub bekam das Projekt jetzt von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Bei einem Branchentreffen der Luftfahrtindustrie Deutschlands in Leipzig plädierte sie dafür, Deutschland zum Vorreiter für klimaverträgliches Fliegen zu entwickeln, unter anderem durch synthetisches Kerosin aus Wasser, Ökostrom und Kohlendioxid.
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