Biogas und Biomethan: Direkte Treibhausgasbilanz ist positiv
Mit Biogas und Biomethan lässt sich in Relation zu fossilen Energieträgern durchaus das Klima schützen, aber nicht immer Natur und Umwelt. Das ergeben Ökobilanzen und Studien. Entscheidend dafür sind Substratbasis und Anbaubedingungen.
Silbrig glänzt die 13 m hohe aluminiumummantelte Kolonne bei Landwirt Herbert Königs nahe bei Neuss. Von unten strömt Biogas durch die Kolonne. Das Gas stammt von vergorenen Pflanzen. Die Silage im Fermenter besteht zu etwa 70 % aus Mais. Königs und sein Kompagnon Christian Nellen setzen auch Roggen, Gerste und Triticale ein – diese Energiepflanzen wachsen rund um den Hof auf ca. 220 ha. Auch etwas Hühnermist eines Nachbarn landet im Fermenter – aber keine Gülle: Rinder- oder Schweinemastbetriebe fehlen in der Nachbarschaft.
Die Kolonne enthält eine Lösung von Aminen. Diese Chemikalien entfernen Kohlendioxid (CO2) aus dem Biogas. Übrig bleibt Biomethan in Erdgasqualität. Die Anlage läuft seit Februar 2010 und speist stündlich bis zu 180 m3 komprimiertes Biomethan in eine Niederdruckleitung der Stadtwerke Neuss. Der kommunale Energieversorger wandelt das Methan dann mit hohem Wirkungsgrad in Blockheizkraftwerken (BHKW) in Strom und Wärme um.
Königs und Nellen sind eine Ausnahme. Denn Landwirte vergären meist Energiepflanzen oder Wirtschaftsdünger zu Biogas, um in eigenen BHKW Strom und Wärme zu erzeugen. Königs und Nellen veredeln Biogas zu Biomethan.
Deutsche Bauern nutzen vor allem Mais, um Biogas zu erzeugen
Deutsche Bauern nutzen für die Biogaserzeugung vor allem Mais, angebaut auf etwa 700 000 ha, sowie rund 15 Mio. t Gülle. Der Fachverband Biogas schätzt, dass es Ende 2011 in Deutschland knapp 7000 Biogasanlagen geben wird – und nur etwa 60 Biomethananlagen. Diese Anlagen können mit einer elektrischen Gesamtleistung von rund 2700 MW jährlich etwa 18 Mrd. kWh Strom erzeugen und so mehr als 5 Mio. Haushalte mit Strom versorgen.
Inwieweit Biogas und Biomethan Klima und Umwelt wirklich schützen, haben das Heidelberger Institut für Energie und Umweltforschung (Ifeu) und das Darmstädter Büro des Öko-Instituts für das Bundesumweltministerium ermittelt.
„Die direkte Treibhausgasbilanz ist erst einmal positiv“, erklärt Uwe R. Fritsche vom Öko-Institut. Die Institute errechneten, wie viel Energie nötig ist, um Biogas bereitzustellen und um es zusätzlich zu reinigen und als Biomethan ins Gasnetz einzuspeisen. Außerdem untersuchten sie die gleichen Parameter für Biomethan, das verdichtet als Kraftstoff für Erdgasfahrzeuge zum Einsatz kommt.
Die Studie bilanziert auch die Emissionen an Treibhausgasen, ausgedrückt in CO2-Äquivalenten. Im Idealfall lassen demnach die Treibhausgasemissionen bei der Strom- und Wärmeerzeugung im Vergleich zum deutschen Strommix um 90 % senken (siehe Kasten und Grafik).
Energiebilanz von Biogas verschlechtert sich bei Nutzung von Weiden und Heuwiesen
„Diese Berechnungsergebnisse gelten nur“, schränkt Fritsche vom Öko-Institut ein, „wenn keine Emissionen durch Landnutzungsänderungen hinzukommen.“ Werden Weiden und Heuwiesen – das sogenannte Grünland – mit Energiemais bepflanzt, verschlechtere sich die Klimabilanz, denn der Umbruch setzt Kohlenstoff aus dem Boden frei, der zu CO2 oxidiert.
Werden Energiepflanzen auf ökologisch wertvollen Flächen angebaut, verschwinden zudem Lebensräume für Pflanzen und Tiere. Der Grünlandumbruch ist in der EU daher gesetzlich eingeschränkt.
Auch Erdgasfahrzeuge, die mit Biomethan statt Erdgas betrieben werden, schützen das Klima, so Fritsche. „Nutzt ein solches Fahrzeug Biomethan aus Gülle, emittiert es etwa zwei Drittel weniger CO2-Äquivalente als ein Benziner.“ Fährt der Wagen jedoch mit Biomethan aus Energiemais, wird nur ein Drittel CO2-Äquivalente eingespart. Stammt der Energiemais gar von einer umgebrochenen Weide, werden kaum Treibhausgasemissionen gesenkt.
Biomethan aus Energiemais erfüllt also das 35 %-Reduktionskriterium für Treibhausgase nur knapp. Dieses Kriterium setzt die deutsche Biokraftstoff-Nachhaltigkeitsverordnung, welche den Teil der Erneuerbaren-Energien-Richtlinie der EU für Biokraftstoffe und flüssige Bioenergieträger von 2009 in deutsches Recht umsetzt.
Politische Vorgaben für Biogas und Biomethan fehlen
Für die Nutzung von Biogas und Biomethan in der Strom- und Wärmerzeugung fehlen politische Vorgaben. Die EU-Kommission empfiehlt aber allen Mitgliedstaaten, die Kriterien für Biokraftstoff freiwillig auch für feste und gasförmige Bioenergieträger umzusetzen.
Und die Umwelt? „Die Ökobilanz ist meist gut – aber nicht immer“, erklärt Uwe R. Fritsche. Wie die Umwelt be- und zum Teil entlastet wird, hängt von vielen Faktoren ab: den Rohstoffen, der Technik, der Nutzung der Gase und der Ausbringung der Gärreste.
Ifeu und das Öko-Institut haben vor allem zwei Szenarien betrachtet: In einem wird nur Maissilage vergoren, im anderen nur Rindergülle. Das Ergebnis: „Rinder- und Schweinegülle sowie Exkremente aus der Hühnerhaltung sind ein deutlich besseres Substrat als Maissilage“, so Fritsche. Denn Methanemissionen, die sonst auf natürliche Weise als Klimagas frei werden, werden energetisch genutzt. Zudem fällt Gülle als Reststoff ohnehin an, steht also kostenlos zur Verfügung.
Strittig in der Fachwelt ist, wie viel Fläche für Energiepflanzen generell verfügbar ist. „Energiepflanzen können auf einer dreimal so großen Fläche wachsen – ohne Konkurrenz zur Nahrungsmittelsicherheit“, meint Josef Pellmeyer, Präsident des Fachverbands Biogas.
Für Florian Schöne vom Naturschutzbund Deutschland ist bereits das Ende der Fahnenstange erreicht. Heute ackern Landwirte in Deutschland auf 12 Mio. ha, hinzu kommen 5 Mio. ha Weiden und Heuwiesen (Grünland). Auf 2 Mio. ha der Ackerfläche wachsen bereits Pflanzen als Energieträger und biogene Rohstoffe für die chemische Industrie.
Für Öko-Institut-Fachmann Fritsche könnte die Anbaufläche für Energie- und Chemiepflanzen auf 3,5 Mio. ha ansteigen – wenn sich durch eine nachhaltige Flächenpolitik der Flächenfraß durch Straßen, Wohnungen und Gewerbeflächen stoppen ließe. Bis 2020 sei eine Steigerung ohne Einbußen an Natur und Landschaft aber kaum möglich.
Gülle als Alternative für die Erzeugung von Biogas
Während die vermehrte Nutzung von Energiepflanzen strittig ist, sind sich bei Gülle alle einig: Sie muss besser genutzt werden. „Erst 20 % bis 25 % der anfallenden Gülle werden zur Biogasgewinnung eingesetzt“, so Fritsche. Dabei produzieren Landwirte jährlich Rinder- und Schweinegülle sowie Festmist etwa von Hühnern mit einem Energieinhalt von fast 100 Petajoule (1 PJ = 1015 J). So ließe sich hierzulande der Strombedarf von 3 Mio. Haushalten decken.
Nachteil der Gülle ist ihre geringe Energiedichte: Sie besteht zu 95 % aus Wasser. Der Biogasertrag pro kg ist entsprechend gering. Um eine Biogasanlage mit einer elektrischen Leistung von 500 kW zu betreiben, braucht es Gülle von 4000 Rindern – oder die Maisernte von 150 ha. Die geringe Energiedichte der Gülle macht Transporte ab einer Entfernung von 5 km unrentabel. Biogasanlagen mit reinem Güllebetrieb sind also nur in Gebieten mit hohem Viehbestand sinnvoll. Gülle könne aber in jeder Biogasanlage als Co-Substrat eingesetzt werden, betont Fritsche.
Für eine gute Ökobilanz ist auch sauberes Arbeiten notwendig. Denn jedes Methanmolekül, das beim Gären, Aufbereiten oder der Nutzung in die Atmosphäre entweicht, erwärmt das Klima und verschlechtert die Klimabilanz. Um diesen sogenannten Methanschlupf zu minimieren, müssen Lager für Silage, Gülle und Gärreste gasdicht abgedeckt sein sowie Restgase aufgefangen und genutzt werden. Aber auch Biogas- und die Aufbereitungsanlagen zu Biomethan müssen gasdicht sein und BHKW-Gasmotoren emissionsarm arbeiten.
Herbert Königs aus Neuss ist stolz, „dass der Methanschlupf bei uns über alle Verarbeitungsstufen bis zur Einspeisung ins Netz 0,5 % beträgt“. Im Idealfall, so Fritsche, lässt sich der Methanschlupf noch halbieren.
Auch die Größe der BHKW und deren Anlagentechnik sind wichtig. Generell gilt: Je größer ein Kraftwerk, desto höher der Wirkungsgrad. Zudem wird meist nur ein Teil der Abwärme genutzt. Das lässt sich verbessern, lieferten mehrere Biogasanlagen, über Mikrogasnetze verknüpft, Biogas zu einem größeren BHKW, denn dieses produziert Strom und Wärme näher bei den Abnehmern. Fritsche empfiehlt, bei neuen Anlagen die modernste Technik einzusetzen – etwa Hochtemperatur-Brennstoffzellen mit einem 50 % höheren Wirkungsgrad als typische Gasmotoren. Ebenso wichtig ist, wie Landwirte Gärreste auf Felder aufbringen. Vergorene Silage oder Gülle sollte fein verteilt und sofort in den Boden eingearbeitet werden.
Prinzipiell gilt: Je länger Silage oder Gülle auf dem Boden liegt, umso mehr Ammoniak (NH3) und Lachgas (N2O) werden frei. Während Ammoniak zur Überdüngung beiträgt, erwärmt ein Molekül Lachgas das Klima 298-mal stärker als ein CO2-Molekül. Zudem wird meist weniger Ammoniak und Lachgas frei, wenn in einer Biogasanlage behandelte Gülle oder Silage Kunstdünger ersetzt, da dann weniger Dünger hergestellt werden muss. Der Teufel liege aber im Detail, betont der Fachmann des Öko-Instituts: Will ein Bauer sich einfach seiner Gülle entledigen und pumpt alles auf einmal auf die Felder, kann das schnell zu einer Überdüngung mit hohen NH3- und N2O-Emissionen führen.
Zurück nach Neuss. Die Aufbereitung von Biogas zu Biomethan lohne sich aufgrund des Energieaufwands für die Reinigung nur, so Fritsche, wenn Biomethan in einem BHKW verbrannt werde, dessen Abwärme vollständig genutzt wird.
Biomethan sei, so Fritsche, die vielleicht am meisten unterschätzte erneuerbare Energie- und Rohstoffquelle, denn überschüssiges Biomethan kann in Erdgasspeichern zwischengelagert werden.
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