Biogas läuft Wind den Rang ab
Biogasanlagen erleben bundesweit einen Boom, seit zwei Jahren auch in Schleswig-Holstein. Dort sind seit 2009 mehr als 120 Anlagen in Betrieb. Die Energie vom Acker macht der Windenergie im Land zwischen den Meeren echte Konkurrenz, wurde auf der Messe New Energy Husum 2011 deutlich.
Der Biogastrend in Schleswig-Holstein hat Folgen: Die Anlagen werden überwiegend mit Mais gefüttert, der auf immer größeren Flächen angebaut wird. Das führt langfristig zur Konkurrenz mit Nahrungsmitteln und zu Monokulturen. Die Pachtpreise schießen in die Höhe, die kleinen Wirtschaftswege werden durch immer größere Lkw zerstört.
„Man darf die Augen vor der Kritik nicht verschließen“, betonte Stefan Rauh, Referatsleiter Landwirtschaft beim Fachverband Biogas, auf der Messe New Energy im schleswig-holsteinischen Husum. Rauh sieht die Entwicklung kritisch. „Der Markt ist überhitzt.“
Zahlreiche, unterschiedliche Boni hätten zu dem starken Ausbau geführt. Mit der Novellierung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) 2012 hofft Rauh auf eine neue Regelung und damit auf einen kontrollierten Ausbau, der sich den Anforderungen der Region anpasst.
„Alle warten gespannt auf das EEG“, sagte auch Eckhard Kleemann vom Biogas-Anlagenprojektierer Energieraum GmbH in Oldenburg. Er vermutet, dass dann die Nachfrage abnehmen wird. Aber: „Alles ist offen.“
Das Potenzial von Biogas ist groß. Denn im Vergleich zu anderen erneuerbaren Energien hat Biogas einen entscheidenden Vorteil: Es ist ein stabiles System, speicherbar und könnte im Gegenzug zu Wind- und Sonnenenergie als Grundlastversorgung dienen.
Die technische Entwicklung geht voran, der Wirkungsgrad verbessert sich kontinuierlich. Um 20 % sei dieser in den vergangenen Jahren gestiegen, so Dietrich Clemens, Geschäftsführer der Treurat und Partner in Kiel. Der Unternehmensberater ist überzeugt: „Das wird noch weitergehen.“
Ohne die Nutzung der Wärme ist aus Sicht von Clemens eine Biogasanlage nicht lukrativ. Der Bau einer Anlage geht leicht in die Millionenhöhe – „eine Rentabilität ist nur über ein vernünftiges Wärmekonzept zu erreichen“, betont der Unternehmensberater, der sich auf diesen Bereich spezialisiert hat.
Lösungen für den Wärmebereich sind sogenannte „Satellitenanlagen“ – während die Biogasanlage beim Landwirt steht, erfolgt die Verarbeitung in Blockheizkraftwerken dort, wo Strom und Wärme benötigt werden. Doch dafür müssten auch die Nutzer mit einem tragfähigen Konzept ins Boot geholt werden.
Nicht immer werde unter ökonomischen Gesichtspunkten investiert, so Clemens, der damit auf die Kritik vieler Kommunalpolitiker im Land anspielt, dass die Wärme oft ungenutzt bleibt.
In zahlreichen Resolutionen wird eine verbindliche Kraft-Wärme-Koppelung für die Biogasnutzung im EEG gefordert. Ökologisch macht dies Sinn. „Bei Biogas liegen die CO2-Vermeidungskosten je nach Umständen zwischen 150 € und 400 € pro Tonne CO2“, stellte Friedrich Taube die neuesten Ergebnisse einer mehrjährigen Studie vor. Taube leitet am Institut für Pflanzenbau und Pflanzenzüchtung der Christian-Albrechts-Universität Kiel die Arbeitsgruppe Grünland und Futterbau/Ökologischer Landbau.
Der Studie zufolge wirkt sich das Nutzen der Wärme positiv aus, negativ ist ein Grünlandumbruch, der viel CO2 freisetzt und die Klimabilanz gegen null zieht. Aus Sicht von Taube sind die politisch gemachten Anreize definitiv zu hoch. „Das führt zu Verwerfungen in Landschaftsräumen.“ Er empfiehlt beim Ausbau von Biogasanlagen eine gezielte Landschaftsraumbetrachtung.
Neben Strom und Wärme sieht Henning Borrmeister vom Motorenspezialiisten Dreyer & Bosse aus Gorleben auch in der Aufbereitung von Bio- zu Erdgas einen künftigen Markt. Genutzt werden kann das „grüne Gas“ auch zum Tanken – doch Erdgasautos würden in Deutschland immer noch ein Schattendasein führen, bedauert Borrmeister. Zudem kann das „grüne Gas“ preislich nicht mit herkömmlichem Erdgas mithalten.
Die größte Herausforderung für Biogas sei der Ausbau von intelligenten Netzen, so Eberhard Hartung, Sprecher des Kieler Kompetenzzentrums Biomasse-nutzung. Wegen der überlasteten Netze durch Wind- und Sonnenenergie würden Biogasanlagen immer wieder vom Netz genommen. ANGELA SCHMID
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