Bipolymer macht Strom aus Abwärme
Mit einem neuartigen Material könnten in Deutschland fast 40 Millionen Tonnen Kohlendioxid eingespart werden. Das Düsseldorfer Unternehmen Poligy hat das Bimetall-Prinzip auf Kunststoffe übertragen.
Wenn die Industrie ihre Abwärme nutzen würde, um Strom zu erzeugen, ließen sich in Deutschland fast 40 Millionen Tonnen Kohlendioxid einsparen. Das hat die Deutsche Energie-Agentur in Berlin errechnet. Das sind fast 5 Prozent der Emissionen. Wirtschaftlich einsetzbare Verfahren, diese Energie, die bei Temperaturen zwischen 50 und 200 Grad Celsius anfallen, gibt es nicht.
Das kann sich jetzt ändern. Martin Huber hat dazu ein Bipolymer entwickelt, das Abwärme oder auch die Infrarotstrahlung der Sonne in Bewegungsenergie umwandelt. Diese lässt sich zur Stromerzeugung nutzen.
Kunststoffe dehnen sich unterschiedlich stark aus
Biploymere sind genauso aufgebaut wie Bimetalle, die sich bei Erwärmung verformen und nach dem Abkühlen wieder die ursprüngliche Form annehmen. Der junge Bruder dieses altbekannten Systems besteht aus einem langegestreckten Band aus kohlenfaserverstärktem Kunststoff (CFK), auf den der Wirtschaftschemiker Huber eine dünne Lage Polybutylenterephthalat (PBT) „klebt“. CFK dehnt sich bei Erwärmung fast gar nicht aus, PBT dagegen sehr stark. Die Folge: Das Bipolymer verformt sich, um die unterschiedlichen Kräfte auszugleichen. Diese Kraft wollen Huber und Artur Steffen nutzen, um einen Generator zur Stromerzeugung anzutreiben. Dazu gründeten sie in Düsseldorf das Unternehmen Poligy.
Der erste Prototyp schaffte 30 Newton
Mit dem ersten Prototypen, einem Streifen mit den Maßen 4 Mal 8 Zentimeter erzeugten sie durch Erwärmung auf 100 Grad eine Kraft von 30 Newton, nach einer Faustformel ist das die Kraft, mit der ein Drei-Kilogramm-Gewicht am Arm zieht, wenn man es trägt. Poligy hat bereits ein Rad entwickelt, dessen Speichen auf Bipolymer bestehen. Es dreht sich noch recht gemächlich. Angetrieben wird es noch nicht von Abwärme, sondern von einem Infrarotstrahler im Labor. Wenn die Bipolymere den Infrarotbereich verlassen und von einem Ventilator gekühlt werden, nehmen sie ihre alte Form wieder an. Der Wechsel zwischen Verbiegen und Rückkehr zur alten Form löst die Drehbewegung aus.
Graphen soll die Wärmeeinkopplung verbessern
Die Einkopplung der Wärme in das System ist noch nicht endgültig gelöst. „Wir wollen PBT mit Graphen anreichern, um die Wärmeleitfähigkeit des Kunststoffs zu verbessern“, sagt Huber. Als Medium, das später die Wärme überträgt, kämen Wasser oder auch Dampf in Frage. Oder eben die Direktstrahlung der Sonne. Eine 12 Quadratmeter große Fläche, die mit Bipolymer-Generatoren bedeckt ist, hätte eine Leistung von einem Kilowatt, schätzt Huber. Zuvor allerdings müsste das System zur Serienreife gebracht werden. Bis es so weit ist, vergeht allerdings noch eine Weile.
„Bisher gibt es keine so preisgünstige Technologie, die bei Temperaturen von 50 bis 200 Grad Celsius aus Abwärme grünen Strom produzieren kann“, sagt Huber. Anders als Solarzellen kostet die Herstellung von Bipolymer-Generatoren nicht allzu viel. PBT kann auf das CFK auflaminiert werden. Das funktioniert mit Maschinen, die die Kunststoffindustrie schon heute nutzt.
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