Bleiben Kernkraftwerke länger in Betrieb?
Umfrage: 44,6 % sind dafür, damit die Emissionen an Kohlendioxid nicht wieder ansteigen. Die Alternativen sind die fossilen Brennstoffe Erdgas und Steinkohle – oder Pufferspeicher für Ökostrom. Doch die sind rar.
Der Hambacher Forst nahe Düren, von Umweltschützern und gewaltbereiten Chaoten besetzt, um den RWE-Braunkohletagebau und damit die Verstromung zu stoppen, hat in Deutschland zu einem Umdenken geführt. Nicht mehr die Kernenergie, die Braunkohle ist der Gegner Nr. 1. In einer repräsentativen Umfrage des Erfurter Instituts Insa sprachen sich 44,6 % der Bundesbürger dafür aus, die 7 in Deutschland noch laufenden Kernkraftwerke länger als bis Ende 2022 in Betrieb zu lassen, wie es die Bundesregierung nach der Fukushima-Katastrophe beschlossen hat. Rund ein Drittel der Befragten steht nach wie vor zum Ausstieg aus der Kernenergie. Der Rest hat keine Meinung. Oder es ist ihm egal. So könne der Ausstieg aus der Kohleverstromung – derzeit ist das Jahr 2038 anvisiert – früher kommen, hoffen die neuen Anhänger der Kernenergie.
Wer deckt künftig die Grundlast ab?
Kernkraft- und Braunkohlekraftwerke decken die so genannten Grundlast, das ist der Verbrauch, der von Tages- und Jahreszeiten weitgehend unabhängig ist. Die jüngsten Braunkohlekraftwerke in Neurath im rheinischen Revier mit zusammen 2120 Megawatt sind allerdings schon flexibler. Deren Leistung lässt sich innerhalb kurzer Zeit an den Bedarf anpassen. Sie wird gedrosselt, wenn viel Wind- und/oder Solarstrom erzeugt wird, und erhöht, wenn die Ökostrom-Lieferanten schlapp machen.
Wind- und Solaranlagen sind Leistungssieger
Die übrigen Braunkohlekraftwerke sind gewissermaßen digital: Sie laufen, oder sie laufen nicht, Zwischenstufen sind praktisch nicht möglich. Sie bringen ganz schön viel Power ins Netz. Derzeit sind Anlagen mit einer Gesamtleistung von rund 20.000 Megawatt in Betrieb. Dazu kommen Kernkraftwerke mit netto rund 9.500 Megawatt. Wind- und Solaranlagen haben eine Nennleistung von etwa 100.000 Megawatt. Sie können, theoretisch jedenfalls, ganz allein die Stromversorgung Deutschlands übernehmen. In windstillen Nächten und in zahlreichen anderen Fällen liefern sie jedoch nichts. Dann müssen fossile und Kernkraftwerke die Versorgung fast allein sicherstellen, assistiert von einigen 1.000 Megawatt Wasserkraft, Biogas-Kraftwerke und anderen Anlagen, die wetterunabhängig Strom liefern.
Alternativen sind Erdgas und Steinkohle
Wenn die Kernkraftwerke wie geplant abgeschaltet werden und parallel dazu noch Braunkohle Schritt für Schritt zurückgefahren wird, kommen vor allem Erdgaskraftwerke als sichere Lieferanten in Frage. Viele davon haben derzeit Pause, weil die Stromerzeugung in diesen Anlagen zu teuer ist. Insgesamt könnten sie rund 15.000 Megawatt beisteuern. Diese sind natürlich nicht klimaneutral, emittieren von allen fossilen Kraftwerken allerdings das wenigste Kohlendioxid. Dann sind da noch Steinkohlekraftwerke mit rund 22.000 Megawatt, die derzeit vor allem genutzt werden, um Stromlücken zu stopfen, die bei fehlender Sonne und schlappem Wind entstehen.
Kernenergie ist nicht emissionsfrei
Würde der Anteil der Kernkraftwerke an der Stromerzeugung komplett von Erdgaskraftwerken übernommen, würden die CO2-Emissionen um rund 35 Millionen Tonnen pro Jahr steigen. Davon müssten 744.000 Tonnen abgezogen werden, die Kernkraftwerke wegen des Energieverbrauchs bei der Förderung von Uran, der Anreicherung und der Herstellung von Brennelementen indirekt emittieren. 57 Millionen Tonnen wären es, wenn der Ersatz aus Steinkohlekraftwerken käme. Diesen Zahlen liegen Daten der gemeinnützigen Forschungsstelle für Energiewirtschaft in München zugrunde.
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