Branche verzeichnet drastischen Rückgang beim Bau neuer Biogas-Anlagen
„Die aktuelle Branchenentwicklung ist sehr ernüchternd“, kommentierte der Präsident des Fachverbandes Biogas, Josef Pellmeyer, die auf der Messe Eurotier/BioEnergy Decentral 2012 in Hannover vorgestellten Branchenzahlen. Nach dem Boomjahr 2011 verzeichnet die Biogasbranche in diesem Jahr einen erheblichen Rückgang im Anlagenbau, der Markt für neue Anlagen bricht voraussichtlich 2012 in Deutschland im Vergleich zu 2011 um knapp 80 % ein.
Auf einer Pressekonferenz im Rahmen der Fachmesse „BioEnergy Decentral“ in Hannover präsentierte der Fachverband Biogas in der vergangenen Woche neue Zahlen, die auf Erhebungen in verschiedenen Bundesländern und einer Firmenumfrage beruhen. Demnach dürften in diesem Jahr nur 268 Biogasanlagen neu gebaut werden. Noch im Mai ging der Fachverband Biogas von 300 Neuanlagen aus.
Insgesamt arbeiten derzeit in Deutschland knapp 7500 Biogasanlagen mit einer installierten elektrischen Leistung von über 3000 MW. Das reicht aus, um rund 6,1 Mio. Haushalte mit Biogasstrom zu versorgen.
Novelle des EEG Schuld am Markteinbruch beim Biogas
Die Gründe für den Markteinbruch sieht die Verbandsspitze vor allem in der Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG), die am 1. Januar 2012 in Kraft getreten ist. „Diese Novelle ist alles andere als biogasfreundlich“, bedauerte Josef Pellmeyer, Präsident des Fachverbandes Biogas. Zwar führte der Gesetzgeber eine neue Leistungsklasse für Biogasanlagen bis zu einer installierten elektrischen Leistung von 75 kW ein, deren Strom höher vergütet wird. Doch die Erwartungen der Hersteller an eine hohe Nachfrage haben sich nicht erfüllt.
Die maue Nachfrage nach der 75-kW-Leistungsklasse liegt daran, dass diese Anlagen relativ teuer sind. Dazu tragen auch die Auflagen der Behörden bei: So müssen alle Behälter gasdicht abgedeckt sein, außerdem wird eine Verweilzeit des Gärsubstrates von mindestens 150 Tagen in den Gärbehältern verlangt, was bei dieser Anlagengröße nicht ganz einfach zu realisieren ist. Ebenso wenig kommt der Bau neuer Biomethananlagen voran, die aufbereitetes Biogas in das Erdgasnetz einspeisen.
Die Hersteller von Biogasanlagen sehen für 2013 schwarz, wie Hendrik Becker, Sprecher des Firmenbeirates im Fachverband Biogas, in Hannover konstatierte: „Die Auftragslage ist katastrophal.“ Viele Hersteller konnten sich mit einem Auftragsüberhang aus dem Jahr 2011 noch über die ersten Monate retten, erläuterte Becker.
Hoffnungen setzen die Firmen darauf, dass zunehmend ältere Anlagen erneuert oder erweitert werden. Der Begriff „Repowering“ aus der Windenergie findet nun auch Eingang in die Biogasbranche. „Die Anlagenerweiterung hält den Markt derzeit am Leben“, stellte der Sprecher des Firmenbeirates fest.
Biogas „Made in Germany“ ist sehr gefragt
Doch die Nach- und Umrüstung kann den Einbruch im Neugeschäft nicht kompensieren, was Folgen für die Beschäftigten der Biogasanlagenbauer haben wird. Becker erwartet einen Rückgang der Beschäftigtenzahl um 25 %. Betroffen davon ist nicht nur das Montagepersonal, auch auslaufende Jahresverträge von Ingenieuren werden wohl nicht mehr verlängert.
Neue Impulse sollen vom Auslandsgeschäft kommen, denn durch das Know-how der Ingenieure ist Biogastechnologie „made in Germany“ weltweit gefragt. Zwar sind einige Firmen bereits erfolgreich im Ausland tätig, doch bislang gelingt es nur wenigen, den Einbruch im heimischen Markt durch internationales Geschäft zu kompensieren.
„Um im Ausland erfolgreich zu sein, muss man einen langen Atem haben“, sagte Hans Friedmann, Vizepräsident des Fachverbandes Biogas.
Firmen, die nicht die gute wirtschaftliche Situation der letzten Jahre genutzt hätten, täten sich jetzt mit dem Sprung in neue Märkte schwer, stellte der Ingenieur fest. Friedmann erwartet auch nicht, dass es dadurch positive Beschäftigungseffekte in Deutschland geben wird. Denn die Anlagen werden zwar in Deutschland geplant, aber von örtlichen Firmen gebaut.
Dabei hat Biogas eine wichtige Funktion bei der Energiewende durch die bedarfsgerechte Stromproduktion zum Ausgleich der anderen fluktuierenden Energieträger Wind und Sonne. Zahlreiche Aussteller auf der „BioEnergy Decentral“ stellten technische Lösungen vor, wie Biogas die Stromnetze stabilisieren kann.
Bayern prüft, ob Biogas die abgeschalteten Kernkraftwerke ersetzen kann
„Biogas hat ein enormes Potenzial, das noch viel stärker genutzt werden könnte“, ist sich Verbandschef Pellmeyer sicher. „In Bayern wird derzeit geprüft, inwieweit Biogas die abgeschalteten Kernkraftwerke ab 2022 ersetzen kann“, ergänzte Claudius da Costa Gomez, Geschäftsführer des Fachverbandes Biogas.
In Arbeitsgruppen werde derzeit die Umsetzung des vom bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer ins Spiel gebrachten Bayernplans geprüft. Dieser sieht vor, nicht nur die Strommenge der wegfallenden vier bayerischen Kernkraftwerke zu kompensieren. Zusätzlich soll auch der Bedarf an Gaskraftwerken und Erdgas über bestehende und neue Biogasanlagen gesenkt werden.
Für den Bayernplan müsste die installierte elektrische Leistung aller bayerischen Biogasanlagen von heute 674 MW in etwa verdoppelt werden. Die neuen Anlagen sollen vor allem mit Gülle und landwirtschaftlichen Nebenprodukten betrieben werden. Wegen der hohen Einspeisung erneuerbarer Energien lassen sich Gaskraftwerke zur Abdeckung der Spitzenlast bereits heute nicht mehr rentabel betreiben.
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