Braunkohle kostet noch viele die Heimat
Die großen Braunkohlekraftwerke füllen teilweise die Lücke, die in Deutschland nach der Abschaltung von acht Kernkraftwerken entstanden ist. Die Bedeutung des heimischen Brennstoffs für die Energiewirtschaft steigt. Doch die Umweltbelastungen der Braunkohle sind erheblich.
Die Stromproduktion aus Braunkohle stieg 2012 in Deutschland deutlich: im Jahresvergleich um 6 % auf 159 Mrd. kWh. Das ermittelte die Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen. Die Betreiber von Braunkohle-Großkraftwerken erweisen sich damit als Gewinner der Energiewende.
Mitten in die steigende Bedeutung der Braunkohle für die Energiewirtschaft hinein veröffentlichte die Umweltschutzorganisation Greenpeace jetzt ein Gutachten, das die Gesundheitsfolgen der Kohleverstromung anprangerte. In dem Gutachten der Universität Stuttgart heißt es, dass die Braunkohle jedes Jahr 33 000 Lebensjahre in Deutschland kostet, das sind statistisch 3 100 vorzeitiges Todesfälle.
Doch auch die Umweltbelastungen sind erheblich. Das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI) in Karlsruhe ermittelte 2012 die Umweltschäden der Energieerzeugung. Die Umweltschäden durch Treibhausgase und Luftschadstoffe der Braunkohleverstromung veranschlagte es dabei mit 10,75 Cent/kWh. Davon würden nur 1,36 Cent/kWh über die CO2-Zertifikate tatsächlich in die Kosten der Stromerzeugung einbezogen. Zum Vergleich: Im Großhandel kostet derzeit Strom rund 5 Cent/kWh.
In NRW müssen noch 5000 Menschen wegen der Braunkohle weichen
Im Blickpunkt steht derzeit der hohe CO2-Ausstoß der Braunkohleverstromung, der weltweit auf die Erderwärmung wirkt. Weil die Kraftwerksbetreiber dafür inzwischen Zertifikate kaufen müssen und an technischen Lösungen für die stoffliche Nutzung des Treibhausgases arbeiten, gibt es für dieses Problem zumindest Lösungsansätze.
Doch bringt die Förderung der heimischen Braunkohle einen großen Landschaftsverbrauch und Heimatverluste für die Menschen mit sich. So verfügt RWE derzeit in Nordrhein-Westfalen über genehmigte Tagebaue, die eine Jahresförderung von 100 Mio. t bis zur Mitte des Jahrhunderts erlauben. Um Platz für den Abbau zu schaffen, müssen noch Ortschaften mit insgesamt 5000 Einwohnern umgesiedelt werden.
Vattenfall hat derzeit Genehmigungsverfahren für drei Tagebauerweiterungen in Brandenburg und Sachsen laufen, die den unterbrechungsfreien Weiterbetrieb der Lausitzer Kraftwerke bis über die 2020er-Jahre hinaus erlauben. Dafür müssten mehr als 3000 Einwohner ihre alte Heimat verlassen.
Mibrag hatte sich bis vor einigen Jahren mit der Gemeinde Heuersdorf in Sachsen einen zähen Kampf um die Umsiedlung von 312 Einwohnern geliefert, damit der Tagebau Vereinigtes Schleenhain erweitert werden konnte. Durch eine weitere Umsiedlung von 130 Einwohnern der Gemeinde Pödelwitz, die Mibrag zuletzt ohne größere öffentliche Aufmerksamkeit vereinbarte, kann dieser Tagebau nun noch weiter wachsen.
Für den Tagebau muss Grundwasserspiegel stark absenkt werden
Zu den Umweltauswirkungen der Braunkohlewirtschaft gehören tiefe Eingriffe in den regionalen Wasserhaushalt. Damit die Braunkohle im Tagebau gefördert werden kann, muss der Grundwasserspiegel bis unter die Tagebausohle abgesenkt werden – in Tiefen von bis zu 70 Metern. So pumpt Mibrag für den Tagebau Profen jährlich 50 Millionen Kubikmeter Wasser ab, im Tagebau Vereinigtes Schleenhain sind es 32 Millionen Kubikmeter – etwa so viel, wie die Region Leipzig als Trinkwasser braucht.
Holger Weiß, Abteilungsleiter Grundwassersanierung beim Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Leipzig, hat an dieser Praxis grundsätzlich nichts auszusetzen. Doch verweist er darauf, dass das Grundwasser auch in weiten Gebieten um die Braunkohletagebaue herum trichterförmig abgesenkt wird und dadurch Grundwasserleiter belüftet werden. Steigt nach dem Ende des Tagebaus das Grundwasser wieder an, löst es Sulfate und Eisen aus dem Grundwasser.
Einen ähnlichen Effekt gibt es schon während der Förderung auf den Abraumkippen, wo Regenwasser diese Stoffe auswäscht und ins Grundwasser sickern lässt. „Es tritt eine Versauerung des Grundwassers ein“, so Weiß. „Deshalb sind in den großen deutschen Braunkohlegebieten die Grundwasserleiter in einem schlechtem Zustand.“
Dort könne kein Trinkwasser aus dem oberflächennahen Grundwasser gewonnen werden. Außerdem greife das wieder ansteigende saure Grundwasser den Beton von Abwasserkanälen und Hauskellern an. „Es dauert mehrere Jahrzehnte, bis sich der Säuregehalt des Grundwassers wieder normalisiert“, erklärt der UFZ-Experte. Dennoch hält er den Einfluss des Braunkohlebergbaus auf die flächenhafte Grundwasserqualität in Deutschland insgesamt für begrenzt und gut beherrschbar.
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