Bremen baut innovatives Wasserkraftwerk
Die Stadt Bremen will ihren Ruf als Ökostadt festigen. Als derzeit wichtigstes Projekt gilt der Bau eines neuen Wasserkraftwerks an der Weser. Zwei neu entwickelte Turbinen mit je 5 MW sollen ab Ende 2011 dafür sorgen, dass die Anlage 42 Mio. kWh Strom im Jahr erzeugt. Das Laufwasserkraftwerk soll rund 20 000 Bremer Haushalte mit Strom versorgen. Damit ist die Anlage aktuell eines der größten Neubauprojekte zur Nutzung der Wasserkraft in Deutschland.
„Das Vorhaben ist für das Land Bremen ein Meilenstein im Bereich der Nutzung regenerativer Energien“, sagt Christoph Kolpatzik, Geschäftsführer der Betreibergesellschaft und zukünftigen Eigentümerin Weserkraftwerk Bremen GmbH (WKB). Die Baukosten für das Kraftwerk wurden zunächst auf rund 40 Mio. € geschätzt. Christoph Kolpatzik geht in jedem Fall von einem höheren Betrag aus. Wie hoch dieser sein wird, ist offen. Ende 2011 soll das Weserkraftwerk den Betrieb aufnehmen.
Das Laufwasserkraftwerk wird größtenteils unterirdisch gebaut. Die Firma Enercon, deren Tochter EIPP GmbH und die Bremer swb AG je zur Hälfte Eigner der WKB sind, setzt dabei auf Innovation: Für das Kraftwerk wurde ein neuer „Prototyp“ im Bereich der Kaplan-Rohrturbinen entwickelt.
„Wir haben lange an der Frage gearbeitet, wie wir unsere Erkenntnisse aus der Windenergie auf die Wasserkraft übertragen können. Jetzt werden wir es beim Weserkraftwerk beweisen“, sagt Aloys Wobben, Gründer und Geschäftsführer von Enercon. Mit derzeit rund 16 500 Anlagen ist das Unternehmen einer der führenden Windradhersteller weltweit.
Mittelfristig soll die Wasserkraft bei Enercon zum zweiten Standbein werden. Seit vergangenem Jahr betreibt das Unternehmen ein kleineres Kraftwerk (Leistung: 2,3 MW) in Sachsen-Anhalt an der Mulde, das mit einer vergleichbaren Technik ausgestattet ist.
Die Stromausbeute der neuen Kaplan-Turbinen liegt um rund 10 % höher als bei den herkömmlichen Turbinen, da sie mit einer deutlich geringeren Umdrehungszahl – maximal 90 U/min – auskommen.
„Wegen der Ausführung als Luvläufer und der dadurch direkten Anströmung des Laufrades ohne vorherige Umlenkung des Wasserstromes ist diese Technik besonders energiesparend“, sagt Enercon-Sprecher Volker Uphoff.
Ähnlich wie bei den Windenergieanlagen von Enercon entfällt auch bei den Wasserturbinen das Getriebe. Die Turbinen werden über die verdrehbaren Laufschaufeln und die verstellbaren Leitschaufeln auf die wechselnden Betriebsbedingungen eingestellt. Beide Systeme geben dem zulaufenden Wasser eine schraubenförmige Drehung, um die Energie des Wassers in Bewegung umzusetzen.
Mit dem Ausbau auf knapp 10 MW werden die vorhandenen Möglichkeiten der Energiegewinnung weitgehend ausgeschöpft. Die notwendige Betriebswassermenge steht an 180 Tagen zur Verfügung, in der anderen Hälfte des Jahres laufen die Maschinen mit geringerer Leistung.
Durch die Drehzahlvariabilität lässt sich zudem der Ertrag gegenüber einer starr gekoppelten Turbine erhöhen, da so die durch die Tide bedingten Gefälleschwankungen an der Staustufe besser ausgenutzt werden können. Im Falle des Weserkraftwerks ist dies besonders wichtig. „Aufgrund von Ausbaggerungen in der Weser ist der Tidenhub in den vergangenen 30 Jahren von unter 1 m auf 4 m angestiegen“, sagt Edo Lübbing von Gaertner, Fachbereichsleiter beim Umwelt-Senator in Bremen, der das Projekt unterstützt.
Bei der Planung gab es allerdings auch Bedenken. Der Verband Deutscher Sportfischer (VDSF) reichte vor dem Bremer Verwaltungsgericht Klage gegen das Planfeststellungsverfahren ein. Der Grund: Als anerkannter Naturschutzverband nach § 59 Bundesnaturschutzgesetz hätte er bei einem solchen Verfahren üblicherweise gehört werden müssen. Was nicht der Fall war.
Die Klage wurde sowohl in erster Instanz als auch später vom Bundesverwaltungsgericht in Leipzig abgewiesen. Eine Vorlage beim Europäischen Gerichtshof wird derzeit geprüft.
Die Betreiber des Weserkraftwerks sehen der Sache gelassen entgegen. „Der Schutz der Fische ist vorbildlich“, erklärt Lübbing. Durch extrem geringe Spaltmaße des Laufrades soll verhindert werden, dass Fische in die Turbinen kommen.
Abwärts wandernde Fische werden weitgehend mithilfe eines zum Teil völlig neu entwickelten Systems an den Turbinen vorbei geleitet. Zusätzlich zu dem bereits am linken Ufer befindlichen Fischpass wird parallel zum Kraftwerk auf dem rechten Ufer ein zweiter Fischaufstieg errichtet.
Für die Stadt Bremen ist das Projekt ein wichtiger Aspekt im Klimaschutz- und Energieprogramm (KEP) 2020. Es sieht vor, die CO2-Emissionen bis 2020 um mindestens 40 % gegenüber 1990 zu reduzieren. Das neue Weserkraftwerk besitzt ein jährliches Einsparungspotenzial von rund 35 000 t CO2.
„Bremen spielt eine Vorreiterrolle im Bereich erneuerbarer Energien“, sagt Lübbing. Die Hansestadt betreibt auf ihrem Gebiet allein 50 Windenergieanlagen – so viel wie keine andere deutsche Großstadt. Ein Grund hierfür sieht er darin, dass in Bremen, anders als in den meisten Bundesländern, seit vielen Jahren das Umwelt- und nicht das Wirtschaftsressort für die Energiethemen zuständig ist. „Wir haben im Bereich der erneuerbaren Energien dadurch einen Vorsprung von fast 20 Jahren“, so Lübbing.
HOLGER PAULER
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