Briten bauen Kernkraftwerk für 21 Milliarden Euro
Großbritannien setzt wieder auf Kernkraft: Zwei Blöcke des modernen Europa-Reaktors sollen an Englands Südwestküste in Hinkley Point gebaut werden, hat die Regierung entschieden. Die Reaktoren kosten gut 21 Milliarden Euro. Das Geld kommt aus Frankreich und, was höchst umstritten ist, aus China.
Hinkley Point wird gebaut, Großbritannien hat sich für die Fortsetzung seines nationalen Atomprogramms entschlossen. Die Entscheidung fällte jetzt die neue britische Premierministerin Theresa May. Dabei sind die Gebiete vor der britischen Küste hervorragende Offshore-Windstandorte. Dort entstehen nicht nur riesige Windparks.
Auch mit Wellen- und Gezeitenkraftwerken experimentiert Großbritannien. Vor der schottischen Küste ist das größte Gezeitenkraftwerk der Welt in Bau, ein weiteres Kraftwerk entsteht im Bristol Channel. Dennoch will sich das Land nicht nur auf diese wetterabhängige Stromerzeugung verlassen.
Die beiden mächtigen Reaktorblöcke an der Südwestküste Englands, die nach Fertigstellung sieben Prozent des Strombedarfs der Inselrepublik liefern werden, sollen alte Kohlekraftwerke ersetzen. So wollen die Briten die Kohlendioxidemissionen drastisch reduzieren.
Reaktortyp wurde auch von Siemens mitentwickelt
Am Standort waren von 1965 bis 2000 zwei kleinere Reaktorblöcke in Betrieb. Gemeinsam brachten sie es auf eine Leistung von 530 Megawatt. Das ist nicht einmal ein Drittel dessen, was einer der beiden neuen Reaktorblöcke schafft: 1.600 Megawatt. European Pressurized Water Reactor (EPR) ist die Typbezeichnung der Anlage, die der französische Kraftwerksbauer Areva gemeinsam mit Siemens entwickelt hat. Die Deutschen haben sich mittlerweile aus dem Geschäft zurückgezogen.
Der EPR verfügt über einen so genannten Core Catcher, eine gewaltige kühlbare Wanne, die bei einer schweren Havarie, bei der der Reaktorkern schmilzt, das flüssige Gemisch aus Uran, Plutonium und Atommüll auffängt, sodass es nicht in den Untergrund eindringen und beispielsweise das Grundwasser verseuchen kann.
China beteiligt sich an den Kosten von 21 Milliarden Euro
Der Bau ist keineswegs nur bei Umweltschützern umstritten, vor allem wegen der Kosten. Gut 21 Milliarden Euro sind es nach dem derzeitigen Stand. Der französische Energiekonzern, der mehrheitlich in Staatsbesitz ist, trägt davon zwei Drittel. Das restliche Drittel steuert, was politisch höchst umstritten ist, der chinesische Staatskonzern CGN bei. Die britische Regierung sicherte sich gegen unliebsame Einflüsse allerdings ab. Sie legte fest, dass Hinkley Point nicht ohne ihre Zustimmung ganz oder teilweise verkauft werden darf.
Strom wird doppelt so teuer
Zudem könnte es für die britischen Stromverbraucher teuer werden. EDF als Betreiber von Hinkley Point hat sich hohe Festpreise für die Abnahme des Atomstroms von der britischen Regierung garantieren lassen. Pro Megawattstunde erhält EDF fast 110 Euro. Das ist etwa das Doppelte des heutigen Marktpreises. Andererseits steht Kernenergie für Zuverlässigkeit, trägt also dazu bei, dass das Netz bei Wetterkapriolen nicht zusammenbricht.
Bisher sind vier EPR im Bau. 2003 fand der erste Spatenstich für einen Reaktorblock im finnischen Olkiluoto statt. Es gab zahlreiche Verzögerungen, so dass die Anlage, die bereits 2011 in Betrieb gehen sollte, nach jüngster Prognose nun 2018 den ersten Strom erzeugen soll.
Nicht besser erging es dem zweiten EPR, dessen Bau im französischen Flamanville am Ärmelkanal 2007 begann. Dessen Fertigstellung verzögerte sich ebenfalls. Durch die Erfahrungen, die die beteiligten Unternehmen in Finnland sammelten, ging es jedoch ein bisschen schneller. Der aktuelle Fertigstellungstermin ist 2017.
Der erste EPR könnte in China Strom erzeugen
China könnte noch schneller sein. In Taishan, 140 km entfernt von Hongkong, sind seit 2010 zwei EPR im Bau. Der erste Reaktor ist weitgehend fertiggestellt und ist bereits im nicht-nuklearen Betrieb getestet worden. In der ersten Hälfte des nächsten Jahres soll er erstmals Strom erzeugen.
Bisher sind die Baukosten bei allen EPR weit überschritten worden. Olkiluoto etwa sollte ursprünglich drei Milliarden Euro kosten. Jetzt sind es acht Milliarden, vorerst jedenfalls.
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