Chemische Energiespeicher – mit grünem Wasserstoff zur Energiewende?
Chemische Energiespeicher gelten als Schlüsseltechnologie der Energiewende. Ausgangspunkt hierbei ist grüner Wasserstoff, der auf verschiedene Weise modifiziert wird, damit er kompatibel mit der bestehenden Infrastruktur ist. Erfahren Sie in diesem Ratgeber, welche verschiedenen chemischen Energiespeicher es gibt und ob Wasserstoff wirklich die Lösung für unsere Speicherproblematik ist.
Die Energiewende kann nur gelingen, wenn es ausreichend Speicherkapazitäten für den aus Wind oder Photovoltaik gewonnenen Strom gibt. Eine Möglichkeit hierfür sind chemische Energiespeicher in Kombination mit grünem Wasserstoff. Diese Kombi als die vielversprechendste und umweltfreundlichste Lösung angesehen, da andere Speichermöglichkeiten wie mechanische Energiespeicher nicht in ausreichenden Mengen gebaut werden können. Für die Speicherung von Gas oder Flüssigkeiten gibt es jedoch bereits ausreichend Kapazitäten. Erfahren Sie in diesem Beitrag, wie chemische Energiespeicher funktionieren, was sie können und welche verschiedenen Varianten es gibt.
Wie funktionieren chemische Energiespeicher?
Das Prinzip chemischer Energiespeicher basiert auf der Umwandlung von Strom (am besten aus erneuerbaren Energien) in Wasserstoff. Damit kann die bestehende Infrastruktur derzeit jedoch noch nicht so viel anfangen, daher braucht es nach der Elektrolyse noch weitere Schritte.
„Für die Transformation unserer Energieversorgung in die Klimaneutralität gibt es zahlreiche innovative Ansätze und neue Technologien entlang der gesamten energetischen Wertschöpfungskette. Wasserstoff wird dabei die Verbrauchssektoren Wärme, Stromerzeugung und Mobilität maßgeblich neu prägen.“ DVGW Vorstandsvorsitzende Prof. Dr. Gerald Linke
Am interessantesten für die Transformation von Wasserstoff sind derzeit die Methanisierung (Erdgas) und Methanolisierung sowie die Fischer-Tropsch-Synthese. Hiermit lässt sich synthetisches Benzin sowie Diesel und Kerosin herstellen. Kurz gesagt: Die derzeit genutzten fossilen Energieträger lassen sich durch synthetische Kraftstoffe ersetzen.
Was passiert bei der Herstellung von Wasserstoff?
Im vorherigen Kapital haben Sie erfahren, dass mit Hilfe des grünen Stroms Wasserstoff hergestellt werden kann. Doch wie funktioniert die Elektrolyse?
Bei der Wasserelektrolyse wird Wasser unter Einsatz von Strom in seine Bestandteile Wasserstoff und Sauerstoff zerlegt. Der Wasserstoff wandert hierbei zum negativ geladenen und der Sauerstoff zum positiv geladenen Pol. Aus der eingesetzten elektrischen Energie wird somit eine chemische Energie, die im Wasserstoff gespeichert ist.
Stammt der Strom für die Elektrolyse aus erneuerbaren Energien wie Windkraft oder Photovoltaik, wird sogenannter grüner Wasserstoff erzeugt. Dieser lässt sich zum Beispiel auch aus der Vergasung und Vergärung von Biomasse herstellen oder durch die Reformierung von Biogas. All diese Verfahren sind CO2-neutral und somit nicht klimaschädlich.
Wofür eignen sich chemische Energiespeicher?
Chemische Energiespeicher eignen sich besonders gut als Langzeitspeicher. Sind sie erst einmal erzeugt, lassen sie sich ohne weitere Energieverluste lagern, es finden kaum eine Selbstentladung statt. Leider treten bei der Herstellung chemischer Energieträger – zum Beispiel aus elektrischer Energie – erhebliche Energieverluste auf.
Dennoch werden chemische Speicher in Deutschland bislang als einzige Möglichkeit gesehen, die Energiewende im Strombereich zu schaffen. Andere Speichertechnologien wie Pumpspeicherkraftwerke oder Druckluftspeicherkraftwerke sind nicht in der Lage, die notwendigen Speicherkapazitäten bereitzustellen.
Welche chemischen Energiespeicher gibt es?
Sie wissen nun, wie chemische Energiespeicher funktionieren und wofür sie sich eignen. Nun möchten wir Ihnen die verschiedenen Varianten vorstellen.
Zu den bekanntesten chemischen Energiespeichern zählen:
- Power-to-Gas-Anlagen (Umwandlung in Gas)
- Power-to-Liquid-Anlagen (Umwandlung in Kraftstoff)
- Power-to-Chemicals-Anlagen (Umwandlung in Chemieprodukte)
Zusammengefasst werden diese Verfahren zu Power-to-X-Verfahren (P2X) bezeichnet. P2X ist Teil der Kopernikus-Projekte, eine der größten deutschen Forschungsinitiativen zum Thema Energiewende.
Power-to-Gas-Anlagen
In diesen Anlagen wird mit Hilfe von erneuerbaren Energien Gas wie zum Beispiel Wasserstoff oder Methan hergestellt. Allerdings gehen bei der Elektrolyse zu Gas bereits 30 bis 40 Prozent des eingesetzten Stroms verloren. Auch die Rückverstromung des Gases ist verlustbehaftet, so dass am Ende noch höchstens 40 Prozent der aufgenommenen Energie übrigbleiben. Andererseits lässt sich Gas in sehr viel größeren Mengen speichern als zum Beispiel in Pumpwasserkraftwerken.
Trotz des geringen Wirkungsgrads gilt Power-to-Gas als Schlüsseltechnologie der Energiewende. Insbesondere Grüner Wasserstoff gilt als der Kraftstoff der Zukunft. Er lässt sich dank Brennstoffzellen in Strom und Wärme umwandeln. So lassen sich Schwankungen im Stromnetz ausgleichen sowie Häuser beheizen und mit Strom versorgen. Auch Fahrzeuge sollen damit angetrieben werden.
Power-to-Liquid-Anlagen
Das Power-to-Liquid-Konzept basiert auf der Umwandlung erneuerbarer Energien in flüssige Kraftstoffe und Chemikalien. Zu nennen sind hier zum Beispiel Methanol, Ammoniak, Fischer-Tropsch-Produkte (FT) oder Oxymethylenether (OME). Diese Flüssigkeiten liefern die hohe Energiedichte, die für Anwendungen mit hohem Energiebedarf notwendig ist, beispielsweise Flugzeuge oder Schiffe, Stichwort E-Fuels. Auch eine Rückverstromung ist möglich. Wie bei Power-to-Gas-Anlagen ist auch bei den Power-to-Liquid-Anlagen der Wirkungsgrad recht gering.
Voraussetzung für das Power-to-Liquid-Verfahren ist die Verfügbarkeit von Wasserstoff oder Synthesegas mit einem sehr geringen CO2-Fußabdruck. Ist dies gewährleistet, lassen sich die Emissionen im Vergleich zu fossilen Brennstoffen um rund 90 Prozent reduzieren. Die Entwicklung von E-Fuels oder E-Kerosinen ist mittlerweile so weit fortschritten, dass bald mit einer kommerziellen Produktion zu rechnen ist. Ein wichtiger Schritt auf dem Weg, die Luftfahrt bis Mitte des Jahrhunderts CO2-neutral zu gestalten.
Erfahren Sie mehr über die Vor- und Nachteile von e-Fuels
Power-to-Chemicals-Anlagen
Power-to-Chemicals steht für Technologien, die mit Strom aus erneuerbaren Energien chemische Grundstoffe herstellen. Das Verfahren ist eng mit dem Power-to-Gas-Prozess verwandt. Die erzeugten Produkte werden jedoch nicht zur direkten Energiespeicherung eingesetzt, sondern sind für die stoffliche Nutzung bestimmt. Da wir uns hier mit Energiespeichern befassen, wollen wir es daher damit an dieser Stelle belassen.
Ist grüner Wasserstoff die Lösung für das Speicherproblem?
Wasserstoff verbrennt nahezu emissionsfrei und liefert pro Kilogramm in etwa so viel Energie wie 2,8 Kilogramm Benzin. Es lässt sich zudem vielfältig einsetzen, zum Beispiel in der Industrie, in Autos, in der Raumfahrt oder zum Heizen. Mit Strom aus Wind- und Solaranlagen können wir es zudem nahezu klimaneutral herstellen. Der grüne Wasserstoff kann bei Bedarf wieder zu Strom und Wärme umgewandelt werden. Allerdings muss er zur richtigen Zeit am richtigen Ort zur Verfügung stehen. Hierbei spielt die Speicherung eine zentrale Rolle.
„Wir erforschen und entwickeln Materialien, mit denen wir mehr Wasserstoff kostengünstiger sowie platz- und energiesparender speichern können“, sagt Lars Baetcke vom Helmholtz-Zentrum Hereon.
Eine Lösung sind Metallhybride, das sind Metalle in Pulverform, die Wasserstoff aufnehmen und wieder abgeben können. Für die Speicherung braucht es zudem weder hohe Drücke wie bei der Hochdruckspeicherung noch tiefe Temperaturen wie bei der Flüssig-Wasserstoffspeicherung.
„Metallhydrid-Speicher kann man sich vorstellen, wie ein Schwamm der sich mit Wasser vollsaugt. Sie können Wasserstoff verlustfrei über lange Zeiträume speichern.“ Lars Baetcke
Mit Hilfe von Metallhybriden lässt sich der Speicherbedarf von Wasserstoff um mehr als die Hälfte verringern. Außerdem braucht es keine speziell geformte Tanks, die bestehenden Bauräume lassen sich somit besser ausnutzen. Ein Nachteil von Metallhybridspeichern ist die hohe Masse durch die massive Metallfüllung. Außerdem dauert die Aufnahme und Abgabe des Wasserstoffs recht lange.
Und warum geht das nicht schneller?
Grüner Wasserstoff ist die einzig sinnvolle Variante, wenn es darum geht, die Kohlendioxid-Emissionen nachhaltig zu verringern. Bei grauem Wasserstoff, der mit 95 Prozent den absolut größten Anteil bei der Wasserstoffproduktion ausmacht, ist das nicht so. Jede Tonne grauer Wasserstoff produziert etwa 10 Tonnen Kohlendioxid-Emissionen. Bei blauem Wasserstoff ist das nicht anders, allerdings wird hier das Kohlendioxid aufgefangen und unterirdisch gespeichert.
Und warum wird dann nicht mehr grüner Wasserstoff produziert? Ganz einfach – die Produktion ist derzeit einfach noch zu teuer, sie kostet mehr als doppelt so viel wie bei grauem Wasserstoff. Nach Angaben der Internationalen Energieagentur (IEA) könnten die Produktionskosten jedoch bis 2030 um bis zu 30 Prozent sinken, wenn die Infrastruktur an erneuerbaren Energien weiter ausgebaut wird. Der weltweite Anteil soll bis 2040 auf 45 Prozent steigen.
Ein weiteres Problem: Es braucht eine riesige Menge an grünem Strom, nur um den grauen Wasserstoff zu ersetzen. Weltweit sind das derzeit rund 70 Millionen Tonnen. Die Energy Transitions Commission (ETC) hat errechnet, dass dafür etwa 3.600 TWh Strom benötigt werden. Zum Vergleich: Im Jahr 2019 lag die Netto-Stromerzeugung der gesamten Europäischen Union bei 2.780 TWh. Die ETC rechnet außerdem damit, dass wir bis 2050 rund 15 Billionen Dollar für den Ausbau einer nachhaltigen, globalen Wasserstoffwirtschaft ausgeben müssten, um 15 bis 20 Prozent des Energieverbrauchs zu decken.
Kann grüner Wasserstoff die Energiewende herbeiführen?
Das vorige Kapitel hat gezeigt, dass es bei den genannten Zahlen und Kosten fast unmöglich ist, die Energiewende alleine mit grünem Wasserstoff herbeizuführen. Er kann einen wichtigen Beitrag leisten, das auf jeden Fall. Insbesondere in Bereichen, die bis 2050 schwierig zu elektrifizieren sind, wie zum Beispiel beim Schwerlastverkehr und in der Industrie. Ob jemals alle Autos mit grünem Wasserstoff fahren oder wir unser Haus nur noch mit grünem Wasserstoff heizen, das muss doch eher angezweifelt werden.
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