Kernkraft statt Kohle 11.01.2018, 09:13 Uhr

China möchte Kohleöfen durch Kernkraft ersetzen

Um seinem Ruf als Klimasünder zu entgehen, plant China die emissionsstarken Kohleöfen durch nukleare Heizreaktoren zu ersetzen. Doch welche Gefahr geht von den Giga-Reaktoren aus – politisch sowie umwelttechnisch?

versmogte Großstadt

Smog ist vor allem in der offiziellen Heitperiode Chinas ein Riesenproblem.

Foto: CC0 by bruce mars

Der aktuelle Kohleverbrauch in China wird international mit Argusaugen verfolgt und gilt für den weltweiten Klimaschutz als wahrer Problemfaktor. Während Deutschland den Atomausstieg verfolgt, will die Volksrepublik China nun mittels nuklearen Heizreaktoren eine Energiewende herbeiführen. Der Grund: Die Volksrepublik verspricht sich davon eine wirksame Waffe gegen Smog und sieht ein enormes Sparpotenzial.

Schwimmbadreaktoren gegen Luftverschmutzung in China

Obwohl man in vielen Ländern versucht, möglichst kein Atom für die Herstellung von Energie zu verwenden, denkt China offenbar etwas anders. Die China National Nuclear Corporation verkündete 2017 sogar offiziell ein Projekt, mit dem sie die massiven Luftverschmutzungsprobleme endlich in den Griff bekommen möchte. Ein Großteil der Emissionen wird nach wie vor durch das Heizen mit Kohle verursacht.

Nun sollen sogenannte Schwimmbadreaktoren im ganzen Land errichtet werden, um Fernwärme zu produzieren. Zhang Jige von der Shanghai Jiao Tong Universität begründete dieses Vorhaben in der South China Morning Post als „mächtige Waffen gegen den Smog“. Denn durch den Einsatz von nuklearen Heizreaktoren verspricht man sich innerhalb kürzester Zeit eine erhebliche Dekarbonisierung der Wärmeversorgung. Der Kernreaktor, der dafür zum Einsatz kommen soll, ist relativ günstig in der Produktion und überaus simpel aufgebaut. Solch ein Heizreaktor, wie der geplante 400-Megawatt-Niedertemperatur-Reaktor Yanlong hätte eine Reichweite von 20 Millionen Quadratmetern. Yanlong verspricht, etwa 200.000 Drei-Zimmer-Wohnungen zu beheizen und das ganz ohne Luftverschmutzung durch Kohle. Das Resultat wäre eine immense Senkung der CO2-Emissionen.

China als weltweiter Spitzenreiter in Sachen Kohleverbrauch

Sieht man sich die internationalen Zahlen des Kohleverbrauchs aus dem Jahr 2016 an, wird klar, dass die Volksrepublik China das Land mit dem höchsten Verbrauch ist und damit eine enorme Belastung für die Umwelt darstellt. So stellt es jedenfalls das Mineralölunternehmen BP bei statista dar. China wird dort mit einem jährlichen Verbrauch von rund 1.890 Millionen Tonnen auf Platz eins der weltweiten Kohleverbraucher gelistet. Im Vergleich dazu auf Platz zwei der jährliche Verbrauch von Indien, der sich auf rund 412 Millionen Tonnen beläuft. Erst danach kommen die USA mit 358 Japan mit 120 Millionen Tonnen. Für diese Zahlen wurden handelsübliche Brennstoffe wie Steinkohle und Anthrazit sowie Weich- und Hartbraunkohle herangezogen.

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Die meiste Kohle wird in China in der kalten Jahreszeit in den Öfen des Landes verheizt. Zwar wurden in den letzten Jahren viele Heizungen auf Gas umgestellt, noch immer aber erzeugen Kohleöfen im Winter jede Menge Smog. Die Volksrepublik plant deshalb, insgesamt dreihundert nukleare Heizreaktoren zu errichten – vorwiegend im Norden des Landes. Mit diesen Reaktoren könnte China jährlich zwischen 500 und 600 Millionen Tonnen Kohle einsparen. Mit dieser eingesparten Menge könnte man übrigens ganz Deutschland sieben Jahre lang versorgen. Wang Naiyan, leitender Wissenschaftler vom China Institute of Atomic Energy, plädiert für einen Ausbau in Heizreaktoren. Denn damit könne man die Luft für insgesamt siebenhundert Millionen Einwohner in 17 chinesischen Provinzen deutlich verbessern.

Die Vorteile der Atomkraft aus dem Schwimmbecken

Schwimmbadreaktoren, auch Wasserbeckenreaktoren oder Swimmingpool-Reaktoren genannt, sind keine neue Erfindung. Sie existieren bereits seit mehr als 50 Jahren, vorwiegend jedoch zu Forschungszwecken. Denn der Reaktorkern befindet sich in einem nach oben hin offenen Wasserbecken, das mehrere Meter tief ist. Das Wasser dient als Moderator, um zu kühlen und Strahlen abzuschirmen. Außerdem können so Experimente und Eingriffe vorgenommen und auch Materialproben entnommen werden, die der Forschung und der Lehre dienen. Der Vorteil solch eines Schwimmbeckenreaktors ist die dicke Wasserschicht über dem Reaktorkern. Sie schirmt die Strahlung vollkommen ab, sodass auch Begehungen möglich sind und für das Bedienungspersonal keine Aufenthaltsbeschränkungen notwendig sind. Gleichzeitig ist der Reaktor also gut zu erreichen.

Die Kühlfunktion des Wassers sorgt außerdem für einen normalen Druck im Primärkühlkreislauf, sodass keine hohen Temperaturen auftreten. Die Becken haben in der Regel eine Tiefe von sechs bis neun Metern und einen Durchmesser von knapp zwei bis etwa dreieinhalb Metern. Die geplanten chinesischen Reaktoren sollen planmäßig etwas größer ausfallen, funktionieren aber genauso wie kleine. In solch ein Becken passen dann rund 1.800 Tonnen Wasser, weshalb er als „Deep Pool Reactor“ bezeichnet wird. Ein zweistufiger Wärmeaustausch sorgt dafür, dass die Wärme über einen Heizkreis in mehrere tausend Häuser weitergeleitet wird, um sie per Fernwärme zu beheizen. In puncto Sicherheit bieten die großen Schwimmbeckenreaktoren den Vorteil, dass im Fall eines Reaktorunfalles, also, wenn sich dieser nicht mehr abschalten ließe, ungefähr ein Monat vergehen müsste, um eine wirkliche Gefahr darzustellen. So lange benötigt das Wasser, um abzukochen. Erst wenn der Reaktor im Trockenen liegt, kann er zu schmelzen beginnen. In diesem Monat könnte Wasser aufgefüllt und das Schlimmste verhindert werden. So die Theorie.

Ist Kernkraft die Lösung gegen Kohle?

Durch den Umstieg von Kohle auf Kernkraft wird China enorm viel CO2-Ausstoß einsparen, was uns allen zugutekommt. Zudem kann sich das Land unabhängig von benötigten Ressourcen machen, was politisch und wirtschaftlich betrachtet für China einen wichtigen Grund für die Errichtung der Schwimmbadreaktoren darstellt.

Fakt ist, dass die Volksrepublik zum Wohle ihrer Bewohner den Kohleverbrauch massiv eindämmen muss. Der Umstieg auf Heizreaktoren bedeutet eine verhältnismäßig kostengünstige Lösung, weshalb sie relativ rasch umgesetzt werden kann. Der Bau von Schwimmbadreaktoren in der Nähe von großen Städten kann aufgrund der positiven Eigenschaften, wie niedriger Druck und niedrige Leistungsdichte sowie guten Sicherheitseinrichtungen, weitgehend problemlos umgesetzt werden. Jeder Zweifler erhält außerdem die Möglichkeit, solch ein Kernkraftwerk zu besichtigen, da die Strahlung durch die Wassermassen komplett abgeschirmt bleibt. Das „Zero Meltdown“-Risiko wird durch das Wasser enorm minimiert.

Abgesehen davon stellt sich natürlich die Frage, ob es wirklich sinnvoll ist, auf Kernkraft zu setzen, wo doch der Rest der Welt versucht, auf diese in weiter Zukunft zu verzichten. Vor allem umwelttechnisch dürfte es langfristig sinnvoller sein, auf nachhaltige und umweltschonende Alternativen, wie Wasser- und Windkraft oder Erdwärme, zu setzen.

Die energiepolitische Zukunft Chinas aus heutiger Sicht

Baubeginn für den ersten Reaktor ist 2018. Geplanter Standort ist die innere Mongolei. Bevor der erste Reaktor in Betrieb gehen kann, wird voraussichtlich eine Bauzeit von drei Jahren verstreichen. Eine Sorge haben die Verantwortlichen der China Nuclear Society und des China Institute of Atomic Energy allerdings: Nämlich, dass dieses Projekt bei der Bevölkerung wenig Anklang findet. Denn wer möchte schon neben einem Atomreaktor leben, wo man aus der Geschichte bereits gelernt hat, welche katastrophalen Folgen ein Reaktorunfall haben kann.

Indien hat sich für einen anderen Weg entschieden. Dort ist der größte Kohleförderer auf Solarenergie umgestiegen.

Ein Beitrag von:

  • ingenieur.de

    Technik, Karriere, News, das sind die drei Dinge, die Ingenieure brauchen.

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