Endlich: Das erste grüne Labor an der TU Berlin
Wie funktioniert Nachhaltigkeit in der Wissenschaft, wo der Energiebedarf oft groß ist? Ein Team an der Technischen Universität Berlin macht es vor – mit einer Zertifizierung als „My Green Lab“. Die Auszeichnung hat eine gemeinnützige Organisation aus den USA verliehen. Die Maßnahmen in Richtung Klimaneutralität haben Vorbildcharakter.
Wer nachhaltiger arbeiten will, sollte sich die aktuellen Prozesse genauer anschauen. Denn oftmals lassen sich erste Veränderungen für mehr Effizienz schon mit relativ einfachen Mitteln umsetzen. Das ist eine der Lehren, die sich aus der Umstellung auf grüne Labore ziehen lassen. Die TU Berlin macht es vor.
Race to Zero: Grüne Labore gehören dazu
Klimaneutralität ist die wohl größte Herausforderung, der die globale Gesellschaft gegenübersteht. Jeder muss seinen Anteil leisten, wobei der Anspruch an die Wissenschaft besonders hoch ist. Forschende können hier ihrer Rolle als Vordenker und -denkerinnen gerecht werden. Viele Initiativen laufen bereits. Unabhängig bewertet werden sie zum Beispiel von My Green Lab. Die gemeinnützige Organisation wurde von den Vereinten Nationen im Rahmen der Kampagne „Race to Zero“ als ein wichtiger Akteur benannt, um medizinisch-pharmazeutische Firmen und Forschungslabore auf dem Weg zur Klimaneutralität zu unterstützen. In Berlin sind drei Labore von My Green Lab zertifiziert worden, drei weitere befinden sich im Zertifizierungsprozess. Was haben die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen verändert?
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Ein Blick auf das Fachgebiet Angewandte Biochemie unter der Leitung von Jens Kurreck: Schon bei der ersten Bestandsaufnahme hat sein Labor den sogenannten Bronzestatus erreicht. Ein guter Anfang, aber nicht mehr. Die Experten und Expertinnen von My Green Lab haben daraufhin an alle Mitarbeitenden des Labors Online-Fragebögen verteilt, die anonym ausgewertet wurden. Ziel war es, Schwachstellen zu identifizieren und daraus Vorschläge für mehr Nachhaltigkeit abzuleiten. Die gab es tatsächlich reichlich.
Gefrierschränke aufräumen und Strom sparen
Große Energiefresser in den Laboren sind zum Beispiel die Kühl- und Gefrierschränke. Zwei dieser Geräte sind sogenannte Ultratiefkühler, die Viren und andere Organismen bei minus 80 Grad Celsius konservieren. Sie verbrauchten stolze 25% des gesamten Stroms der Abteilung. Dass ihr Anteil so groß war, wussten die Forschenden zuvor nicht. Eine Verbrauchsmessung sämtlicher Elektrogeräte brachte dieses erstaunliche Ergebnis zutage.
Mit zwei einfachen Maßnahmen gelang es den Beteiligten, den Stromverbrauch erheblich zu reduzieren – ganz ohne Investitionen. Als Erstes sortierten sie die Proben. Denn ein Teil davon war nicht ganz so empfindlich. Die wurden in einem der Schränke gesammelt, dessen Temperatur daraufhin ein wenig heraufgeregelt werden konnte. Da der Verbrauch bei diesen Schränken ab einer gewissen Temperaturgrenze exponentiell ansteigt, machte sich das deutlich bemerkbar.
„Die zweite Einsparmöglichkeit sollte in einem idealen Labor eigentlich gar nicht möglich sein“, sagt Kurreck – das Team hat aufgeräumt. „Wenn Sie bei offener Tür minutenlang Proben suchen, geht viel Wärme auf den Inhalt über.“ Das Fachgebiet hat sich daher ein Klassifizierungs- und Ordnungssystem ausgedacht, um Proben besonders schnell zu finden. Bei My Green Lab ist aus dieser Erkenntnis übrigens die „Freezer Challenge“ entstanden, bei der grüne Labore um den am besten optimierten Tiefkühlschrank wetteifern.
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Viele einfache Maßnahmen führen zum grünen Labor
Fündig geworden ist die Nachhaltigkeitsgruppe, die Kurreck gegründet hat, auch bei den sogenannten Autoklaven. Dabei handelt es sich um große, waschmaschinenartige Geräte, die bei 134 Grad Celsius und zwei Bar Überdruck biologischen Abfall reinigen, damit er anschließend normal entsorgt werden kann. Praktisch warfen die Mitarbeitenden den Abfall in die Geräte und stellten sie direkt an. Diese Zeiten sind vorbei. Der Startknopf wird nur noch gedrückt, wenn die Maschine voll ist – sie läuft nur noch halb so oft.
Weiter geht’s mit den sterilen Werkbänken, von denen auf dem gesamten Campusgelände fast 50 Stück stehen. Sie werden mit einem kontinuierlichen Luftstrom versorgt, der sich wie eine unsichtbare Wand vor der eigentlichen Arbeitsfläche aufbaut und undurchlässig für Keime ist. „Schaltet man die Werkbank bei Nichtbenutzung in den Standby-Modus, verbraucht sie nur ein Zehntel des Stroms. Bei mehrstündigen Unterbrechungen kann man sie auch ganz ausschalten“, sagt Kurreck.
TU Berlin will mit nachhaltigen Laboren Vorbild für andere Hochschulen sein
Kurreck betont, dass viele Ansätze aus dem Team gekommen seien. Man müsse nur mal gemeinsam brainstormen – und unkomplizierte Messungen anstellen. My Green Lab habe mit weiteren Tipps unterstützt, etwa Verbrauchsmaterial gesammelt zu bestellen, um Verpackung und Transportenergie zu reduzieren. Kurreck hofft, dass andere Hochschulen sich ein Beispiel nehmen und die Zertifizierung zum grünen Labor anstreben. Denn profitieren würde nicht nur die Umwelt: „Auch wenn sich das nicht auf den eigenen Etat auswirkt, hat man letztlich doch etwas davon. Denn wenn die Uni Geld spart, sichert das unsere Grundfinanzierung.“
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