Das sind die E-Ladesäulen der Zukunft
Es ist absehbar, dass die Anforderungen an die Leistungen der E-Ladestationen deutlich steigen. Leistungsstarke Schnellladesysteme funktionieren aber nicht so einfach mit dem Niederspannungs-Wechselstromnetz. Forschende des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme (ISE) arbeiten an einer innovativen Lösung.
Die Zahl der Elektrofahrzeuge steigt weiterhin an. Damit das so bleibt, ist eine leistungsfähige Ladeinfrastruktur erforderlich. Insbesondere an Autobahnen, in Parkhäusern und Logistikzentren müssen zukünftige E-Tankstellen in der Lage sein, eine Vielzahl von Fahrzeugen gleichzeitig mit enormer Leistung zu versorgen. Herkömmliche Niederspannungs-Wechselstromnetze stoßen hier schnell an ihre Grenzen.
Um den wachsenden Anforderungen gerecht zu werden, hat das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE gemeinsam mit namhaften Industriepartnern im Projekt „MS-Tankstelle“ eine zukunftsweisende Lösung entwickelt: Eine Mittelspannungs-Systemtechnik, die Spitzenlasten von mehreren Megawatt an Schnellladestationen ermöglicht. Durch den Einsatz innovativer Siliziumkarbid-Halbleiter und die Anhebung des Spannungsniveaus können sowohl der Materialeinsatz als auch die Kosten für diese Hochleistungs-Ladesäulen deutlich reduziert werden.
Ein entscheidender Vorteil des neu entwickelten Systems liegt in seiner Effizienz und Flexibilität. Es lässt sich problemlos an unterschiedliche Größen von Ladestationen anpassen und kann verschiedenste Fahrzeugtypen bedienen. Während der E-World in Essen (11. bis 13. Februar 2025) präsentiert das Fraunhofer ISE einen funktionsfähigen Demonstrator eines solchen Ladepunktes am Stand der Fraunhofer-Allianz Energie. Interessierte können sich dort von der Leistungsfähigkeit und dem Potenzial dieser Technologie überzeugen.
Elektro-Ladesäulen der Zukunft: Megawatt-Leistung für schnelles Laden
Um die steigende Nachfrage nach Schnelllademöglichkeiten zu decken, müssen E-Tankstellen künftig ähnlich leistungsfähig sein wie herkömmliche Tankstellen. Während die durchschnittliche Ladeleistung für PKW derzeit bei 150 Kilowatt (kW) liegt, benötigen Busse, Vans und kleine LKW bereits bis zu 350 kW. Ein Ladevorgang nimmt mehr Zeit in Anspruch als das Betanken eines Verbrenners. Das bedeutet: An zukünftigen Elektro-Ladesäulen sind etwa 15 bis 25 Ladepunkte erforderlich, um dieselbe Anzahl von Fahrzeugen in gleicher Zeit abzufertigen. Bei einer Tankstelle sind in der Regel acht Zapfsäulen vorhanden. Beim parallelen Schnellladen erreicht eine solche E-Tankstelle Spitzenleistungen von 1,5 bis 3,5 Megawatt. Eine Versorgung über das Niederspannungsnetz stößt hier selbst bei geringer Auslastung an ihre Grenzen. Ebenso empfehlen die Fraunhofer-Forschenden, auch die interne Verteilung innerhalb der Ladestation nicht im Niederspannungsbereich abzubilden. Denn lange Kabelwege und hohe Leistungen würden zu enormen Installationskosten und Verlusten führen.
Das Projekt „MS-Tankstelle“ setzt mit dem entwickelten leistungselektronischen System dagegen auf ein Mittelspannungsnetz mit einer Gleichspannung von 1.500 Volt. Durch die höhere Spannungsebene lässt sich eine größere Leistung bei gleicher Stromstärke übertragen, ohne den Kabelquerschnitt erhöhen zu müssen. Der deutlich reduzierte Kupferbedarf trägt maßgeblich zum Umwelt- und Ressourcenschutz bei. Die Grenze von 1.500 Volt ist bewusst gewählt, da oberhalb dieses Wertes andere Normen gelten. In Folgeprojekten plant das Fraunhofer ISE, die Spannung noch weiter zu erhöhen und damit zusätzliche Optimierungspotenziale zu erschließen.
E-Ladesäulen im Mittelspannungsnetz als modulares System geplant
Ein Kernstück der neu entwickelten Mittelspannungs-Ladesäulen sind galvanisch getrennte Wandler, die das Gleichstrom-Verteilnetz an die Fahrzeugbatterie koppeln und den Schnellladevorgang steuern. Mit einer Leistung von jeweils 175 kW sind diese Gleichstromwandler so konzipiert, dass sie problemlos parallel geschaltet werden können. Dieser modulare Ansatz erlaubt den Bau von Ladestationen mit unterschiedlicher Leistung – sowohl für PKW als auch für LKW. Öffentliche E-Tankstellen müssen mit verschiedensten Fahrzeugtypen kompatibel sein. Das Konzept mit zentralem Gleichrichter und 1.500-Volt-Gleichstromverteilung ermöglicht es, Netzanschlusskomponenten wie Transformator und Gleichrichter unabhängig von der eigentlichen Ladeelektronik zu dimensionieren und zu skalieren. Angesichts des enormen Bedarfs an Leistungselektronik und Infrastrukturkomponenten lässt sich der Materialeinsatz im Vergleich zu aktuellen Lösungen deutlich reduzieren.
Um einen unkomplizierten Ladevorgang zu gewährleisten, sollen die neuen Elektro-Ladesäulen mit den in Europa vorherrschenden Standards CCS1 und CCS2 (Combined Charging System) voll kompatibel sein. Das bedeutet, sie müssen Stromstärken bis 500 Ampere und Spannungen bis 1.000 Volt in den Fahrzeugen unterstützen. Darüber hinaus ist geplant, auch den Megawatt Charging System (MCS)-Standard zu integrieren.
Mittelspannungstechnik eröffnet vielfältige Einsatzmöglichkeiten
Die Forschenden haben bereits einen Schritt weiter gedacht. „Die von uns im Projekt entwickelte Topologie kann nicht nur für Ladestationen, sondern potenziell auch in erneuerbaren Hybridkraftwerken oder für die Integration von stationären Batteriespeichern eingesetzt werden“, erläutert Andreas Hensel, Gruppenleiter Hochleistungselektronik und Systemtechnik am Fraunhofer ISE. Die Mittelspannungstechnik eröffnet somit ein breites Spektrum an Anwendungsmöglichkeiten im Bereich der Energieversorgung und -speicherung. Durch die effiziente Übertragung hoher Leistungen bei reduziertem Materialeinsatz leistet sie einen wichtigen Beitrag zur Gestaltung einer nachhaltigen und zukunftsfähigen Energieinfrastruktur.
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