Der Wettbewerb bei getriebelosen Windenergieanlagen ist eröffnet
Lange wurde der Markt für getriebelose Windenergieanlagen (WEA) von Enercon geprägt. Inzwischen arbeiten Wettbewerber an ähnlichen Konzepten. Eine Tagung des VDI-Wissensforums zeigte, was die Hersteller dazu bewegt und welche Ziele sie verfolgen.
„Siemens hat zwei gut laufende Maschinen mit Getriebe am Markt platziert und besitzt mit der Winergy AG den größten Hersteller von Getrieben für WEA. Trotzdem ist die Zukunft bei Siemens Windpower getriebelos und wird darauf abgestellt“, erläuterte Friedrich Klinger, langjähriger Leiter der Forschungsgruppe Wind an der Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlandes. Der Branchenkenner moderierte die erste Fachkonferenz zu getriebelosen WEA, die Ende 2010 in Hamburg vom VDI-Wissensforum organisiert wurde. Inhaltlich ging es um den Stand der Technik.
Auf Nachfrage der VDI nachrichten stellte Henrik Stiesdal, CTO des Siemens-Bereichs Wind Power, dazu fest: „Hauptziel bei der Entwicklung der neuen Windturbine war es, die Komplexität zu reduzieren und gleichzeitig die Zuverlässigkeit und Rentabilität zu steigern. Wir sind überzeugt, dass die neue getriebelose Windenergieanlage eine sichere Investition in die Zukunft der Energieerzeugung ist.“ Siemens Wind Power entwickle aber weiterhin Turbinen mit Getrieben und auch der bisher größte Auftrag über bis zu 258 Windturbinen wurde damit gewonnen.
Neben Enercon und Siemens arbeiten Unternehmen wie Hyundai, der Pressenhersteller Schuler oder Lagerwey aus Holland an direkt getriebenen Maschinen. In der direkt angetriebenen Variante wird auf das Getriebe verzichtet, welches die langsame Drehzahl der Turbine in eine schnellere am Generator übersetzt. Die Erwartungen sind dabei hoch, das Kalkül klar: Wo weniger drin steckt, kann weniger kaputt gehen. Das dürfte auch in der Offshoretechnologie im Meer eine zunehmende Rolle spielen. Die Technik reduziert sich im Wesentlichen auf die Nabe, den Generator und den Umrichter, wobei die Turbinendrehzahl direkt am Generator anliegt.
Die Vorzüge eines einfachen Designs werden in einem geringeren Wartungs- und Reparaturaufwand und günstigeren Produktionskosten in der Fertigung und der Stromerzeugung gesehen. Neue Konzepte des argentinischen Herstellers Impsa oder der Forschungsgruppe Windenergie aus Saarbrücken werfen weiteren Ballast ab, indem sie die Rotorblätter direkt auf den Generatorläufer anordnen und so die Rotornabe sparen.
Begrenzende Faktoren für den Direktantrieb sind bisher die hohen Gewichte der Generatoren, die Kräne auf große Nabenhöhen bringen müssen und die Rohstoffpreise. Neben reichlich Kupfer für die Wicklungen werden auch seltene Erden für leistungsfähige Magnete benötigt. Den Entwicklungsingenieuren von Siemens scheint dabei ein Kunststück gelungen zu sein. Die Gondel des Prototypen mit 3 MW und permanenterregten Synchrongenerator wiegt ohne die Blätter 73 t und hat einen Durchmesser von 4 m. Im Vergleich dazu wiegt der durch Elektromagnete erregte Synchrongenerator einer E 126 mit 6 MW von Weltmarktführer Enercon über 220 t.
Weltweit hat Enercon Anlagen mit zusammen 19 000 MW Leistung installiert. Deutlich dahinter rangieren die Lizenznehmer des deutschen Anlagenentwicklers Vensys (Goldwind, Eozen, Impsa CKD, ReGen) mit knapp 2400 MW.
Bisher lassen sich WEA mit und ohne Getriebe aber kaum vergleichen. Zahlen über technische Ausfälle oder Schäden sind von Enercon nicht zu bekommen. Trotz der dünnen Vergleichsmöglichkeiten sehen Experten aufgrund von Messergebnissen deutliche Vorteile für direkt angetriebene Maschinen. Klinger: „Es lassen sich Nennwirkungsgrade von bis zu 94 % erzielen. Gegenüber Triebstrangvarianten sind die Wirkungsgrade um bis zu 5 % höher. Der eigentliche Vorteil liegt aber darin, dass keine weiteren Verluste auftreten und höhere Energieerträge in einer Spanne zwischen 3 % und 5 % möglich sind. Die Vision liegt in wartungsfreien Maschinen.“
Auch im Teillastbereich würde die getriebelose Variante bei der Umwandlung von mechanischer Energie in tatsächlich produzierte Leistung bessere Wirkungsgrade erzielen.
Überzeugt von der Technik zeigt sich auch der amerikanische Mischkonzern GE, der ScanWind übernahm. Die Norweger haben aktuell 13 getriebelose WEA mit 4 MW im Testbetrieb laufen. Der Generator mit einer kombinierten Luft/Wasserkühlung wiegt 82 t, das gesamte Maschinenhaus 275 t: „Nach unseren Erfahrungen ist ein Design mit Getriebe für die Windkraft im Meer nicht nachhaltig, weil Krankosten, Reparaturen oder die Wartung deutlich teurer sind. Nur der Tausch eines Getriebes in unserem irischen Windpark hat 1,5 Mio. € gekostet“, berichtete Stefan Hartge von GE. Auch für ihn stehe die Wirtschaftlichkeit im Vordergrund. „Wir gehen von hohen Verfügbarkeiten und reduzierten Wartungen aus, die zu einer günstigeren Stromproduktion führen. Bezogen auf die Lebensdauer von 20 Jahren dürfte der Kostenvorteil gegenüber einer Triebstrangvariante bei 9,1 % liegen“, ergänzte er.
Ein kritischer Punkt ist die Kühlung durch Luft oder Wasser. Denn mit steigenden Temperaturen an den Generatorwicklungen und Magneten sinkt der Wirkungsgrad. Zudem reduziert das die Lebensdauer der Komponenten: „Die Wärme muss raus. Eine aktive Kühlung ist deshalb unbedingt erforderlich. Über gute Konzepte lässt sich so etwa die Hälfte der Generatormasse einsparen“, machte Stephan Jöckel, Geschäftsführer von Wind-Direkt, deutlich.
Mit einer aktiven Luftkühlung ist Vensys nach eigenen Angaben so der Sprung von 1,2 MW auf 2,5 MW gelungen, bei einer Gewichtszunahme des Generators von nur 2,5 t auf 34 t. Die eingeschränkte Kraninfrastruktur in manchen Zielmärkten habe den Ausschlag für die Konzeptänderung gegeben, denn hochskaliert wären es 90 t gewesen. T. THOMAS
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