Desertec reloaded: Wie Afrikas Wüstenstrom genutzt werden soll
Solarstrom aus den Weiten der Wüste zu beziehen ist eine verlockende Vorstellung. Weshalb sich Initiativen wie Desertec & Co. seit Jahren daran probieren. Nun setzt die Afrikanische Entwicklungsbank an, das Vorhaben neu aufleben zu lassen – mit einem entscheidenden Unterschied.
Wind und Sonne sollen das Wunder der Energiewende vollbringen, doch derzeit ist die Menschheit weit davon entfernt, ihren Energiehunger durch erneuerbare Quellen stillen zu können. Aktuell stammen 40 % unseres Stroms aus erneuerbaren Quellen. Doch dieser deckt nur geringe 5 % des gesamten Energiebedarfs in Deutschland ab. Das Ziel der Energiewende, 50 % des Energiebedarfs durch erneuerbaren Energien zu decken, könnte jedoch erreicht werden – mit Solarstrom aus der Sahara.
Dabei spielt die innovative Power-to-X-Technologie eine zentrale Rolle, denn sie ist der Überbegriff für verschiedene Verfahren der Elektrolyse. Mittels dieser Verfahren lässt sich Strom in Wasserstoff umwandeln und aus diesem kann Flüssigkeit, Wärme und Gas erzeugt werden. Was sich dann durch Leitungen über weite Strecken transportieren lässt.
Mit diesem Ziel wurde vor über 10 Jahren die Desertec Industrial Initiative (DII) gegründet. Doch das ambitionierte Projekt scheiterte genauso wie Nachfolgeinitiativen wie die des Unternehmens Nur Energie Ltd „Doch noch Stom für Europa aus der Wüste“ und später der Firma TuNur „Solarstrom aus der Sahara für 2,25 Millionen Haushalte in Europa“.
Desertec 3.0 – Saudi-Arabien, China und Deutschland beteiligt
Mittlerweile läuft die Initiative Desertec 3.0 und sie bedeutet eine Rückkehr zu den ursprünglichen, ambitionierten Plänen. Der Versuch wird von der Afrikanischen Entwicklungsbank (AfDB) geleitet und findet viel Unterstützung. Die Initiative trägt den Namen „Desert to Power“ und wird von Fachleuten und der Presse als Desertec 3.0 bezeichnet. Der Strom soll in Afrika günstig produziert werden und die europäische Energiewende durch Wasserstoff retten. Einer der größten Unterschiede zu den ersten beiden Versionen des ambitionierten Projekts: Seit 2015 ist die Wind- und Solarenergie ohne Subventionen vollends wettbewerbsfähig.
Die aktuelle Desertec Industrial Initiative wird vom saudischen Versorger „Acwa Power“, dem größten chinesischen Netzkonzern „State Grid“ und Innogy (Tochtergesellschaft von E.on) mitgetragen. Auch Deutschland zeigt großes Interesse an der neuen Initiative: Insgesamt sind 25 große Unternehmen als beratende Partner oder als Gesellschafter mit an Bord.
Ihnen allen ist bewusst, dass der Nahe Osten und Nordafrika etwas haben, was den europäischen Ländern fehlt: genügend freie Fläche. In den letzten Jahren ist einiges passiert in den wichtigen Regionen der Desertec Initiative. Das weltgrößte Solarkraftwerk steht in Abu Dhabi und in Marokko wird das größte Solarthermiekraftwerk gebaut. In Ägypten entstehen mehrere riesige Solarparks.
Der Wasserstoff, der aus der Wüste kommt
Experten sind sich sicher, dass der europäische Strommarkt künftig synthetischen Kraftstoff und günstigen Wasserstoff aus den Wüsten importieren muss und wird. Der vom Weltenergierat erstellte Fahrplan für synthetische und grüne Kraftstoffe unterstreicht, dass auf lange Sicht größere Mengen Strom importiert werden müssen. Aufgrund der geringen Entfernung kommen für Europa hauptsächlich Algerien und Marokko als Exporteure infrage. In beiden Ländern ist der Ökostrom deutlich günstiger als noch vor einigen Jahren. Die Photovoltaikanlagen in den Wüsten produzieren schon heute grünen Strom zu rund 2 Cent pro Kilowattstunde.
Da die ungenutzten Flächen in den Regionen riesig sind, können die Länder konkurrenzlos günstig grünen Strom herstellen. Experten sind sich sicher: Sobald die europäische Nachfrage steigt, werden die Projekte im Nahen Osten und Nordafrika schneller vorangetrieben. In einem solchen Fall wäre auch die ambitionierte Idee vom grünen Wasserstoff, der in der Sahara produziert wird, realistisch. Somit ist der der Traum vom einem Erfolg der Desertec Industrial Initiative noch längst nicht ausgeträumt.
Die Desert to Power Initiative soll auch Sahelländern helfen
Auf einem Gipfel für Solarenergie in Burkina Faso haben alle G5-Sahelzone-Staatschefs (zur G5 Sahel zählen die Länder Mauretanien, Mali, Niger, Burkina Faso und Tschad) gesagt, dass sie die Initiative Desert to Power, die von der Afrikanischen Entwicklungsbank geleitet wird, nachdrücklich unterstützen. Dem Gipfel ging ein hochrangiges Treffen mit den Energieministern der Sahel-Region und diverser Entwicklungspartner wie der Weltbank voraus.
Das Ziel der Desert-to-Power-Initiative: Die Sahelzone durch wirtschaftliches Wachstum zu mehr Wohlstand zu führen. Gemäß der Initiative sollen 250 Millionen Menschen im Sahel mit Solarstrom (10.000 MW) versorgt werden. Zu den 5 Schwerpunktthemen der Initiative zählen:
– Ausbau der solaren Erzeugungskapazitäten im gesamten Versorgungsbereich
– Ausbau und Stärkung aller Strom-Übertragungsnetze
– Beschleunigung der Elektrifizierung mittels dezentraler Energielösungen
– Revitalisierung aller nationalen Stromversorger
– Verbesserung des Geschäftsklimas
Mit der Afrikanischen Entwicklungsbank im Rücken kann diese Initiative erstmals glaubhaft auch die Vorteile der Wüstenstromproduktion für die angrenzenden Länder vertreten. Eine von der AfDB eingesetzte Koordinierungsstelle und eine Task Force sollen u.a. gewährleisten, dass die ländlichen Gemeinschaften vor Ort bei der Energieversorgung Vorrang haben.
Afrika als grünes Kraftwerk der Welt
Laut AfDB stellt der Energiemangel immer noch ein erhebliches Hindernis für die soziale und wirtschaftliche Entwicklung Afrikas dar. Bis 2025 soll Desert to Power insgesamt 10 Gigawatt Solarenergie bereitstellen und 250 Millionen Menschen mit sauberem Ökostrom versorgen. Darunter befinden sich laut Afrikanischer Entwicklungsbank über 90 Millionen Menschen, die zum ersten Mal überhaupt an die Stromversorgung angeschlossen werden. Knapp 65 % aller Bewohner der Sahelzone leben aktuell ohne Strom. Das Solarprojekt Desert to Power soll zusätzlich eine Menge Arbeitsplätze schaffen und die wirtschaftliche Lage der Region erheblich verbessern.
Energieexperten schätzen, dass Afrika mit dem vorhandenen Potenzial an erneuerbaren Energien in Zukunft weltweit an erster Stelle der Energieerzeuger stehen könnte. Gemäß aktuellen Schätzungen besitzt der Kontinent eine nahezu unbegrenzte Solarkapazität (10 Terawatt), mehr als genügend Wasserkraft (350 Gigawatt), über 110 Gigawatt Windenergie und genügend geothermische Energiequellen (15 Gigawatt). Unterm Strich liegt die mögliche Gesamtkapazität von Afrika bis zum Jahr 2030 bei rund 310 Gigawatt.
Einen Teil davon liefert schon heute der Windpark Sere. Die 46 Turbinen im Windpark liefern beachtliche 100 MW direkt in das nationale Stromnetz. Gemeinsam mit den 194 Ländern des Climate Investment Funds konnte die Afrikanische Bank in Südafrika an der Finanzierung des riesigen Windparks mitwirken. Voraussichtlich soll er über eine Lebensdauer von rund 20 Jahren beachtliche 6 Millionen Tonnen Treibhausgas einsparen.
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