Erdgas 10.02.2012, 12:01 Uhr

Deutsche Erdgasimporteure unter Preisdruck

Der weltweite Erdgasmarkt hat sich in den vergangenen Jahren stark verändert. Das jahrzehntelang bewährte System von Langfristverträgen mit Ölpreisbindung beschert deutschen Importeuren nun teilweise hohe Verluste. Ins Zentrum der Aufmerksamkeit rücken nun die schwierigen Verhandlungen mit dem russischen Produzenten Gazprom, während das Tauziehen mit anderen Lieferanten im Hintergrund bleibt.

Es war eine unscheinbare Meldung, die Mitte Januar von dem Export-Tochterunternehmen des russischen Erdgasproduzenten Gazprom veröffentlicht wurde. Gazprom Export habe mit einer Reihe großer europäischer Kunden vereinbart, die Preise für russische Erdgaslieferungen aus Langfristverträgen an die Entwicklung der Gasmärkte in Europa und die Wirtschaftslage einzelner europäischer Länder anzupassen, hieß es darin. Entsprechende Vertragsdokumente seien mit den Importeuren GDF Suez aus Frankreich, Wingas aus Deutschland, SPP aus der Slowakei, Sinergie Italiane und Econgas aus Österreich unterschrieben worden.

Diese wenigen Zeilen haben eine enorme Bedeutung für die genannten Unternehmen, einschließlich Zehntausender Mitarbeiter und Millionen Kunden. Denn ob sie sich mit Gazprom über marktgerechte Erdgasbezugspreise einigen können, entscheidet über den jährlichen Gewinn und Verlust von jeweils mehreren 100 Mio. € für die einzelnen Unternehmen.

Der Grund dafür liegt in den traditionellen Strukturen der europäischen Gaswirtschaft und in einem dramatischen Wandel des globalen Gasmarktes. Gazprom und andere Produzenten wie Statoil aus Norwegen oder Gasterra aus den Niederlanden beliefern ihre mittel- und westeuropäischen Kunden überwiegend über langfristige Verträge.

Die Preisformeln in diesen Verträgen orientieren sich am Weltmarktpreis für Erdöl, der nach einem Absturz zur Weltwirtschaftskrise vor zwei Jahren wieder stark gestiegen ist. Außerdem legen diese Verträge Mindestabnahmemengen fest.

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Das war lange Zeit sinnvoll, weil es den Produzenten die notwendige Sicherheit für langfristige Investitionen in die Erschließung von Lagerstätten gab. Die Importeure wiederum konnten sich in übersichtlichen Märkten darauf verlassen, dass sie mit dem eingekauften Erdgas konkurrenzfähig zum wichtigsten Wettbewerbsenergieträger Erdöl blieben.

Schiefergas-Produktion in den USA verändert die Strukturen des Erdgasmarktes

Doch in den letzten drei Jahren haben sich im globalen Erdgasmarkt die Strukturen vollkommen verändert. Durch die Schiefergas-Großproduktion in den USA wurde weltweit immer mehr Erdgas frei handelbar. Die Preise dafür stabilisierten sich auf einem niedrigen Niveau.

Unter diesen Bedingungen konnten die europäischen Erdgasimporteure die hohen Einkaufspreise aus ihren Gazprom-Verträgen nicht mehr so einfach wie früher an ihre Kunden weitergeben und gerieten unter starken Preisdruck.

Der Energiekonzern RWE schildert das im Geschäftsbericht für die ersten drei Quartale 2011 so: „Seit Mitte 2009 hat sich der Marktpreis von Gas von der Entwicklung des Ölpreises entkoppelt. Dies führt dazu, dass wir Gas teilweise teurer einkaufen, als wir es absetzen können.“ Diese Tatsache trug neben schlechten Stromgeschäften dazu bei, dass RWE im Segment Supply and Trading (Lieferung und Handel) einen Verlust von 824 Mio. € erwirtschaftete.

Einigung mit Promgaz beschert Edison 200 Mio €

Um welche Summen es bei der Preisanpassung in Langfristverträgen geht, macht auch ein Blick nach Italien deutlich. Dort hatte der Energieversorger Edison seit Ende 2008 intensiv über einen Preisnachlass mit seinem Lieferanten Promgaz verhandelt, einem Gemeinschaftsunternehmen von Gazprom und dem italienischen Großhändler Eni. Nachdem dies erfolglos blieb, wandte sich Edison im August 2010 an ein internationales Schiedsgericht. Im Juli 2011 einigten sich die Unternehmen doch noch über die Bezugspreise, so dass kein Schiedsspruch mehr nötig war. Edison erklärte danach, dass sich der erreichte Preisnachlass im Geschäftsjahr 2011 mit etwa 200 Mio. € auf die eigenen Konten auswirken werde.

Dabei ist der so transparent informierende italienische Versorger noch ein relativ kleiner Erdgasimporteur. Er kaufte im Jahr 2010 insgesamt 2 Mrd. m³ Erdgas aus Russland. Zum Vergleich: Schon der Leipziger Großhändler VNG Verbundnetz Gas bezieht von dort die dreifache Menge. Und beim Essener Versorger E.on ist der russische Anteil im Erdgaseinkauf mit 16 Mrd. m³ sogar achtmal so hoch wie bei Edison.

Etwas weniger als E.on kaufte 2010 der Kasseler Erdgas-Großhändler Wingas mit 14 Mrd. m³ Erdgas in Russland ein. Für ihn sollte es am ehesten möglich sein, sich mit Gazprom über marktgerechte Bezugspreise zu einigen, da er ein Gemeinschaftsunternehmen des russischen Lieferanten mit der BASF-Tochter Wintershall ist. Dass dies offenbar auch schon vor der Einigung zum Jahreswechsel gelungen ist, lässt sich indirekt aus dem BASF-Geschäftsbericht für das dritte Quartal 2011 herauslesen: „Den Umsatz bei Natural Gas Trading (Erdgashandel) haben wir vor allem durch gestiegene Gaspreise deutlich verbessert. Die zeitversetzte Anpassung der Verkaufs- an die höheren Einkaufspreise belastete die Margen. Dieser Effekt wurde zum Teil durch Einmalerträge aus Vertragsanpassungen kompensiert. Das Ergebnis lag damit über dem Wert des Vorjahresquartals.“

Eine Einigung für den Bezug russischen Erdgases scheint inzwischen auch VNG erreicht zu haben. Einen russischen Pressebericht vom Dezember, wonach das Unternehmen nun wieder Erdgas mit Gewinn verkaufen kann, wollte der größte ostdeutsche Gasversorger allerdings nicht bestätigen. „Wir befinden uns mit unseren russischen Partnern auf einem guten und konstruktiven Weg hinsichtlich der Anpassung des Liefervertrages“, hieß es nur.

Streit um russisches Erdgas: E.on und RWE wenden sich an Schiedsgericht

Dennoch stand VNG zeitweise unter starkem Margendruck. Einem Pressebericht vom Oktober zufolge drohte ihm zu dieser Zeit für das laufende Jahr ein Verlust von 350 Mio. €, nachdem der Gewinn schon 2010 um zwei Drittel auf 59 Mio. € eingebrochen war.

Von E.on und RWE ist bekannt, dass sie im Preisstreit mit Gazprom inzwischen den Edison-Weg gehen und ein Schiedsgericht angerufen haben. Um welches Schiedsgericht es sich jeweils handelt und in welchen Stadien sich die Verfahren befinden, war bei beiden Unternehmen nicht zu erfahren.

Alle deutschen Gasimporteure lehnen außerdem Auskünfte darüber ab, ob sie ähnliche Auseinandersetzungen über Gasbezugspreise auch mit anderen Produzenten führen. Dabei ist anzunehmen, dass auch Gasterra und Statoil, die nach Gazprom auf die größten Marktanteile am deutschen Erdgasimport kommen, in ihren Langfristverträgen ebenfalls Preisklauseln mit Erdölbindung haben. Und schließlich stritt auch Edison nicht nur mit Promgaz, sondern ebenso mit Gaslieferanten aus Algerien, Katar, Libyen und Norwegen.

Ein Beitrag von:

  • Stefan Schroeter

    Stefan Schroeter verfasst fachjournalistische Berichte über die Energiewirtschaft.

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