Deutsche Solarbranche stemmt sich gegen Untergangsstimmung
Die Branchenleitmesse Intersolar in München, die heute zu Ende geht, bildet wie kaum eine zweite Veranstaltung Aufstieg und Fall der Solarbranche ab. 2011 kamen noch 2200 Firmen – dieses Jahr ist es mehr als ein Drittel weniger. Doch die Branche hat Zukunft, wie sich in München zeigte; was sie fürchtet, ist das beständige Hickhack um die Rahmenbedingungen.
Die deutsche Solarindustrie schmilzt dahin. Kaum eine Woche vergeht ohne neue Hiobsbotschaften aus der einstigen Boombranche: Q-Cells und Solon sind längst pleite, Bosch will aussteigen, Siemens auch. Am Montag verkündete der Münchner Konzern, für seine Solarsparte, fokussiert auf thermische Solarkraftwerke, habe man keinen Käufer gefunden. Somit werde der Zweig abgewickelt – sofort.
„Langsam zeigt sich Sonnenlicht am Horizont“, freut sich hingegen Carsten Körnig, Hautgeschäftsführer des Bundesverbandes Solarwirtschaft (BSW). „Immer mehr Regierungen setzen auf Solarenergie, in immer mehr Ländern springt der Markt an. Wir werden dank unserer hohen Qualität auch in Zukunft auf allen Ebenen der Wertschöpfungskette produzieren und uns unseren Anteil am Weltmarkt sichern.“ Denn der Exportanteil der deutschen Photovoltaikbranche liegt heute bei 60 %.
Europäische Solarindustrie hat eine Chance
Dass die europäische Solarindustrie eine Zukunft habe, da ist sich auch Eike Weber sicher, Direktor des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme (ISE). „Schon ab 2014 wird man Solarfelder einer völlig neuen Größenklasse bauen, bis zu fünfmal so groß wie bisher“, prognostiziert er. „Und ich glaube daran, dass eine der ersten dieser Installationen hier in Europa entsteht.“
Die Photovoltaikindustrie werde bis 2025 auf ein Volumen von 300 GW weltweit wachsen und schon 2014 für 40 Cent/W produzieren können. „Es ist eine Herausforderung für Europa, hier mit vorn zu bleiben, und dafür brauchen die Firmen Geld“, sagt Weber.
„Deutschland muss anfangen, sich als Kernmarkt einer globalen Energiewende zu verstehen“, fordert Ex-Bundesumweltminister Jürgen Trittin die Abkehr von deutscher Nabelschau. „Dafür müssen wir uns aus dem rein nationalen Diskurs lösen.“ Die Industrie brauche verlässliche Rahmenbedingungen statt Wind von vorn.
Solarworld-Investor als Indiz für Ende des Jammertals
Ein Indiz für das ersehnte Ende des Photovoltaik-Jammertals ist der just zur Messe verkündete Rettungsplan für den einstigen deutschen Vorzeige-Branchenprimus Solarworld. Als Retter springt hier das Scheichtum Katar in Gestalt der Qatar Solar ein, die sich mit 30 Mio. € an dem Unternehmen beteiligen will. Dazu kommt ein Schuldenschnitt.
Ein weiteres Hoffnungssignal sieht die Branche im Einstieg wichtiger Unternehmen in neue Märkte wie den für Solarspeicher. Immer mehr Hersteller setzen auf integrierte Systemlösungen, die Privathaushalte samt ihrer Elektrofahrzeuge mit flexibel einsetzbaren und auch erzeugernah speicherbaren Stromressourcen ausrüsten. SMA und Solarwatt sind hier nur zwei von vielen Beispielen.
Der Markt, der lockt, ist riesig: Das Marktforschungsunternehmen IHS glaubt, die Branche könne bis 2017 weltweit 19 Mrd. € zusätzlich durch Stromspeicher umsetzen. Das Marktpotenzial in Deutschland erhöht sich durch die seit Mai laufende Förderung der Kreditanstalt für Wiederaufbau mit maximal 600 € pro Speicherinstallation.
„Das ist wie ein neues 1000-Dächer-Programm für Stromspeicher“, meint Marcus Elsässer, Sprecher des Messeveranstalters Solar Promotion. Es seien bereits einige Hundert Anträge gestellt worden.
Umstrittene Dumping-Zölle der EU
Hoch umstritten sind die von der EU verhängten Dumping-Zölle von derzeit 11,8 % auf Produkte auf Basis kristalliner Siliziumsolarzellen. Das bestätigte sich am Mittwoch, dem Eröffnungstag der Messe. „In den USA ist der Markt seit der Einführung von Anti-Dumping-Zöllen gegen chinesische Solarprodukte gewachsen, nicht geschrumpft“, argumentiert Milan Nietzsche, Präsident der Initiative Pro Sun und Sprecher von Solarworld. In Deutschland seien bereits 60 deutsche Solarunternehmen wegen der chinesischen Dumpingpreise bankrott gegangen.
Dagegen hält Peter J. Desnet von Afase, einer europaweiten Initiative gegen Strafzölle auf Solarprojekte: „Monteure und Systemintegratoren gewinnen durch billige Module.“
Freilich: Es wäre wohl allen lieber, die Konflikte ohne den ab August drohenden Strafzoll von 47 % für fünf Jahre zu lösen. „Die Schutzzölle auf Ethanol haben den Markt in sehr große Schwierigkeiten gebracht“, erinnert Dörte Fouquet, Rechtsanwältin der Kanzlei Becker, Büttner & Held. Immerhin verhandeln nun hinter verschlossenen Türen Experten aus China und der EU.
Gegenüber der Photovoltaik gerät die Solarthermie – die klassische solare Wärmeerzeugung – auf der Intersolar meist in den Hintergrund. Auch diese Branche leidet seit Jahren. Für 2014 wird ein Rückgang der in Deutschland neu installierten Kollektorfläche von rund 14 % gegenüber dem Vorjahr erwartet. Besserung ist hier wohl erst in Sicht, wenn der CO2-Emissionshandel wieder belebt wird und so zuverlässig Geld in den deutschen Energie- und Klimafonds fließt, der entsprechende Sanierungsmaßnahmen subventioniert.
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