Deutschland fördert Strom aus Kohle weiter mit Milliarden
Der Kohleausstieg ist beschlossene Sache, doch nach wie vor profitieren die Konzerne von hohen Subventionen. Wofür sie die Fördergelder erhalten und wie viel davon direkt aus dem Staatssäckel fließt, beleuchtet eine neue Untersuchung im Auftrag der Ökoenergiegenossenschaft Green Planet Energy.
Raus aus der Braunkohle: Spätestens im Jahr 2038 muss das letzte Kohlekraftwerk in Deutschland stillgelegt werden. So steht es im Kohleausstiegsgesetz, das Bundestag und Bundesrat vor drei Jahren beschlossen haben. Laut Koalitionsvertrag will die Bundesregierung den Ausstieg schon bis 2030 schaffen. Dass das Vorhaben der Ampel-Koalition gelingen wird, bezweifeln viele. Schließlich ist Kohle hierzulande noch immer der wichtigste Energieträger für die Stromerzeugung. Ein Drittel der 2022 in Deutschland produzierten und eingespeisten Kilowattstunden stammt aus Kohlekraftwerken. Und deren Betreiber erhalten weiterhin Subventionen in Milliardenhöhe.
Staatliche Vergünstigung für Strom aus Kohle
Insgesamt flossen 1,7 Milliarden im vergangenen Jahr in die Förderung von Braunkohleabbau und Kohleverstromung. Der Großteil davon – 1,2 Milliarden Euro – stammt direkt aus dem Staatsbudget. Das ist das Ergebnis der Analyse des Forums Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS), die die Ökoenergiegenossenschaft Green Planet Energie (früher: Greenpeace Energy) in Auftrag gegeben hat. Nach der FÖS-Untersuchung setzen sich die staatliche Subventionen aus drei verschiedenen Förderschienen zusammen. Mit rund 817 Millionen Euro machten Energiesteuervergünstigungen 2022 den größten Anteil aus. „Die Stromerzeugung aus Kohle wird zwar indirekt durch die Stromsteuer besteuert – aufgrund zahlreicher Ausnahmen vor allem für die energieintensive Industrie wird die Wirkung dieser Steuer allerdings stark minimiert“, erläutert Isabel Schrems von der FÖS.
Kohleeinsatz verhagelt die Bilanz
Die zweite Förderung bestand im vergangenen Jahr darin, dass die Kohlekonzerne von der Förderabgabe befreit waren, die sonst auf die Ausbeutung von Bodenschätzen gezahlt werden muss. Sie macht zehn Prozent des Marktwerts aus, kann aber von den zuständigen Bundesländern reduziert oder erlassen werden. Den Kohlekonzernen wurde sie vollständig erlassen. Ohne die Befreiung hatten sie insgesamt 233 Millionen Euro zahlen müssen, auf eine Fördermenge von 130 Millionen Tonnen Braunkohle bei einem geschätzten Marktpreis von 17,84 Euro pro Tonne.
Entschädigung für entgangene Gewinne
Die dritte staatliche Subvention sind Entschädigungszahlungen. Sie sind im Kohleausstiegsgesetz für die Stilllegung von Braunkohlekraftwerken festgeschrieben. Insgesamt flossen 2022 an den RWE-Konzern und die ostdeutsche LEAG 4,35 Milliarden Euro, mit den die Unternehmen für entgangene Gewinne entschädigt werden sollen. In anderen Ländern wie Großbritannien erhalten Kohleunternehmen bei einem staatlich beschlossenen Kohleausstieg keine Entschädigung.
Derzeit überprüft die EU-Kommission, ob die Zahlungen in Deutschland eine unrechtmäßige Beihilfe darstellen könnten. Green Planet Energy hat sich mit Stellungnahmen am Prüfverfahren beteiligt. „Die Entschädigungen in der jetzigen Form sind vor allem deswegen unangemessen hoch, weil die Braunkohleverstromung aufgrund steigender CO2-Kosten langfristig unwirtschaftlich ist“, sagt Green Planet Energy-Vorstand Nils Müller.
Wie Privatleute und Wettbewerber Strom aus Kohle mitfinanzieren
Außer der Förderung aus der Staatskasse profitieren die Konzerne, die Braunkohle abbauen und verstromen, von weiteren finanziellen Vorteilen. Dazu zählen Vergütungen zur sogenannten Sicherheitsbereitschaft. Sie werden für Kohlekraftwerke gezahlt, die über einen längeren Zeitraum nach und nach stillgelegt werden sollen. 2022 beliefen sich diese Vergütungen auf 236 Millionen Euro. Gezahlt werden sie von den Stromkundinnen und -kunden – über die Netzentgelte im Strompreis.
Ökostrom-Anteil war noch nie so hoch
Die Studie nennt einen weiteren Vorteil, durch den die Kohlekonzerne künftig neue Gewinne generieren können: Sie verfügen über Flächen, die sie für den Braunkohleabbau erwerben konnten oder die ihnen zur Nutzung überlassen wurden. Nach dem Ende der Kohle-Ära können sie sie anders nutzen, beispielsweise für Wind- oder Solarparks. „Andere Projektierer müssen hohen Aufwand betreiben und erhebliche Kosten schultern, um an geeignete Flächen zu gelangen“, sagt Green-Planet-Energy-Vorstand Nils Müller. „Hier haben die Konzerne einen erheblichen Wettbewerbsvorteil, der ihre Marktmacht bei der Stromerzeugung auch zementieren könnte und die Chancen für Akzeptanz fördernde Bürgerenergie-Projekte minimiert.“
Für Nils Müller ist die hohe Summe der staatlichen und sonstigen Förderungen, die die neue Analyse beleuchtet, unzeitgemäß und inakzeptabel: „Ein konsequenter Kohleausstieg muss auch bedeuten, die Alimentierung der Kohle durch die Allgemeinheit weitestgehend zu beenden.“
Mehr lesen zum Thema Energieerzeugung:
Ein Beitrag von: