Die europäischen Strommärkte vernetzen sich
Mit Marktkopplungen versuchen Strombörsen und Netzbetreiber, bestehende Engpässe bei der grenzüberschreitenden Stromübertragung in Europa besser zu bewirtschaften. Das Ziel ist eine koordinierte Strompreisermittlung von Finnland bis Portugal. VDI nachrichten, Essen, 19. 2. 10, swe
Fast jedes Land in Kontinentaleuropa hat inzwischen eine eigene Strom- und Energiebörse eingerichtet. Doch die Strompreisfindung und die Stromübertragung, die reibungslos innerhalb der verschiedenen Ländern funktionieren, sind über Staatsgrenzen hinweg längst noch nicht selbstverständlich. Dabei ist ohne sie ein Energieverbund für die EU nicht machbar.
Marktkopplung nennt sich das, wenn Strommärkte über Ländergrenzen hinweg verbunden werden. Keine einfache Sache, wie die Kopplung der Strommärkte in Deutschland und Dänemark zeigt. Den ersten Anlauf dazu machte im Herbst 2008 das Konsortium European Market Coupling Company (EMCC) aus drei Netzbetreibern und zwei Strombörsen, der skandinavischen NPS Nord Pool Spot und der Leipziger EEX.
Doch die sehr unterschiedlichen Börsensysteme in Skandinavien und Deutschland ließen sich nicht – anders als erwartet – aufeinander abstimmen. Die schon freigeschaltete Marktkopplung musste wieder ausgesetzt und überarbeitet werden. Erst im November 2009 ging sie wieder in Betrieb. Jetzt funktionieren die Systeme.
Andere EU-Länder sind da weiter. Frankreich, Belgien und die Niederlande haben seit 2006 eine dreiseitige Marktkopplung. Sie hat zu einer zunehmenden Angleichung der Preise im kurzfristigen Stromhandel der drei Länder geführt.
Dass die Marktkopplung auch hier kein Spaziergang war, ließ Pieter Schuurs, Chief Operating Officer der niederländischen Energiebörse APX-Endex, durchblicken: „Die Tatsache, dass in diesen Projekten mehrere Netzbetreiber mit verschiedenen Strombörsen kooperieren müssen, macht diesen Prozess sehr anspruchsvoll.“ Die dreiseitige Marktkopplung soll demnächst auf Deutschland ausgeweitet werden.
Skandinavien ist von vorneherein einen anderen Weg gegangen. Die Strommärkte von Dänemark, Schweden, Finnland und Norwegen sind über die Strombörse NPS miteinander verbunden. Die Norweger hatten ihren Strommarkt bereits in den 90er-Jahren liberalisiert, eine Strombörse eingerichtet und peu à peu auf die Nachbarländer ausgeweitet.
Erste Schritte, die Strom-Kleinstaaterei in der Börsenlandschaft Kontinentaleuropas zu überwinden, hat die Leipziger EEX getan. Sie hat Österreich – zwischen dessen Stromnetz und dem deutschen gibt es keinen Engpass -, schon in das deutsche Marktgebiet einbezogen. Außerdem betreibt sie einen Strommarkt für die Schweiz. Zuletzt hat sich die EEX mit der französischen Powernext zusammengetan.
Dabei sind die Handelsmengen in beiden Ländern noch sehr unterschiedlich: Am Spotmarkt für den kurzfristigen Stromhandel wurden 2009 für das deutsche und österreichische Marktgebiet 136 TWh Strom gehandelt, für das französische Marktgebiet waren es 53 TWh. Am Strom-Terminmarkt trugen die französischen Handelsprodukte 31 TWh zur Gesamtmenge von 1025 TWh bei. „Es ist ein Ziel unserer Kooperation, dem französischen Spotmarkt Impulse zu geben“, sagte Menzel. „Wir werden noch Zeit und Arbeit investieren müssen, um hier Erfolge zu erzielen.“
Die französische Epex arbeitet bereits mit der skandinavischen NPS und der spanischen Strombörse Omel an einem weitergehenden Konzept für die Vernetzung der europäischen Strommärkte. Dabei soll die Preisermittlung der Strom-Spotmärkte in zehn Ländern zwischen Finnland und Portugal koordiniert werden.
Unterschiedliche Preise gäbe es in diesem System noch dann, wenn Übertragungsengpässe zwischen zwei Marktgebieten bestehen. In der betreffenden Region werden jährlich 1900 TWh Strom verbraucht, wovon 700 TWh an Spotmärkten gehandelt werden. Einen Zeitplan gibt es bisher jedoch noch nicht.
Mit Spannung schaut die Branche derzeit auf den britischen Strommarkt, wo sich bisher keine Börse für den Spothandel etablieren konnte. Im Januar ist hier der neue Marktplatz N2EX in Betrieb gegangen, der gemeinsam von NPS und dem amerikanisch-schwedischen Börsenkonzern Nasdaq OMX betrieben wird. Diese Partner verfügen über große Erfahrungen bei der Entwicklung der skandinavischen Strommärkte und sind auch in Osteuropa aktiv.
Die Entwicklung von N2EX wird an der APX-Endex in Amsterdam aufmerksam verfolgt. Sie bietet selbst Stromhandelsprodukte für den britischen Markt an und muss sich nun einem neuen Wettbewerber stellen. Gleichzeitig arbeitet APX-Endex an einem Modell für die Kopplung des niederländischen mit dem britischen Strommarkt. Sie soll in einem Jahr erfolgen, wenn das BritNed-Kabel mit 1000 MW Übertragungsleistung in Betrieb geht. „Das wird neue Liquidität in den britischen Markt bringen“, kündigte Schuurs an.
Während sich die Strombörsen europaweit aufstellen, hinkt die Marktaufsicht noch hinterher. „Die jetzige Finanzmarktregulierung ist für Missbrauch noch offen wie ein Scheunentor“, sagte Johannes Kindler, Vizepräsident der Bundesnetzagentur, und ergänzte: „Wir müssen zu einheitlichen Vorschriften in Europa kommen.“
STEFAN SCHROETER
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