Die Kläranlage wird zur Düngerfabrik
Phosphate lassen sich mit einem neuen Schweizer Verfahren zu mehr als 90% zurückgewinnen. Der Rest wird in wertvolles Brenngas umgewandelt, das sich zur Strom- und Wärmeerzeugung eignet.
Einst landete Klärschlamm als Dünger auf den Feldern. Wegen des zunehmenden (heute aber wieder rückläufigen) Schwermetallgehalts lässt sich nur noch ein kleiner Teil auf diese Art verwerten. Schade, denn er enthält große Mengen an Phosphaten, also an wertvollem Dünger. Oft sind es 20 Gramm pro Kilogramm und mehr. Und er enthält sehr viel organisches Material, das sich für die Umwandlung in Gas eignet, welches sich zur Strom- und Wärmerzeugung nutzen lässt. Doch die Ausbeute ist derzeit gering, sagen Forscher der Ecole Polytechnique Fédérale de Lausanne (EPFL). Die Hälfte des Schlamms bleibe übrig, wenn er in den so genannten Faultürmen behandelt wird, und muss entsorgt werden.
Tausende Tonnen Phosphate werden recycelt
Damit will das Unternehmen Treatech, eine Ausgründung aus der EPFL, Schluss machen. Mit der in Lausanne entwickelten Technik lassen sich die Phosphate, die im Klärschlamm sind, weitgehend zurückgewinnen. Das sind allein in der Schweiz Tausende Tonnen pro Jahr, in Deutschland bei einem Klärschlammaufkommen von 1,7 Millionen Tonnen pro Jahr mehr als 20.000 Tonnen. Das Recycling könnte die Umwelt schonen, denn Phosphate werden mit riesigen Maschinen im Tagebau gewonnen, ähnlich wie Braunkohle. Der Weltmarkt für Phosphate liegt bei rund 30 Milliarden Euro pro Jahr.
Phosphate in den Abwässern von Kläranlagen bergen noch eine Gefahr. Sie landen in Bächen, Flüssen und Seen und regen dort das Pflanzenwachstum übermäßig an. Das reduziert den Sauerstoffgehalt und gefährdet die im Wasser lebenden Organismen.
Superkritisches Wasser gibt Phosphate frei
Um Transportkosten zur Verbrennungsanlage zu sparen wird Klärschlamm heute mit hohem Energieaufwand getrocknet. Ganz anders bei der neuen Schweizer Technik. „Mit unserem Verfahren verarbeiten wir den Klärschlamm direkt“, sagt Frédéric Juillard, der Chef von Treatech. „Es ist keinerlei Vorbehandlung nötig.“ Der Schlamm wird, so wie er aus der Kläranlage kommt, in einen Reaktor gefüllt. Das Innere wird unter hohen Druck gesetzt (220 bar) und auf eine Temperatur von 400 Grad Celsius erhitzt. Die hierzu nötige Energie ist geringer als die, die sonst für die Schlammtrocknung benötigt wird. Unter diesen Randbedingungen erreicht das Wasser im Schlamm einen superkritischen Zustand, er wird zum Zwitter zwischen Flüssigkeit und Gas. Die Löslichkeit der Phosphate reduziert sich jetzt dramatisch, so dass sie Kristalle bilden, die sich leicht herausfischen lassen. „Wir trennen mehr als 90% ab“, so Juillard.
Ruthenium-Katalysator sorgt für hohe Ausbeute
Der verbleibende organische Rest wird mit einem Verfahren namens hydrothermale Vergasung behandelt. Das ist weitaus effektiver als die biologische Umwandlung des Schlamms in Gas. Gaël Peng, Chefingenieur von Treatech, entdeckte die Technik nach einer intensiven Suche nur 200 Kilometer von Lausanne entfernt: Im Paul Scherrer Institut in Villigen im Schweizer Kanton Aargau. Dort haben Ingenieure einen Katalysator auf der Basis von Ruthenium entwickelt, der das Kunststück fertigbringt, die Biomasse zu nahezu 100% umzusetzen. Zudem erhöht er den Anteil an Methan, das unter den entstehenden Brenngasen den höchsten Energieinhalt hat. Übrig bleibt nahezu reines Wasser, das wieder in die Kläranlage gepumpt wird, um die restlichen Schadstoffe zu entfernen.
Die Umwandlung des von Phosphaten befreiten Schlamms dauert ganze 20 Minuten, während er in Faultürmen 30 Tage lang verweilen muss.
Größere Anlage ist schon im Bau
Treatech hat das Verfahren in einer Versuchsanlage getestet. Jetzt baut es eine 100 Mal größere Anlage, die pro Stunde 100 Kilogramm Schlamm verarbeiten kann. Die Schweizer Energiebehörde unterstützt das Vorhaben mit umgerechnet rund 4 Millionen Euro. Sie soll Ende des Jahres fertigwerden. Eine noch größere Klärschlamm-Verwertungsfabrik ist für das Jahr 2022 geplant, die für stündlich 3 Tonnen ausgelegt ist. Sie wird auf dem Gelände einer Kläranlage errichtet.
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