Die Sonne als Zeitschaltuhr
Ab Sommer wird der solare Eigenstromverbrauch stärker gefördert. Dafür sind verbesserte technische Lösungen in Vorbereitung. Was aber heißt es, wenn weniger Ökostrom eingespeist wird, für die Netze und die Stromversorger? Eine erste Einschätzung.
Wiltrud Geurtz ist auf den Geschmack gekommen: Dank der 2009 installierten Photovoltaikanlage zapft ihre Familie seit einigen Wochen Ökostrom zum Eigenverbrauch. Die erste Zwischenbilanz, an einem zusätzlichen Zähler im Keller ablesbar, klingt nicht schlecht: „Nur gut die Hälfte des bislang erzeugten Solarstroms haben wir in das Netz unserer Stadtwerke in Bochum eingespeist.“
Die Frau aus dem Ruhrgebiet schaffte das mit einem Trick: Bei höchstem Sonnenstand in den Mittagsstunden laufen bei ihr inzwischen immer, wenn es passt, Spülmaschine, Waschmaschine oder Backofen – am besten alle zusammen.
Immer dann, wenn der eingespeiste Solarstrom zeitgleich im eigenen Haus genutzt wird, erhält Wiltrud Geurtz einen Bonus. Diese Neuerung sah erstmals das im Jahr 2009 novellierte Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) vor. Unter dem Strich stand bei Wiltrud Geurtz ein Plus von etwa 3 Cent/kWh gegenüber der üblichen Einspeisevergütung von kleineren Dachanlagen bis 30 kW Leistung (s. auch Kasten).
Das kann sich ändern: In der anstehenden EEG-Novelle mit ihren zahlreichen Kürzungen wird der solare Selbstverbrauch im Vergleich zur Einspeisevergütung für herkömmliche Dachanlagen mit einem Plus von bis zu 8 Cent/kWh begünstigt. Zudem profitieren nun auch Gewerbebetriebe mit einem Solardach bis zu 500 kW Leistung von der Bonus-Regelung, die bislang nur Privathaushalten vorbehalten war. Vorerst ist dieser Passus bis Ende 2011 befristet.
Aber wollen die Bundesbürger tatsächlich ihren Solarstrom lieber selbst verbrauchen? In Mannheim ist man optimistisch. Vor fünf Jahren bot dort MVV Energie Kunden das Projekt „Waschen mit der Sonne“ an. Solaranlagenbesitzer erhielten per SMS eine Sonnenscheinprognose und konnten so ihren Verbrauch anpassen – versüßt mit 50 Cent pro Waschvorgang. Die Teilnehmer wuschen etwa zwei- bis dreimal so häufig in den Sonnenstunden, als wenn sie keine Benachrichtigung erhielten.
Doch Wetterprognosen regelmäßig zu verfolgen, ist umständlich. Immer mehr Unternehmen bieten daher Systeme an, die Stromnachfrage und Angebot automatisch aussteuern. Mitte Februar stellte das Hamburger Solarunternehmen Conergy die „Vision Box“ vor, die 100 Haushalte in diesem Jahr testen sollen. Der kleine graue Kasten mit großem Display zeigt dem Kunden, wann die Solarstromausbeute am größten ist und er am besten waschen sollte.
„Solche Energiemanager sind nur der erste Schritt“, sagt Markus Landau, Experte für Hybridsysteme am Fraunhofer-Institut für Windenergie und Energiesystemtechnik (Iwes). „Stromspeicher sind unverzichtbar, um den Stromfluss flexibler steuern zu können.“ Das Institut arbeitet zurzeit mit dem französischen Batteriespezialisten Saft Batteries und der Conergy-Tochter Voltwerk Electronics an „Sol-ion“.
„Wir wollen die Grundlage für einen netzgebundenen Solarstromspeicher schaffen, der kommerziell vermarktbar ist“, erklärt Saft-Batteries-Geschäftsführer Holger Schuh. Rund 75 Systeme sollen ab September in Frankreich und Deutschland neun Monate lang getestet werden. Mit „Sol-ion“ erhalten Kunden eine Solaranlage, einen Wechselrichter sowie einen sogenannten Energiemanager, der den Eigenverbrauch und die Netzeinspeisung regelt.
Das Herzstück bildet eine Batterie mit einer Kapazität zwischen 6 kWh und 12 kWh. Der Speicher ist etwa so groß wie eine Ölheizung. Die Kosten liegen aktuell bei etwa 1200 €/ kWh Speicherkapazität, sollen sich aber durch Serienproduktion in den kommenden drei bis vier Jahren etwa halbieren. 2011 will Schuh die Serienproduktion starten.
Auch die Bonner Solarworld AG entwickelt zurzeit einen Speicher, zusammen mit dem Evonik-Konzern. Für Solarworld-Chef Frank Asbeck sind diese Systeme der „verstärkte Einstieg in eine dezentrale Energieversorgung vom eigenen Dach, mit der sich immer mehr Bundesbürger von ihrem Stromversorger verabschieden“.
Mit einem ausgereiften Speicher könnten Haushalte etwa vier Fünftel des erzeugten Solarstroms selbst nutzen, heute liegt die Quote etwa bei einem Viertel. Mit einem geänderten Nutzerverhalten und neuen IT-Lösungen sei eine Verdoppelung möglich.
Noch allerdings wird die Eigenverbrauchsregelung kaum genutzt. Selbst im sonnenverwöhnten Süden, wo E.on Bayern inzwischen rund 107 000 Solaranlagen ans Netz angeschlossen hat, gibt es erst 1200 solare Eigenstromverbraucher. Das mag auch daran liegen, dass die Neuregelung noch unbekannt ist und sich im vergangenen Jahr wegen unklarer Regelungen zur Umsatzsteuer kaum lohnte. Zudem müssen die Eigenverbraucher einen zweiten Zähler installieren – Zusatzkosten von ca. 100 €/Jahr.
Indes hofft Bundesumweltminister Norbert Röttgen, durch die Neuregelung das Stromnetz zu entlasten. Aber stimmt das? Die Netzbetreiber sind skeptisch. Sie reklamieren, sie müssten Kapazitäten vorhalten, falls die Photovoltaikjünger doch lieber einspeisen wollen.
„Das Netz wird erst entlastet, wenn Strom dann eigenverbraucht werden muss, wenn dies aus netztechnischer Sicht erforderlich ist“, sagt Detlef Fischer vom Verband der bayerischen Energie- und Wasserwirtschaft. Er hält die geplante Eigenverbrauchsregelung für nicht zu Ende gedacht. Schließlich würden sich so immer mehr Stromkunden aus der EEG-Umlage „herausstehlen“. Bei steigendem Eigenverbrauch sinke die bezogene Strommenge aus dem allgemeinen Stromnetz. Doch genau auf diese Menge wird die EEG-Vergütung umgelegt. „Stromkunden ohne Möglichkeit zur Photovoltaikanlage haben das Nachsehen“, sagt Fischer.
Ganz so pessimistisch ist Peter Asmuth nicht. Der Vorstand der Stadtwerke Aachen sieht in der Neuregelung eine Chance. Sie könnte helfen, die teuren Lastspitzen in den Mittagsstunden zu kappen – laufende und geplante Großkraftwerke würden unwirtschaftlicher. Eine Tendenz ist unverkennbar: Häuslebesitzer werden künftig zum eigenen Stromerzeuger.
RALF KÖPKE/MARLIES UKEN
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