Die Sportler dieses schwimmenden Fitnessstudios erzeugen Strom
Zur französischen Lebenskunst, dem „Savoir-vivre“, gehört vielleicht auch bald ein elektrisch betriebenes Schiff auf der Seine in Paris. Im „Paris Navigation Gym“ strampelt man sich auf Fahrradtrainern ab und erzeugt damit Energie, die das Boot antreibt. Eine neue Idee des italienischen Designers Carlo Ratti.
Die Grundidee ist durchaus naheliegend. All die Bewegungsenergie strampelnder, laufender und steppender fitnessbegeisterter Mitmenschen im Sportstudio, verpufft normalerweise ungenutzt. Stattdessen könnte diese Energie, umgewandelt in Elektrizität, alles Mögliche antreiben oder in Bewegung versetzen. Genau das schlägt Carlo Ratti, italienischer Architekt und umtriebiger Designer, jetzt vor. In seinem neuen Projekt „Paris Navigation Gym“ werden Training und Sightseeing miteinander verbunden.
Mit Fitness-Geräten Energie erstrampeln
„Das Paris Navigation Gym untersucht das Potenzial der menschlichen Energie“, sagt Carlo Ratti. „Es ist faszinierend zu sehen, wie Energie durch ein Workout im Fitnessstudio erzeugt wird, um ein Boot anzutreiben.“ Das Fitness-Boot ist rein äußerlich den Bateaux Mouches, den leicht manövrierbaren Fahrgastschiffen, die schon lange ihre Rundfahrten durch Paris anbieten, sehr ähnlich.
Anders aber ist die Hightech-Ausstattung im Innern. Bis zu 45 Personen können hier entweder auf dem Fitness-Bike oder auf einem Step-Gerät trainieren. Mit der Energie, die sie währenddessen produzieren, wird zunächst das Fitness-Gerät selbst mit Strom versorgt, die es braucht, um all die Daten zur individuellen und gemeinschaftlichen Energie-Statistik zu liefern.
Zwischenspeicher und Solarpanele
Darüber hinaus treibt die erstrampelte Energie das Boot selbst an. Sind genügend Sportler an Bord, kann überschüssige Energie zwischengespeichert werden. Reicht die Performance der Sportler dagegen nicht aus, wird Energie aus Solarpanelen zugeschaltet.
Die Fitnessgeräte sind modifizierte Modelle des italienischen Herstellers Technogym. An den gläsernen Wänden des 20 m langen Bootes können die Sportler außerdem über Augmented-Reality-Monitore ihre eigenen und die gemeinschaftlich produzierten Fitness- und Energiewerte im Blick behalten. Sightseeing an den Ufern der Seine ist ebenfalls im Fitnessprogramm inbegriffen.
Zukunftsorientierte Stadtplanung
Das „Paris Navigation Gym“ ist zwar das neueste Projekt von Carlo Ratti, aber nur eines von vielen Ideen und Studien des umtriebigen Designers. Erst kürzlich hatte der 45-Jährige autonom fahrende Boote, die in den Grachten von Amsterdam unterwegs sein könnten, angekündigt. Der erste Prototyp soll 2017 fertig sein. Das Fitness-Schiff hat das Design-Büro von Ratti, der in Turin, Paris und Cambridge studierte, gemeinsam mit dem Senseable City Lab des Massachusetts Institute of Technology (MIT) erarbeitet. Dort hat Carlo Ratti auch einen Lehrauftrag.
Die Designer konnten sich für das Fitness-Schiff auf ältere Konzepte und Initiativen stützen, wie das Projekt „Urbem“, das von der Europäischen Kommission zehn Jahre lang gefördert worden war und sich mit der Wiedernutzbarmachung von Flüssen in Städten beschäftigte. Als weiterer Ideengeber und Co-Designer ist die amerikanische gemeinnützige Organisation Terreform One zu nennen.
Hier werden umweltfreundliche Projekte für eine zukunftsorientierte Stadtplanung ersonnen. Zuletzt etwa ein von Mitchell Joachim erdachtes „Cricket Shelter“ für eine Grillen-Zuchtstation, in der proteinreiche Nahrungsmittellieferanten aufwachsen. Derselbe Designer hatte sich 2008 für Terreform One einen von Menschen angetriebenen „River Gym“ ausgedacht. Die „Mikro-Inseln“ sahen damals noch etwas anders aus als die klassischen Bateaux Mouches auf der Seine. Das Retro-Design passt allerdings viel besser in die französische Hauptstadt.
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