Droht ein Kahlschlag bei älteren Biogasanlagen?
Der Fachverband Biogas schlägt Alarm: Viele ältere Biogasanlagen könnten geschlossen werden, da sie aus der EEG-Förderung fallen. Verschiedene Verbände fordern daher gesetzliche Änderungen.
Die Energiewende steht vor einer großen Herausforderung. Zahlreiche ältere Biogasanlagen, die nach 20 Jahren aus der EEG-Förderung fallen, erhalten aktuell keine Anschlussvergütung. Bei den letzten Ausschreibungen gingen zwei Drittel der Anlagen leer aus. Dies führt zu erheblichen Stilllegungen, wie beispielsweise in Baden-Württemberg, wo zehn Betreiber ihre Anlagen abschalten wollen. Bundesweit sind es laut einer Umfrage des Fachverbandes Biogas fast 90. Um diesen drohenden Kahlschlag zu verhindern, fordern Experten eine drastische Erhöhung der Ausschreibungsmengen. Doch was sind die genauen Gründe für diese Entwicklung und welche Maßnahmen könnten Abhilfe schaffen?
Inhaltsverzeichnis
Gründe für das Anlagensterben
Fehlende Wirtschaftsperspektiven
Viele Biogasbauern sehen keine wirtschaftliche Zukunft mehr. Ohne die festen Einspeisevergütungen, die nach dem Vergütungszeitraum enden, können sie nicht kostendeckend arbeiten. Bei den laufenden Ausschreibungen der Bundesnetzagentur haben viele Betreiber keinen Zuschlag erhalten, da die Ausschreibungsvolumen viel zu niedrig festgelegt sind. Bereits die erste Biomasse-Ausschreibung 2024 war stark überzeichnet. Zwei Drittel der Anlagen gingen leer aus – das betraf über 500 Betreiber.
Niedrige Ausschreibungsvolumen
Das Problem der niedrigen Ausschreibungsvolumen wurde durch das EEG 2023 festgelegt. Aktuell sind es nur 500 MW installierte Leistung. In den kommenden Jahren soll dieses Volumen weiter sinken: 2025 auf 400 MW und 2026 bis 2028 auf jeweils 300 MW. Diese Reduktion verschärft die wirtschaftliche Lage für viele Biogasbauern weiter. Laut dem Fachverband Biogas droht spätestens Ende 2029 eine zweite große Welle an Anlagenstilllegungen. Betreiber könnten zwar bereits 2024 bis 2026 an Ausschreibungen teilnehmen, doch die sinkenden Volumen verringern ihre Chancen auf einen Zuschlag.
Auswirkungen auf den Strommarkt
Potenzielle Strompreiserhöhungen
Der Wegfall von Biogasstrom muss durch neu gebaute Gaskraftwerke kompensiert werden. Diese können derzeit aufgrund niedriger CO2-Preise von etwa 45 €/t den Strom günstiger produzieren. Doch der CO2-Preis wird steigen. Der Fachverband Biogas prognostiziert bis 2023 einen Anstieg auf bis zu 150 €/t. Dann wäre Biogasstrom wieder wettbewerbsfähig. Besonders ab 2030, wenn Gaskraftwerke auf grünen Wasserstoff umsteigen müssen, könnte Biogasstrom preislich attraktiv bleiben.
Erste Auswirkungen spürbar
Bereits jetzt zeigen sich erste Auswirkungen einer knappen Stromversorgung. Beispielsweise stieg der Strompreis an der Börse an einem Morgen im Juni auf bis zu 2326 €/MWh und sank bei zunehmendem Solarstrom sogar leicht unter Null, um am Abend wieder auf 1796 €/MWh zu klettern. Biogasanlagen könnten diese Stromlücke zumindest teilweise schließen, wenn sie ausreichend flexibilisiert wären. Sie könnten morgens und abends Strom liefern und tagsüber die Produktion drosseln.
Notwendige Maßnahmen zur Flexibilisierung
Erhöhung des Ausschreibungsvolumens
Um den drohenden Kahlschlag zu verhindern, fordern Bioenergieverbände eine Erhöhung des Ausschreibungsvolumens auf 1800 MW bis 2028. Dadurch könnten mehr Anlagen einen Zuschlag erhalten. Zudem muss der Flexibilisierungszuschlag von derzeit 65 €/kW auf 120 €/kW erhöht werden. Die höheren Bau- und Finanzierungskosten machen diese Anpassung notwendig.
Besserer Netzzugang
Ein weiterer Punkt ist der bessere Netzzugang für Betreiber, damit sie höhere Leistungen einspeisen können. Laut einer Studie des Bundesverbandes BioEnergie (BBE) müssten Netzbetreiber deutlich flexibler agieren. Zusätzlich sollte die Bürokratie abgebaut werden, insbesondere bei Nachhaltigkeitszertifizierungen und Dokumentationspflichten. Dies würde auch neue Investitionen in Biogasanlagen fördern.
Folgen für den ländlichen Raum
Wirtschaftliche Bedeutung von Biogasanlagen
Biogasanlagen sind ein zentraler Bestandteil der Kreislaufwirtschaft und tragen zur Wirtschaftskraft im ländlichen Raum bei. Sie bieten Verwertungsmöglichkeiten für Grünland und Kleegras, besonders bei sinkenden Tierzahlen. Zudem schaffen sie Arbeitsplätze für Servicetechniker und Baufirmen. Ein Kahlschlag in der Biogasbranche könnte nicht nur den Verlust von Arbeitsplätzen bedeuten, sondern auch die Stimmung im ländlichen Raum weiter verschlechtern. Viele Menschen auf dem Land fühlen sich bereits jetzt von der Politik abgehängt.
Umfrageergebnisse
Eine Umfrage des Fachverbandes Biogas unter 540 Betreibern ergab, dass 89 Prozent ihrer Anlagen eine Wärmenutzung haben. Die Biogaswärme wird an über 21.000 Haushalte, 51 Schwimmbäder, 124 Schulen und Kindergärten sowie 82 Turnhallen geliefert. Hochgerechnet auf alle 9.900 Biogasanlagen in Deutschland bedeutet dies, dass knapp 390.000 Haushalte und zahlreiche öffentliche Einrichtungen von der Biogaswärme profitieren.
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