Kann Kernenergie das CO2-Problem lösen?
Berliner Physiker haben einen Reaktor konzipiert, der effektiv arbeitet, wenig Abfälle erzeugt und nicht katastrophal versagen kann. Klingt gut, doch für die Realisierung wäre ein langer Atem nötig.
Deutschland kriegt sein CO2-Problem nicht in den Griff. Die meisten anderen Staaten allerdings auch nicht. Experten vermuten, dass es nach 2022 noch schlimmer wird, weil dann die Kernkraftwerke in Deutschland abgeschafft werden, die vor Ort kein Klimagas ausstoßen. Also doch Kernenergie? Ein neuartiger Reaktor könnte helfen. Dieser soll allerdings erst in 10 oder 20 Jahren den Betrieb aufnehmen. Der Reaktor nutzt den Brennstoff besser aus als die meisten der heute in Betrieb befindlichen Anlagen, besitzt einen Kern, der nicht schmelzen oder gar explodieren kann und produziert keine radioaktiven Abfälle, die jahrtausendelang sicher gelagert werden müssen.
Als Wärmetransporteur dient flüssiges Blei
Dual Fluid Reaktor wird das Konzept genannt, kurz DFR. Der Brennstoff wird in Form eines Flüssigsalzes durch den Reaktor gepumpt. Durch Kernspaltung entsteht Wärme, die im ursprünglichen Konzept, das schon vor Jahrzehnten ersonnen wurde, von ebendiesem Salz aus dem Reaktor abtransportiert wird, um Wasser in Dampf zu verwandeln. Dieser treibt einen Turbogenerator zur Stromerzeugung an.
Physiker des privaten Instituts für Festkörper-Kernphysik in Berlin haben den DFR um eine Komponente bereichert. Sie transportieren die Wärme mit flüssigem Blei ab, haben also einen zweiten Kreislauf eingeführt. Das Schwermetall hat eine Temperatur von 1.000 Grad Celsius. Das reicht nicht nur zur Dampfproduktion, sondern lässt sich auch als Prozesswärme nutzen, etwa zur Herstellung von Wasserstoff, der in Kombination mit Kohlendioxid in synthetische Treibstoffe verwandelt werden kann. Mit 0,6 Cent pro Kilowattstunde beziehungsweise 20 bis 40 Cent pro Liter Benzin sollen Traumpreise möglich sein.
Der DFR produziert seinen Brennstoff selbst
Als Brennstoff eignen sich Uran und Plutonium. Die Isotope dieser Metalle, die nicht spaltbar sind, fangen Neutronen ein, das sind die Kernbauteilchen, die sich im Reaktor in riesigen Massen bilden und die Kernspaltungen auslösen. Die nicht spaltbaren Isotope fangen Neutronen ein und werden dadurch selbst zu nuklearem Brennstoff, der im nächsten Kreislauf gleich wieder zur Energieerzeugung genutzt wird.
Bei der Kernspaltung entstehen radioaktiv strahlende Abfälle. Bei heute genutzten Reaktoren müssen diese gelagert werden, und zwar für Jahrtausende. Im DFR bleiben die Abfälle zurück und fangen selbst Neutronen ein. Dadurch verwandeln sie sich in Abfälle, deren Lebensdauer noch nach Jahrzehnten zählen.
Im Abfall befinden sich wertvolle Elemente
Salz und Blei werden im Kreislauf gefahren, wobei das mit Brennstoff und Abfällen angereicherte Salz einen Umweg über eine Wideraufarbeitungsanlage nimmt. Hier entweichen zunächst die teilweise radioaktiven Gase, die eingefangen werden. In einer sogenannten Destillationskolonne werden die festen Spaltprodukte entfernt. Darunter sind wertvolle, weil seltene Elemente wie Rhodium und Ruthenium. Abgesehen davon, dass die Mengen an Abfall viele 1.000 Mal geringer sind als bei heute gebräuchlichen Reaktoren müssen sie nur wenige Jahrzehnte sicher verschlossen gelagert werden.
Bei einem schweren Störfall, bei dem ein Leck entsteht, werden Salz und möglicherweise auch Blei in einer Wanne aufgefangen. Die Temperatur steigt und damit reduziert sich die Zahl der Kernspaltungen, bis sie zum Erliegen kommt. Ein Super-GAU ist unmöglich.
Milliarden Euro und ein langer Atem
Den DFR gibt es nur auf dem Papier. Um ihn zu realisieren wäre zunächst eine Versuchsanlage nötig, die, wie die Berliner Physiker betonen, mit heutigen Techniken zu realisieren wäre. Erst nach dem Bau eines Demonstrationsreaktors könnte eine kommerzielle Anlage entstehen. Dafür wären Milliarden Euro und viele Jahre nötig.
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