Ein Taifun könnte Japan Jahrzehnte mit Strom versorgen
Windräder, die sogar Taifunen gewachsen sind und mitten im Wirbelsturm Strom erzeugen, könnten die Kernkraftwerke und konventionellen Kraftwerke Japans überflüssig machen. Hat das Konzept des Start-ups Challenergy eine Chance?
Ein einziger Taifun enthält so viel Energie, dass sie theoretisch ausreicht, Japan 50 Jahre lang mit Strom zu versorgen. Das hat der japanische Ingenieur Atsushi Shimizu errechnet, Gründer des drei Jahre alte Start-ups Challenergy.
Wie er die Energie erzeugen will hat er schon demonstriert. Er entwickelte einen Windgenerator, der keine Flügel hat, sondern langegestreckte Schaufeln, die eine senkrecht stehende Achse rotieren lassen. Anders als herkömmliche Windgeneratoren mit zwei oder drei Flügeln müssen diese Anlagen nicht dem Wind nachgeführt werden. Sie rotieren, woher die Strömung auch immer kommt.
Selbst die schlimmsten Stürme sind kein Problem
Eine Reihe von Unternehmen und Tüftlern haben ähnliche Generatoren entwickelt, etwa Blue Terra aus Bremen. Es handelt sich stets um Kleinanlagen mit weniger als zehn Kilowatt.
Damit will sich Shimizu nicht zufriedengeben. Er verrät zwar nicht, welche Leistung seine Mühlen haben werden. Doch eins ist klar: Er will sie so stabil bauen, dass Taifune, die oft mit Windgeschwindigkeiten von deutlich mehr als 200 Kilometern pro Stunde über Japan hinweg fegen, ihnen nichts anhaben können. Mehr noch: Sie verwandeln die gewaltige Kraft des Sturms in elektrische Energie.
Zu den Vorbildern gehört auch ein Schiff
Shimizu macht sich den Magnus-Effekt zunutze. Wird ein rotierender Rundkörper angeblasen, entsteht auf der einen Seite ein Überdruck, auf der anderen ein Unterdruck. Beim so genannten Flettner-Rotor sorgt dieser Effekt dafür, dass ein Schiff vom Wind vorwärtsgetrieben wird.
Vor zwei Jahren stellte der Norweger Terje Lade mit dem Cargoschiff Vindskip ein ähnliches Konzept vor. Dabei dient der Rumpf als Segel. Schräg einfallender Wind muss auf der ihm abgewandten Seite einen längeren Weg zurücklegen, wodurch auf der dem Wind zugewandten Seite ein Unterdruck entsteht. Dadurch wird das Schiff nach vorne gezogen.
Ein Prototyp des Taifun-Rotors ist schon in Betrieb
Doch zurück nach Japan. Bei der Windmühle des Ingenieurs Shimizu bietet der sich drehende Rotor dem Wind wenig Angriffsfläche. Dadurch kann er auch Taifune überstehen und ihre Energie in Strom umwandeln.
Die spezielle Bauart bezahlt der Japaner mit einem Wirkungsgrad von nur 30 Prozent, das sind zehn Punkte weniger als bei konventionelle Mühlen. Angesichts der enormen Kräfte eines Taifuns ist das aber zu verschmerzen. Einen kleinen Prototypen hat Shimizu in Okinawa bereits installiert, Japans südlichster Präfektur.
„Ich möchte unseren Windgenerator auf dem Dach des neuen Nationalstadions aufbauen“, sagt Shimizu. Es wird in Tokio für die Olympischen Spiele 2020 erbaut. „Oder auf dem Tokio Tower“, einem der Wahrzeichen der japanischen Hauptstadt. Der Turm, der 332,6 m hoch ist, ähnelt dem Pariser Eiffel-Turm. Er will sein Land, in dem es mit Fukushima die schlimmste Atomkatastrophe gab, mit seiner Technik von der Kernenergie unabhängig machen.
In Japan gibt es jedes Jahr Taifune
Das Potential für die Challenergy-Mühlen wäre enorm. Allein in diesem Jahr erlebte Japan bereits sechs dieser schweren Unwetter. Bei geringen Windstärken produzieren die Mühlen allerdings keinen Strom oder nur sehr wenig.
Das führt zu Shimizus Hauptproblem: Er müsste den Strom, der innerhalb von wenigen Stunden in gigantischen Mengen produziert wird, monate- oder jahrelang speichern. Eine schier unlösbare Aufgabe. Alle derzeit in aller Welt installierten Speicher dieser Art könnten Japan allenfalls minutenlang mit Strom versorgen. Andererseits gehört Japan neben Südkorea und China zu den weltweit größten Batterieherstellern.
Shimizu ist dennoch überzeugt, dass Windenergie die Zukunft ist für sein Land. Die Möglichkeiten zur Gewinnung von Energie aus Wind seien deutlich größer als die Gewinnung von Energie aus Sonnenlicht.
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