Erneuerbare Energien 15.09.2023, 07:30 Uhr

Eine Raffinerie erfindet sich neu

Aus Schwedt an der Oder kommen künftig umweltneutrale E-Fuels, grüner Wasserstoff, grüne Fernwärme und grüne Basischemikalien. Es geht um Millionen Tonnen pro Jahr.

Raffinerie PCK

Raffinerie PCK in Schwedt: Neuerfindung mit grünem Wasserstoff und E-Fuels für eine nachhaltige Zukunft.

Foto: © PCK Raffinerie GmbH

Die Raffinerie PCK in Schwedt an der Oder stand Ende 2022 plötzlich ohne Erdöl da, weil Deutschland den Bezug aus Russland wegen des Kriegs gegen die Ukraine gestoppt hatte. Das Ende war es nicht, denn sie bezieht ihren Rohstoff mittlerweile aus anderen Quellen. Dennoch will sie sich völlig neu erfinden. Benzin, Diesel und Kerosin sollen zwar weiter produziert, doch nicht mehr zur Belastung für das Klima werden. Die neuen Rohstoffe sind grüner Strom und Kohlenstoffdioxid (CO2) aus der Luft.

Wasserstoff für den ganzen Osten

Mit E-Fuels allein will sich die neue PCK allerdings nicht begnügen. Sie will die Industrie in den östlichen Bundesländern mit Wasserstoff versorgen. Der soll in eine Pipeline eingespeist werden, die nahe Schwedt im Rahmen der nationalen Wasserstoffstrategie Deutschlands allein in Brandenburg einige 100 Kilometer lang sein soll. Eingespeist wird außer heimisch hergestelltem Wasserstoff auch mit Importen, die beispielsweise in Lubmin in Form von Ammoniak ankommen und dort, am Ende der gesprengten Ostseepipelines für Erdgas, in Crackern in Wasserstoff zurückverwandelt werden soll.

Chemieindustrie wird dekarbonisiert

Auch das ist noch nicht alles. Ein Teil des Wasserstoffs wird in Wärme umgewandelt, möglicherweise in Brennstoffzellen, die gleichzeitig Strom produzieren. Die Wärme wird in das Fernwärmenetz der Stadt eingespeist. Ein weiteres Ziel ist die Produktion von wertvollen Basischemikalien für die Industrie, die heute noch aus Erdöl oder Erdgas hergestellt werden.

Die ersten Elektrolyseure sind schon bestellt

Im April dieses Jahres begann der Umwandlungsprozess. Die Raffinerie bestellte bei Siemens Energy in München das Basic-Engineering für den Bau von Elektrolyseuren mit einer Gesamtleistung von 100 Megawatt. Sie sollen Wasser in Wasser- und Sauerstoff zerlegen. Der dazu nötige Strom kommt aus brandenburgischen Solar- und Windparks. Mit rund 5,5 Gigawatt an installierter Fotovoltaik- und acht GW Windleistung gehört Brandenburg schon jetzt zu den führenden Bundesländern, was die Pro-Kopf-Erzeugung angeht.

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2027 schon 30.000 Tonnen Wasserstoff

„Wir wissen, dass sich unsere Produkte über die nächsten Jahre ändern werden, um die ambitionierten Klimaschutz-Ziele zu erreichen“, so Ralf Schairer, Sprecher der Geschäftsführung der PCK Raffinerie. Die Ziele sind ehrgeizig. Bereits 2027 soll die Leistung aller Elektrolyseure bei 400 Megawatt liegen. Das reicht für 30.000 Tonnen Wasserstoff pro Jahr. Bis 2030 sollen schon 160.000 Tonnen Wasserstoff pro Jahr hergestellt werden, außerdem 240.000 Tonnen Produkte auf Wasserstoffbasis wie Chemikalien und E-Fuels. Im Endausbau plant die Raffinerie die Produktion von zwei Millionen Tonnen Flugkraftstoff, Methanol und hochwertigen Chemikalien sowie eine Million Tonnen Biodiesel, Bioethanol und Biomethan pro Jahr. Um das Megaprojekt zu realisieren seien 15 Milliarden Euro nötig, heißt es.

Partner ist spezialisiert auf Power-to-X

Partner beim Bau der „grünen Raffinerie“ ist Enertrag aus Dauerthal in Brandenburg nordöstlich von Berlin, ein Spezialist für Wasserstoffprojekte und Power-to-X. Mit „Power“ ist grüner Strom gemeint, mit „X“ daraus hergestellte Wärme (Power-to-Heat), Gas (to-gas) und Treibstoffe (to-fuels9. Das Unternehmen ist unter anderem an einem milliardenschweren Wasserstoffprojekt in Namibia führend beteiligt.

Weltweit erstes Hybridkraftwerk

Enertrag hat bereits 2011 das weltweit erste Wasserstoff-Wind-Biogas-Hybridkraftwerk in Prenzlau errichtet. Zu den aktuellen Aufträgen gehört der Bau einer Wasserstoff-Tankstelle in Basdorf im Barnim. Sie wird mit grünem Wasserstoff von Enertrag beliefert. Betankt werden Brennstoffzellenzüge, die ab 2024 auf der Strecke der liebevoll „Heidekrautbahn“ genannten Regionalbahn 27 zwischen Berlin-Wilhelmsruh und Basdorf und weiter nach Nordosten verkehren werden. Sie wird von der Niederbarnimer Eisenbahn (NEB) betrieben.

Ein Beitrag von:

  • Wolfgang Kempkens

    Wolfgang Kempkens studierte an der RWTH Aachen Elektrotechnik und schloss mit dem Diplom ab. Er arbeitete bei einer Tageszeitung und einem Magazin, ehe er sich als freier Journalist etablierte. Er beschäftigt sich vor allem mit Umwelt-, Energie- und Technikthemen.

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