Energieholz ist weltweit begrenzt
Holz, Pellets oder Stroh statt Öl oder Gas – vom Häuslebesitzer bis zum Großkonzern setzen Energieverbrau-cher auf die feste Form der Biomasse. Damit der Einsatz dieser Rohstoffe ökologisch vertretbar ist, ist eine Reihe von Rahmen-bedingungen zu beachten
Seit Juni 2011 transportieren zwei bis drei Schiffe monatlich für den Essener Energiekonzern RWE Holzpellets über den Atlantik. Sie stammen aus Georgia, USA, dort hat RWE das weltgrößte Pelletwerk gebaut. Ziel: zum Beispiel das Kraftwerk Amercentrale der niederländischen RWE-Tochter Essent. Insgesamt sollen rund 750 000 t dieser Pellets jährlich in den Niederlanden und in Großbritannien Kohle ersetzen.
Auch andere Stromkonzerne setzen auf Holz. Vattenfall hat dem Land Berlin in einer Klimaschutzvereinbarung im Oktober 2009 zugesichert, bis 2020 seine CO2-Emissionen zu halbieren. Der schwedische Konzern verbrennt schon in drei Kraftwerken Restholz.
2019 sollen zwei Biomassekraftwerke ein Braunkohlekraftwerk teilweise ersetzen. Dann braucht Vattenfall jährlich ca. 1,3 Mio. t Holzhackschnitzel. Die Holz-
ernte aus der Umgebung von 300 km um Berlin wird dafür nicht ausreichen. Der Konzern will zusätzlich Biomasse aus Übersee beziehen – so auch Schnitzel von Kautschukbäumen aus Liberia.
„Aber es fehlen verbindliche Kriterien, um zu bewerten, wie nachhaltig es ist, Holz aus Deutschland oder Liberia energetisch zu verwerten“, stellt Horst Fehrenbach vom Institut für Energie- und Umweltforschung (Ifeu) mit Sitz in Heidelberg fest. Die EU hat 2009 zwar Nachhaltigkeitskriterien für Biomasse festgelegt, sie gelten aber nur für Biokraftstoffe. Anfang 2010 hatte die EU-Kommission empfohlen, diese Kriterien freiwillig als Basis für die energetische Nutzung fester und gasförmiger Biomasse anzuwenden. Es geht vor allem um das Kriterium, dass der Einsatz der Biomasse Treibhausgasemissionen im Vergleich zu fossilen Energieträgern um 35 % senken muss – und ab 2017 um 50 %.
„Die Hersteller und Nutzer fester Biomasse halten die 50 %-Anforderungen meist heute schon ein“, betont Fehrenbach. Ersetzt Holz fossilen Brennstoff, sinken Treibhausgasemissionen oft um mehr als 80 %. Scheitholz, Hackschnitzel und Pellets lassen sich mit deutlich weniger Energieaufwand als Biogas oder Biokraftstoffe herstellen. Lachgasemissionen entfallen, da nicht gedüngt wird. Nur Kurzumtriebsplantagen werden – oft im ersten Jahr – gedüngt. Zudem konkurriert die Holzernte nur selten mit der Nahrungsmittelerzeugung .
Nachhaltigkeit bedeutet auch, die biologische Vielfalt zu erhalten. Deutschlands Waldbesitzer ernten jedes Jahr etwa 93 % der nachwachsenden Holzmenge. Das steht in der Bundeswaldinventur 2008, die das Johann Heinrich von Thünen-Institut für das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz erstellt hat. Das entspricht einer Ernte von etwa 105 Mio. m3 Holz – oder rund 70 Mio. sogenannter Erntefestmeter, also jener Holzmenge, die dem Wald entnommen wird, nachdem etwa Rinde und dünnere Äste von den Stämmen entfernt wurden.
Da künftig wahrscheinlich mehr Holzbaustoffe und Energieholz nachgefragt werden, will die Bundesregierung das Rohstoffpotenzial stärker ausschöpfen. Sie schlägt in der Waldstrategie 2020 vom 21. September dieses Jahres vor, der Wald solle bis zu 100 Mio. Erntefestmeter jährlich liefern.
Doch Naturschützer fürchten, eine höhere Holzernte würde den Wald zum Rohstofflieferanten degradieren. Die eigentliche Herausforderung sei aber, „biologische Vielfalt und wirtschaftliche Nutzung besser als bisher unter einen Hut zu bringen“, sagt László Maráz, Waldkoordinator im Forum Umwelt und Entwicklung. Ein Beispiel: Buchen werden geschlagen, bevor sie 140 Jahre alt sind. Sind sie älter, färbt sich das Kernholz rot und lässt sich weniger gut als Möbelholz verkaufen. Andererseits werden erst 200-jährige Buchen zu einem geeigneten Biotop. Erst dann wachsen Moose und Flechten auf der gröber werdenden Borke. Auch viele Insekten nutzen erst dann diesen Lebensraum.
Naturschützer wollen daher mehr Fläche von der Bewirtschaftung befreien. Zurzeit dürfen Bäume in Kernzonen der Nationalparks und Naturschutzgebiete – also etwa 1,5 % bis 2 % der Waldfläche – nicht gefällt werden. Auch in Wirtschaftswäldern sei mehr biologische Vielfalt möglich, meint Waldexperte Maráz. Stehen- oder liegengelassen tote Stämme bieten über Jahrzehnte Insekten und Pilzen Nahrung und Lebensraum. Und das Restholz – also kleine Zweige, Äste und auch Wurzeln – enthält viel Kalium, Kalzium, Magnesium und Phosphor und ist für die Bodenfruchtbarkeit wichtig.
Forstwissenschaftler Axel Göttlein von der TU München hat am Fall des bayerischen Staatswaldes untersucht, ob eine intensivere Biomassenutzung die Nährstoffbilanz gefährden kann. Das Ergebnis: In bayerischen Mittelgebirgen und in den nördlichen Kalkalpen, wo die Nährstoffausstattung der Böden kritisch ist, wäre es nicht nachhaltig, die Holznutzung zu intensivieren oder mehr Restholz zu verwerten als bisher.
Eine intensivere Nutzung der Wälder hält Waldforscher Göttlein nur dort für sinnvoll, wo die Wälder auf nährstoffkräftigen Böden wachsen. Doch ist der Waldanteil auf solchen Böden eher gering. „Die Grenzen der Nutzung müssen daher genau analysiert und eingehalten werden“, fordert Maráz.
Egal, wie viel Holz in deutschen Wäldern und Kurzumtriebsplantagen geerntet werden wird, es wird zu wenig sein, um langfristig die Nachfrage auch im Energiebereich zu decken. Um etwa Holz aus Afrika zu erhalten, arbeitet Vattenfall mit Buchanan Renewable Fuels (BRF) zusammen. Die Firma, an der Vattenfall 20 % der Aktien hält, fällt auf Plantagen Kautschukbäume, die älter als 30 Jahre sind, und stellt aus ihnen Hackschnitzel her. Für jeden gefällten Baum wird ein junger gepflanzt.
Das Ifeu hat für Vattenfall und das Land Berlin untersucht, ob dieses Konzept nachhaltig ist. Das Ergebnis hat das Ifeu im April 2011 in der Studie „Kriterien zur nachhaltigen Beschaffung holzartiger Biomasse für die Strom- und Wärmegewinnung im Land Berlin“ vorgestellt.
„Die Treibhausgasbilanz wird positiv ausfallen, werden überalterte Kautschukbäume aus Plantagen genutzt“, erklärt Fehrenbach. Die Klimagasbilanz würde aber negativ werden, rodete man stattdessen im Urwald einzelne Bäume oder entstünde dort eine Plantage. Beides Mal würden die Emissionen steigen, weil weniger Pflanzenmasse vorhanden ist, um den Kohlenstoff (C) – einen der beiden Bestandteile im CO2 – zu binden.
Ein tropischer Regenwald bindet pro 100 m2 zwischen 185 t bis 230 t Kohlenstoff, eine Plantage in den Tropen nicht mehr als 87 t Kohlenstoff. Im Grunde, so Fehrenbach, speichern alle Wälder mit mehr als 30 % Kronenüberschirmung mehr Kohlenstoff als die Forste, also Nutzwälder: „Generell werden bei der Umwandlung eines Naturwalds in einen Forst immer Treibhausgase freigesetzt.“
Das Ifeu prüfte auch, ob bestehende Siegel für nachhaltige Bewirtschaftung von Holz genutzt werden könnten. Etablierte Systeme wie das FSC oder PEFC setzen Standards für soziale und ökologische Aspekte, es fehlen aber Vorgaben zur Berechnung der Treibhausgasbilanz. „Dieses Fehlen kann bei transparenten Lieferketten vergleichsweise einfach als eigenständige Komponente ergänzt werden“, meint Fehrenbach.
Vattenfall werde sich an die auf das Ifeu-Gutachten gestützte Vereinbarung mit dem Berliner Senat halten, betont Hans Dieter Hermes, Leiter der Geschäftsentwicklung Biomasse des Unternehmens. So will der Konzern bestehende Zertifizierungssysteme nutzen, um die Nachhaltigkeit seiner Holznutzung belegen zu können. Der Konzern ist stolz: „Diese Vereinbarung ist die weltweit erste praxistaugliche Selbstverpflichtung zum langfristig sozial und ökologisch verantwortungsvollen Einsatz fester Biomasse zur Strom- und Wärmeerzeugung.“
Doch wie hoch ist das Potenzial an Holzbiomasse in Liberia? Kautschukplantagen gibt es dort auf knapp 2600 km2, rund 1500 km2 davon werden bewirtschaftet. Von dieser Fläche könnten jährlich knapp 1 Mio. t Holzhackschnitzel geerntet werden. Damit ließe sich Vattenfalls Energiehunger für Berlin decken, man hat sich 200 000 t in Liberia jährlich gesichert. Doch das Land sollte nicht alles Holz ausführen, schreibt das Ifeu in der Studie. Liberia solle einen Teil selbst nutzen. Erste Schritte sind ein 35-MW-Holzkraftwerk oder die Holzkohleherstellung.
Solch ein sorgsamer Umgang mit Biomasse ist in Ländern Afrikas, Lateinamerikas oder Asiens nicht die Regel. Naturschützer Maráz fordert daher, „dass sich die Holzernte überall an der nachhaltig erzeugbaren Holzmenge orientieren muss – und nicht umgekehrt“. Vattenfall-Mann Hans Dieter Hermes hofft, dass es bald – zumindest für die energetische Nutzung – EU-weit verbindliche Nachhaltigkeitskriterien geben wird. RALPH AHRENS
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