Energiekrise: Wie viel Gas spart die Industrie?
Wie Privathaushalte und kleinere Gewerbebetriebe müssen auch Industrieunternehmen ein Fünftel ihres Erdgasverbrauchs im Vergleich zum Vorjahr senken. Wie schafft das die Industrie und welche zusätzlichen Einsparpotenziale sind vorhanden?
Viele private Haushalte und Gewerbeunternehmen ächzen unter den explodierenden Energiepreisen und wurden aufgefordert, ihren Erdgasverbrauch zu drosseln. Doch wie sieht es bei der Industrie aus? Die Unternehmen sollen ihren Gasverbrauch ebenfalls um ein Fünftel senken, so will es die Bundesregierung. Doch wie funktioniert das? Welche Bereiche schaffen es, welche Industriezweige tun sich eher schwer damit? Wir haben uns umgeschaut.
Die schwierige Ausgangslage
Mit dem Einmarsch in die Ukraine hat Putin eine Zeitenwende eingeläutet. Da wir den Großteil unseres Erdgasbedarfs aus russischen Quellen importierten, ist nun das große Sparen angesagt, damit wir nicht irgendwann ganz auf dem Trockenen sitzen. Das gilt für Privathaushalte wie für Gewerbe und Industrie gleichermaßen. Bei Letzteren kommt erschwerend dazu, dass die Wettbewerbsfähigkeit im Vergleich zu den Ländern, die genügend günstiges Erdgas oder andere Energieformen massiv gefährdet ist. Es droht eine Deindustrialisierung.
Neben dem Einsparen von Gas und der Drosselung der Produktion, gibt es noch die Möglichkeit, auf andere Energieträger wie Flüssiggas oder Öl umzusteigen. Auch wird es bald Flüssigerdgas aus den neu erbauten LNG-Terminals geben. Lesen Sie hierzu: Sind Flüssiggas und Flüssigerdgas eine Alternative zu Erdgas? Zu all diesen Problemen kommt noch, dass die Industrie den Ausstoß von klimaschädlichem Kohlendioxid massiv reduzieren soll. Alles in allem sind das keine guten Zeiten für die deutsche Wirtschaft. Dennoch versucht sie ihren Teil dazu beizutragen, den Gasverbrauch zu senken.
Wie sieht der Gasverbrauch im Vergleich zum Vorjahr aus?
Die Industrie ist auf einem guten Weg, die von der Regierung vorgegebenen Wert von 20 Prozent Gaseinsparung im Vergleich zum Vorjahr zu erreichen. Das zeigen die Daten der Bundesnetzagentur. Aktuell liegen wir bei einer Einsparung von 15 Prozent, wobei es eigentlich noch mehr sind, da die Werte für die Gasverbrennung in den Kraftwerken der Industrie zugerechnet werden. Der hier produzierte Strom wird aber auch von privaten Haushalten und Gewerbebetrieben genutzt.
Die Bundesnetzagentur gibt die Werte für den durchschnittlichen Verbrauch pro Tag an. Damit werden die monatlichen Daten vergleichbar, um den tatsächlichen Gasverbrauch zu errechnen, müsste man jedoch die Werte noch mit der Anzahl der Tage pro Monat multiplizieren. Die beiden Kurven für 2021 und 2022 zeigen jedoch auch so, dass die Industrie deutlich Gas einspart. In allen Monaten liegt der Wert unter dem des Vorjahres. Das summiert sich auf einen Wert, der absolut im grünen Bereich liegt.
Wie groß ist der Anteil der Industrie am Gesamtverbrauch?
Für den Vergleich des Gasverbrauchs zwischen der Industrie auf der einen und Haushalten sowie Gewerbe auf der anderen Seite, können wir ebenfalls auf die Daten der Bundesnetzagentur zurückgreifen. Es zeigt sich, dass die Industrie deutlich mehr Gas benötigt als Haushalte und Gewerbe. Lediglich in den kalten Wintermonaten verbraucht der Privatbereich mehr Erdgas, Industrieunternehmen benötigen hingegen über das Jahr gleichmäßiger verteilt Energie. Insbesondere für energieintensive Produktionen.
In Zahlen ausgedrückt: Von Januar bis Oktober 2022 hatte die Industrie einen etwa um 50 Prozent höheren Erdgasverbrauch als private Haushalte inklusive Gewerbe. Wenn die von der Politik vorgegebenen Ziele eingehalten werden sollen, trägt die Industrie somit einen Großteil der Verantwortung. Wobei es hier Sparten gibt, denen es leichter fällt, Erdgas einzusparen, während es in anderen Bereichen nur möglich ist, wenn sie zugleich noch die Produktion massiv drosseln. Hierzu hat das Institut für Wirtschaftsforschung (ifo) eine interessante Studie veröffentlicht, die wir uns nun anschauen möchten.
Ausmaß und Potenzial des Gassparens in der Industrie
Das ifo-Institut hat im Oktober eine Konjunkturumfrage im verarbeitenden Gewerbe durchgeführt, die Zahlen dazu hat es nun veröffentlicht. Demnach nutzen etwa 59 Prozent aller Firmen Erdgas für die Produktionsprozesse, davon haben 75 Prozent im vergangenen halben Jahr bereits Gas gespart, ohne die Produktion zu drosseln. Lediglich 14,1 Prozent aller befragten Unternehmen mussten die Produktion reduzieren, um Energie zu sparen. Eine kleine Gruppe von 7,4 Prozent hat bislang noch nichts gespart.
Schwieriger wird die Lage bei zusätzlichem Einsparpotenzial für die kommenden sechs Monate eingeschätzt. Nur etwa 39 Prozent der Unternehmen sehen die Chance, noch mehr Gas zu sparen, ohne die Produktion drosseln zu müssen. Etwa 41 Prozent können zwar noch mehr Energie einsparen, müssten dafür aber ihre Produktion runterfahren. Etwa 12 Prozent der befragten Firmen können nichts weiter mehr unternehmen, sie müssten sonst die Produktion einstellen.
Welche Branchen sind vom Gassparen besonders betroffen?
Innerhalb der verschiedenen Branchen gibt es riesige Unterschiede hinsichtlich des Gassparens, so das Ergebnis der ifo-Umfrage.
Besonders gut kann der Umfrage zufolge die Bekleidungsindustrie Erdgas einsparen, besonders schwer fällt es der Druckindustrie. Hier geben lediglich 45 Prozent aller befragten Unternehmen an, dass sie in den vergangenen sechs Monaten Gas sparen konnten, ohne die Produktion zu drosseln. 40 Prozent der Firmen, die Druckerzeugnisse herstellen, mussten die Produktion hingegen runterfahren, um Energie zu sparen.
Weiteres Einsparpotenzial für die kommenden sechs Monate sehen insbesondere die Verantwortlichen der Bereiche Herstellung von Bekleidung sowie Datenverarbeitungsgeräte – hier liegen die Werte bei 88 bzw. 70 Prozent. Keinerlei Möglichkeiten ohne Produktionsreduzierung sieht hingegen der Bereich Herstellung von Leder, Lederwaren und Schuhen. Hier müsste die Produktion eingestellt werden, wenn noch weniger Erdgas zur Verfügung steht. Auch bei der Herstellung von Glaswaren, Keramik sowie bei der Verarbeitung von Steinen und Erden gibt es nur noch wenig Einsparpotenzial.
Wie kommen die Unternehmen durch den Winter?
Die Umfrage von ifo hat gezeigt, dass weitere Einsparungen nur schwer möglich sind, ohne gleichzeitig die Produktionskapazitäten zu senken. Manche Industriesparten müssten sogar die Produktion gänzlich einstellen, wenn sie nicht mehr genügend Erdgas zur Verfügung haben. Ein Umstieg auf Flüssiggas und Öl wäre möglich, werde jedoch durch „umweltrechtliche Hemmnisse“ erschwert, kritisiert der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI).
Insgesamt fällt es der Industrie jedoch schwer, kurzfristig Einsparungen vorzunehmen. Ein Sprecher der BASF sagte dem Fokus zum Beispiel, dass Energieeffizienz-Verbesserungen „nur sehr begrenzt im Hauruck-Verfahren“ möglich seien. Gleichwohl würde der Chemiekonzern bereits seit Jahren seinen Energieverbrauch reduzieren. Zudem arbeitet der Chemieriese aus Ludwigshafen derzeit an industriellen Wärmepumpen, die Wärme aus dem Abwasser nutzbar machen sollen. Bei Thyssenkrupp in Duisburg wird der Dampf aus der Stahlproduktion an eine Brauerei und an die Stadtwerke weitergeleitet. Aber auch solche Netzwerke entstehen nicht über Nacht.
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