Energiespeicher sind die Achillesferse des Smart Grid
Die von der deutschen Bundesregierung geplante Energiewende – also der Ausbau der erneuerbaren Energie – könnte daran scheitern, dass zu wenig Energiespeicher zur Verfügung stehen. Sie fördert zwar die Forschung für die Technologieentwicklung, aber ein umfassendes Konzept der Bundesregierung fehlt bislang.
Wie viel Energiespeicher künftig in Deutschland nötig sein werden, ist unklar. „Es fehlen saubere Abschätzungen“, sagte Dirk Uwe Sauer Ende März auf der Frühjahrstagung der Europäischen Akademie in Bonn. Sauer ist Professor am Institut für Stromrichtertechnik und Elektrische Antriebe der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule in Aachen.
Bis 2020 will die Bundesregierung dank erneuerbarer Energiequellen die deutschen Emissionen an Treibhausgasen um 40 % senken. Bis 2050 sollen es 80 % weniger sein. Energiespeicher werden Hochspannungstrassen, auf denen in Europa Strom hin- und hergeschickt werden kann, ergänzen, glaubt Sauer. Klar sei: „Ohne Energiespeicher wird die Energiewende nicht realisierbar sein.“
Mehr Energiespeicher für ein zukunftsfähiges Stromnetz notwendig
Eine Hochspannungs-Gleichstromleitung, die zu einem Viertel ausgelastet ist, wird Strom für rund 3 Cent/kWh über 3500 km transportieren können. „Diese Leitungen helfen aber bei einer Großwetterlage, die etwa von der Biskaya bis nach Skandinavien Windräder stehen lässt, nicht weiter“, gibt Sauer zu bedenken. Speicher sind also nötig. Dennoch sollten alle Möglichkeiten der Verteilung und der Steuerung des Verbrauchs genutzt werden, so Sauer, bevor Strom gespeichert wird.
Stromversorger stehen heute schon vor der Herausforderung, Spannung und Frequenz im Netz stabil zu halten. Ein Beispiel: Vattenfall bedient mit seinem Hochspannungsnetz Kunden in Hamburg und den fünf neuen Bundesländern. Es bietet im Schnitt eine Leistung von 10 GW bis 12 GW. Der Beitrag der Windenergie schwankt sehr. Er kann 8 GW betragen, aber auch fast null – wie zehn Tage lang im Februar 2008.
Je mehr die Energieversorgung auf Wind und Sonne baut, umso öfter treten solche Fälle auf. 2020 könnten Windparks und Solaranlagen nach Schätzungen des Bundesumweltministeriums (BMU) mit einer Leistung von 65 GW installiert sein. Bei einer Nachfrage von im Schnitt 60 GW könnten Wind- und Solarkraft in absehbarer Zeit den Strombedarf auch mal alleine decken.
Bis zur ersten Zielmarke – dem Jahr 2020 – bleibt kaum Zeit, neue Energiespeicher zu bauen. Die vorhandenen 33 Pumpspeicherwerke (Leistung: 6,6 GW) und das Druckluftspeicherwerk bei Huntorf mit einer Leistung von 290 MW werden bereits gebraucht, um bestehende Fluktuationen im Verbrauch auszugleichen.
Die Stromversorger müssen daher beim weiteren Ausbau erneuerbarer Energiequellen Fluktuationen mit Fingerspitzengefühl ausgleichen. So können sie ein Gaskraftwerk hochfahren oder Wasserstrom aus Skandinavien zukaufen. Unzureichende Netzkapazitäten behindern aber zurzeit den grenzübergreifenden Stromhandel in Europa.
Bis 2050 ist zwar Zeit, ohne neue Speicher werde das „Durchwursteln“ aber immer schwieriger, glaubt Sauer. Es werde eine Vielzahl an Kurzzeitspeichern geben, mit denen Stromversorger Schwankungen innerhalb eines Tages ausgleichen könnten.
Pumpspeicherkraftwerke sind preiswerte Energiepeicher
Preiswert sind Pumpspeicherkraftwerke. Bei täglicher Nutzung beträgt der Strompreis nach einer Studie des VDE etwa 3 Cent/kWh. Ein Neubau ist im Schwarzwald in Planung. Generell fehlt es aber an Platz und an der Akzeptanz in der Bevölkerung.
Eine Ergänzung sind adiabatische Druckluftspeicher, die etwa in norddeutschen Salzkavernen – nah künftiger Offshore-Windparks – ähnlich günstig Strom bereitstellen könnten.
Auch elektrochemische Speicher dürften nach Ansicht Sauers wichtig werden. Viele dieser Technologien werden nächste Woche auf der Hannover Messe gezeigt werden (s. Kasten). Zu den Akkus der Zukunft zählen Redox-Flow-Batterien. Hier fließen Elektronen zwischen zwei Lösungen mit Metallionen, zum Beispiel Vanadium. Je nach Größe der Akkus können kleine oder große Energiemengen gespeichert werden.
Hinzu kommen dezentrale Speicher. Diese „Speicher für jedermann“ würden spätestens dann entwickelt, wenn die 20-jährige Einspeisevergütung für viele Photovoltaikanlagen endet, so Sauer. „Es macht keinen Sinn, für 5 Cent/kWh Strom einzuspeisen und später für deutlich höhere Kosten Strom zu kaufen.“ Auch Batterien von Plug-in-Hybrid- und Elektroautos können genutzt werden, um Netzfluktuationen auszugleichen.
Diese verschiedenen Speicher werden miteinander im Wettbewerb stehen. Fahren etwa viele Elektrofahrzeuge, werden sie eine Leistung zur Verfügung stellen können, die in Konkurrenz zu Pump- und Druckluftspeichern treten kann. Für eine Firma, die einen zentralen Speicher baut, den sie 30, 40 Jahre lang abschreiben muss, kann das zu einem Finanzierungsproblem führen.
Energiespeicher auf Wasserstoffbasis können Kurzzeitspeicher ergänzen
Langzeitspeicher mit Wasserstoff oder darauf basierende Folgeprodukte werden die Kurzzeitspeicher ergänzen, glaubt Sauer. „In Salzkavernen lässt sich mit dem Gas 80-mal mehr Energie speichern als mit Druckluft.“ Die Energiespeicherung mit Wasserstoff wird rund 10 Cent/kWh kosten – bei Stromeinkaufskosten für den Prozess von 4 Cent/kWh.
Die meisten der Speichertechnologien sind noch nicht reif. Es muss geforscht, entwickelt, demonstriert und erprobt werden. Die Bundesregierung hat das erkannt. So fördert das Bundeswirtschaftsministerium im Rahmen des 5. Energieforschungsprogrammes die Entwicklung von Hochleistungslithiumbatterien mit Nanopartikeln. Und das Bundesumweltministerium hat die „Optimierung der Energieversorgungssysteme“ zu einem eigenständigen Förderschwerpunkt erklärt und seit 2008 für 34 Projekte rund 40 Mio. € bewilligt.
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