Stromversorgung 02.09.2011, 12:08 Uhr

Energiespeicher sind das ungelöste Problem

„Speicher sind das ungelöste Problem der elektrischen Energieversorgung.“ Das machte der Nürnberger Hochschulprofessor Horst Küch seinen Energietechnikstudenten schon vor 30 Jahren klar. An dieser Tatsache hat sich, verfolgt man die aktuelle Diskussion um die Energiewende, wenig geändert. Neue Ansätze gibt es, aber Experten sind sich noch uneins über den richtigen Weg.

„4 GW nicht übertragbare Leistung gibt es laut unserer ‚Netzstudie 2‘“, weiß Hannes Seidl, stellvertretender Bereichsleiter Energiesysteme und Energiedienstleistungen der Deutschen Energieagentur (Dena). Viel Energiepotenzial, das in die Netze der deutschen Nachbarländer abgeschoben werden muss, wenn der momentane Stromverbrauch gerade unter der Stromerzeugung liegt. Weshalb bei viel Windkraftstrom im Norden, bei hoher Solarerzeugung im Süden innerhalb unseres Landes ein Ausgleich geschaffen werden soll: durch viele 100 km Höchstspannungsleitungen, so der politische Wille.

Schnelle Lösungen wären da gefragt. Eine Idee kommt von Oliver Mayer vom Forschungszentrum Garching von General Electric (GE) bei München. Laufwasserkraftwerke könnten den Überschussstrom speichern und bei stärkerem Bedarf wieder abgeben. Man müsste „nur“ die Staustufen in den großen Flüssen von den Netzleitwarten aus regeln können, erklärte Mayer in Nürnberg auf dem Kongress „Energiespeicher für die zukünftige Stromversorgung“ des Bayerischen Clusters Energietechnik.

Das Prinzip laut GE-Forscher Mayer: Die Turbinen werden im Normalfall nicht – wie üblich – auf einer mittleren Leistungsstufe mit geringerem Wasserdurchsatz betrieben, sondern bei Spitzenstrombedarf für einige Minuten bis zu einer Stunde auf Volllast hochgefahren. Das würde, hat Mayer errechnet, allein am oberbayerischen Inn eine Regelenergie von knapp 150 MWh ergeben – und zwar ohne technischen Umbau der Kraftwerke. Doch es gibt ein bürokratisches Problem: Ein Aufstauen des Oberwassers um 10 cm oder 20 cm sieht die Genehmigung der Kraftwerke nicht vor. Ein neues, langes Verfahren sei zu durchlaufen. Mit Prüfung aller Umweltaspekte aus heutiger Sicht würde es wohl viel kosten, die neuen Auflagen umzusetzen. Mayers Lösungsvorschlag: ein Umdenken aller Beteiligten, vor allem der Wasserwirtschaftsämter.

Experten sehen für unterirdische Gasdruckspeicher keine Zukunft

Kaum Chancen auf Realisierung haben aus Expertensicht die unterirdischen Gasdruckspeicher. Der Wirkungsgrad wurde zwar von einst 42 % auf heute über 70 % erhöht, weiß Peter Radgen, Technologieentwickler bei E.on, doch beim Stromerzeugungspreis können Druckluftkraftwerke immer noch nicht mit anderen Speichern konkurrieren; „die Erlöse reichen nicht aus, um die Kosten zu decken.“ Zudem stünden die vorhandenen unterirdischen Kavernen in Konkurrenz zu Technologien wie Erdgaslagerung oder der unterirdischen CO2-Speicherung, in deren Entwicklung Radgen inzwischen gewechselt ist.

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Für Wasserstoff (H2) sieht Manfred Waidhas von Siemens große Chancen, selbst wenn „H2 einen sehr schlechten Wirkungsgrad hat. Doch der ist nur Teil einer gesamten Kostenbetrachtung.“ Vorteil von Wasserstofff: „Die Verteilstruktur. Er lässt sich nicht nur in Untergrundkavernen speichern, sondern auch im Erdgasnetz zumischen.“ Und deshalb über die Republik verteilen, ohne das Stromleitungsnetz zu erweitern.

Batterien als Energiespeicher machen Hoffnung 

Bei Batteriespeichern scheint sich ebenfalls etwas zu bewegen, auch wenn die großen Kapazitäten nicht verfügbar sind. Holger Schuh von Saft Batterien sieht bereits den „Einstieg in die MW-Klasse“ durch die „Entwicklung großformatiger Lithium-Ionen-Energiespeichersysteme“.

Einen 5-MWh-Lithium-Ionen-Akku hat Saft Batterien für ein Inselnetz auf der im Indischen Ozean gelegenen französischen Insel Réunion produziert, eingebaut in neun 20-Fuß-Container. Der Modulaufbau der Akkus lasse es zu, Verbrauch und Speicher aufeinander abzustimmen. Auf Réunion würden 20 % des erzeugten Wind- und Solarstroms zwischengespeichert. Bei Batterieverlusten von 10 % bis 20 % gingen gerade einmal 2 % bis 4 % der Energie verloren; man sei auf einem guten Weg, meint Schuh.

Noch größere Strommengen können Vanadium-Redox-Flow-Batterien speichern, erklärt Norbert Menke von der Gildemeister-Tochter A+F aus Würzburg. Das Prinzip: In zwei Tanks werden „positive und negative Energieträger“ gelagert; je größer das Gefäß, desto mehr Energie. Eine elektrochemische Zelle produziert daraus Strom und gibt ihn möglichst an eine Inselversorgung ab, also an Stromverbraucher, die bisher keinen Stromnetzzugang haben. Aber auch, um den Ausbau von Stichnetzen zu vermeiden, sind laut Menke Redox-Flow-Akkus geeignet. Die Größe der Zelle bestimmt die mögliche Spitzenleistung, die das System liefern kann.

„Langzeitspeicher sind dadurch nicht zu realisieren; das geht nur chemisch“, glaubt Jochen Fricke, der Sprecher des Clusters Energietechnik Bayern. Und diese Technologien – oft wird Wasserstoff genannt – sind auch nach Jahrzehnten der Forschung noch nicht wirklich großtechnisch verfügbar.

Energiespeicher: Sachverständiger Faulstich plädiert für Pumpspeicherkraftwerke in Norwegen

Martin Faulstich sitzt dem Sachverständigenrat für Umweltfragen der Bundesregierung vor. Er plädiert für die Nutzung vorhandener Kapazitäten: „Pumpspeicherkraftwerke in Norwegen nutzen“, schlägt er vor. „Wir könnten dort 80 TWh Zwischenspeicher nutzen“ – bei einem Jahresbedarf in Deutschland von 500 TWh Strom. Das würde am schnellsten funktionieren, nur die notwendigen Leitungsverbindungen zwischen dem Festland und Skandinavien müssten her.

Hierzulande schlägt Faulstich „als dezentrale Speicher ausgediente Batterien aus Elektromobilen“ vor. Auch eine Veränderung der bestehenden Stromversorgungsdreiteilung – Erzeugung, Netz, Vertrieb – würde helfen: „Private Investoren könnten Speicher aufbauen und Marktteilnehmer werden. Dazu müsste es ein Umdenken bei den Netzbetreibern geben, die sich zurzeit um die Speicher kümmern müssen.“ Zumal sich ein Wettbewerb um Speicherkapazität „positiv auf den Preis auswirken würde“, wie der Rohstoff- und Umweltexperte weiß. Trotzdem: Das deutsche Stromnetz müsse gleichzeitig erheblich ausgebaut werden.

Doch vor dem Ausbau von Speichern und Netzen müsse Energiesparen stehen. „Es gibt 20 verschiedene Arten, um Energie zu sparen, von denen jede ein paar Prozent bringt. Bei der privaten Solarstromerzeugung sollten wir die Energie zuerst im Haus nutzen und nur den Überschuss ins Netz einspeisen“, fordert Faulstich.

Ein Beitrag von:

  • Heinz Wraneschitz

    Freier Fachjournalist in der Metropolregion Nürnberg. Der Ingenieur für Elektrische Energietechnik arbeitet viele Jahre in der Industrie, u.a. Zentrumsleiter für ein herstellerunabhängiges Solarberatungsunternehmen. Seit 2005 ist er mit dem Redaktionsbüro bildtext.de hauptberuflich journalistisch tätig. Seine Themen sind Umwelt, Energie und Wirtschaft.

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