Großwärmepumpen: Fernwärme als Alternative zur Wärmepumpe für jeden
Aktuell verzeichnet die Nutzung kleiner, luftbasierter Wärmepumpen einen bemerkenswerten Boom. Jedoch wäre eine Wärmeversorgung durch Fernwärme und den Einsatz entsprechender Großanlagen weitaus effizienter und zukunftsweisender. Das ist das Ergebnis einer Studie des Fraunhofer IEG.
Vor einigen Tagen berichteten wir darüber, dass in Dänemark die weltgrößte Wärmepumpe gebaut wird, um bis zu 100.000 Menschen zu versorgen. Da stellt sich die Frage, warum das nicht auch in Deutschland so passiert, anstatt jeden Haushalt dazu zu nötigen, selbst eine teure kleine Wärmepumpe anzuschaffen. Gerade hat das Fraunhofer-Institut für Energieinfrastrukturen und Geothermie IEG für die Agora Energiewende das Potenzial solcher Großwärmepumpen untersucht. Das Ergebnis ist ermutigend, gleichwohl müssten noch einige Hindernisse beseitigt werden.
Was bedeutet Großwärmepumpe?
Großwärmepumpen sind Anlagen mit einer Heizleistung von mindestens 500 Kilowatt pro Einheit, die vor allem in Fernwärmenetzen verwendet werden. Verschiedene Studien haben gezeigt, dass für diese Art von Anlagen hauptsächlich oberflächennahe und tiefe Geothermie, Grundwasser-Aquifere, Grubenwasser sowie Abwärme von Industrieanlagen oder Rechenzentren genutzt werden können.
Die Studie des Fraunhofer IEG untersuchte, wie gut sich der Bedarf Deutschlands für Wärme und Warmwasser bis 200 Grad Celsius durch Großwärmepumpen decken lässt. Weiterhin analysierten die Forschenden, wie viele solcher Wärmepumpen bereits in Deutschland im Einsatz sind und welche Leistung sie erbringen. Schließlich untersuchte das Forschungsteam auch das Potenzial für Verbesserungen, zum Beispiel hinsichtlich erreichbarer Temperaturen, Wirkungsgraden, Flexibilität sowie dem Nutzen von Wärmequellen für diese Art von Anlagen.
Wie sieht es in Deutschland mit Fernwärme aus Wärmepumpen aus?
Bisher wird das Potenzial der Großwärmepumpen in Deutschland weitgehend ungenutzt. Zu Beginn des Jahres 2023 waren nur 30 Großwärmepumpen-Anlagen mit einer Gesamtleistung von etwa 60 Megawatt in Betrieb. Im Vergleich dazu leistet allein die weltgrößte Wärmepumpe in Dänemark 70 Megawatt. Dies verdeutlicht, dass die Technologie in Deutschland noch ein Nischenprodukt ist.
Schauen wir weiter: In den Vorreiterländern Norwegen und Schweden machen Großwärmepumpen bereits 13 bzw. 8 Prozent der Fernwärmeversorgung aus, während der europäische Durchschnitt bei 1,2 Prozent liegt. Deutschland verfügt über das längste Fernwärmenetz Europas, aber derzeit werden noch 80 Prozent der Energie dafür aus fossilen Brennstoffen erzeugt.
Neue Großewärmepumpen in Planung oder im Bau
In Deutschland sind derzeit mindestens 30 weitere Großwärmepumpenprojekte in Bau oder Planung, die insgesamt eine Leistung von etwa 600 Megawatt haben. Das ist immerhin ein Zeichen, dass die Nutzung von Großwärmepumpen weiter voranschreitet.
Allerdings ist es notwendig, bis 2045 mindestens 70 Prozent der Fernwärme in Deutschland durch solche Anlagen bereitzustellen. Um dieses Ziel zu erreichen, haben die Experten berechnet, dass ein durchschnittlicher jährlicher Ausbau von vier Gigawatt neuer Großwärmepumpenleistung bis 2045 erforderlich wäre. Basierend auf der typischen Leistungsverteilung bisheriger Anlagen würde dies etwa 340 bis 410 Großwärmepumpen entsprechen. Dies verdeutlicht den erforderlichen Umfang der zukünftigen Entwicklung in diesem Bereich.
Wärmebedarf könnte gedeckt werden
Laut dem Forschungsteam des Fraunhofer IEG könnte Deutschland seinen gesamten Wärmebedarf für Temperaturen bis 200 Grad Celsius aus nachhaltigen Quellen wie oberflächennaher und tiefer Geothermie, Abwärme und Wasserwärme decken. Die Berechnungen zeigen, dass das Potenzial der über Großwärmepumpen nutzbaren Wärme bei etwa 1.500 Terawattstunden liegt. Demgegenüber steht ein jährlicher Wärmebedarf für Temperaturen bis 200 Grad Celsius von insgesamt etwas über 1.000 Terawattstunden, wie aus der Studie hervorgeht.
Zur Einordnung: Laut den Autoren der Studie sind Wärmeanwendungen bis 200 Grad Celsius für drei Viertel des deutschen Erdgasverbrauchs und über ein Viertel der Treibhausemissionen verantwortlich. Durch Umstellung auf Großwärmepumpen könnte man die Energiewende daher sehr gut voranbringen.
„Deutschland verfügt über mehr Umwelt- und Abwärmequellen als wir brauchen, um den gesamten Wärmebedarf für Temperaturen bis 200 Grad zu decken“, sagt Simon Müller von Agora Energiewende. „Mit Großwärmepumpen werden diese Wärmequellen großflächig für die Fernwärmeversorgung und in der Industrie nutzbar.“ Schon heute könnten Großwärmepumpen die in Wärmenetzen und für die industrielle Prozesswärme benötigten Temperaturen bereitstellen.
Entlastung des Stromnetzes
Ein großer Vorteil von Großwärmepumpen-Anlagen besteht darin, dass sie das Stromnetz entlasten könnten. Um das Netz insbesondere während der Wintermonate nicht unnötig zu belasten, werden diese Anlagen nur dann aktiviert, wenn ausreichend Strom verfügbar ist. Die überschüssige Wärme wird in speziellen Großwärmespeichern zwischengespeichert. In Zeiten, in denen die regenerative Stromerzeugung gering ist und die Strompreise auf dem Markt hoch sind, kann die Wärme aus diesen Speichern genutzt werden.
Damit die Wärmespeicher optimal funktionieren, müssen sie so konzipiert sein, dass sie die maximale Wärmelast über einen Zeitraum von 15 bis 21 Stunden abdecken können. Dies ermöglicht eine effiziente Nutzung der gespeicherten Wärme. Das Forschungsteam erklärt, dass die Auslegung der Großwärmespeicher entsprechend diesen Anforderungen erfolgen muss. Durch die Kombination von Großwärmepumpen und Großwärmespeichern kann eine zuverlässige Versorgung mit Wärme gewährleistet werden, während gleichzeitig die Stromnetze entlastet und die Kosten optimiert werden.
Wie lässt sich der Ausbau vorantreiben?
Wie bereits erwähnt, sind weitere Großwärmepumpenprojekte in der Planung oder bereits im Bau. Allerdings ist ein erheblich größerer und schnellerer Ausbau erforderlich. Wie könnte ein solcher rascher Fortschritt erreicht werden? Die Studie identifiziert drei Voraussetzungen hierfür.
Die erste Voraussetzung ist ein klar definierter Ausbauplan, der auf verbindlichen kommunalen Wärmeplanungen basiert. Dies ist entscheidend, um Herstellern Planungssicherheit zu bieten und ihnen die Möglichkeit zu geben, ihr Angebot auf der Grundlage einer stabilen Nachfrage zu erweitern, erklären die Forscher.
Die zweite Voraussetzung knüpft an diesen Punkt an: Es wäre erforderlich, das Angebot an Wärmepumpen strategisch auszuweiten und die Effizienz in der Produktion zu steigern. Derzeit werden Großwärmepumpen häufig noch als individuelle Einzelanfertigungen hergestellt. Durch die Standardisierung der Produktionsprozesse könnte eine schnellere Hochskalierung der Produktion erreicht werden. Dies ist auch von zentraler Bedeutung für die Wettbewerbsfähigkeit der Branche, betonen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Es fehlt noch die dritte Voraussetzung, damit es mit dem schnellen Ausbau funktioniert. Dazu kommen wir jetzt.
Abbau von Preisnachteilen gegenüber fossilen Energieträgern
Die dritte Voraussetzung beinhaltet laut Studie den Abbau von Preisnachteilen im Vergleich zu fossilen Energieträgern. Ein wichtiger Schritt dafür wäre die Einführung von zeitvariablen Netzentgelten, die dazu führen würden, dass der Betrieb von Wärmepumpen in Zeiten mit ausreichendem Stromangebot kostengünstiger wird – dies hätte auch eine entlastende Wirkung auf das Stromnetz. Darüber hinaus müssen die langwierigen Genehmigungsverfahren und aktuellen Förderrichtlinien optimiert werden. Aktuell sind strombetriebene Großwärmepumpen im Vergleich zu fossil befeuerten Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen benachteiligt, wenn es um Fördermöglichkeiten geht.
„Mit einer Reform des Kraft-Wärme-Kopplungs-Gesetzes und einer Aufstockung des Förderprogramms für Wärmenetze lässt sich diese Schieflage beheben und die Wärmewende beschleunigen“, sagt Müller. „Es bleiben noch gut 20 Jahre bis zur Klimaneutralität. Deshalb brauchen wir dringend Anreize für grüne Wärmelösungen, statt den Hochlauf durch unabgestimmte Fördersysteme zu blockieren“.
Ein Beitrag von: