Es fließt: Weltgrößtes Suprakabel in Essen funktioniert fehlerfrei
„Es funktioniert“: So knapp und gleichzeitig beeindruckend lautet das Fazit des ersten Supraleiters, der seit einem halben Jahr Strom mitten durch Essen transportiert. Seit 180 Tagen funktioniert das weltweit längste Suprakabel. Und es ist kein Forschungsbetrieb. RWE nutzt das Kabel ganz regulär im Stromnetz der Ruhrgebietsmetropole.
„Der Betrieb verläuft bisher reibungslos”, freut sich Joachim Schneider, Technikvorstand der RWE Deutschland. Mit Betrieb meint Schneider das mit einem Kilometer längste Suprakabel, das weltweit im kommerziellen Einsatz ist. In Essens Untergrund liegt das extrem gut isolierte Rohr, in dem Minus 200 Grad herrschen und das Strom zwischen zwei innerstädtischen Umspannwerken austauscht.
Und genau das tut das Suprakabel jetzt seit 180 Tagen. Ohne jeden Zwischenfall. „Wir haben wertvolle technologische Erkenntnisse gesammelt, die uns dabei geholfen haben, das Gesamtsystem des Supraleiters weiter zu optimieren“, sagt Vorstand Schneider, ohne ins Detail zu gehen.
Flüssiger Stickstoff reicht zum Kühlen
Tatsächlich gehört das Projekt in die Kategorie „Abenteuer Technik“. Noch nie ist ein derart langes supraleitendes Kabel in ein normales Stromnetz integriert worden. Zudem gehört es zu den ersten, die die Hochtemperatur-Supraleitung (HTSL) nutzen. Dieses Phänomen haben Johannes Georg Bednorz und Karl Alexander Müller entdeckt und 1987 dafür den Physiknobelpreis bekommen. Derartige Leiter bestehen aus Keramik. Anders als metallische Supraleiter, die die Fähigkeit, Strom widerstandslos zu leiten, erst bei einer Temperatur nahe dem absoluten Nullpunkt von minus 273 Grad Celsius erreichen, begnügt sich die neue Materialklasse mit weitaus höheren Temperaturen. Dadurch genügt zum Kühlen flüssiger Stickstoff, der auf minus 196 Grad Celsius kommt. Das reduziert die Energiekosten fürs Kühlen.
Das Essener Kabel, geliefert von Nexans Deutschland in Mönchengladbach, ersetzte ein 110.000 Volt-Kabel. Weil es dem Strom keinen Widerstand entgegensetzt, genügt eine Spannung von 10.000 Volt. Trotzdem transportiert es fünfmal mehr Strom als sein Vorgänger. Bisher flossen rund 20 Millionen Kilowattstunden durch die eisige Strippe, das ist der Jahresverbrauch von 5000 Durchschnittshaushalten.
Rosige Aussichten für supraleitende Kabel
Das Kabel kostete mit 13,5 Millionen Euro weitaus mehr als ein konventionelles Stromkabel, das für etwa ein Fünftel zu haben gewesen wäre. Da es jedoch keine Transportverluste gibt, gleicht sich das ein wenig aus. Zudem war das AmpaCity genannte Projekt besonders teuer, weil es eine Weltpremiere war. Und deshalb hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie 5,9 Millionen Euro zugeschossen.
Experten des Karlsruher Instituts für Technologie glauben, dass in Städten immer mehr supraleitende Kabel installiert werden, wenn Hochspannungsleitungen erneuert werden müssen. Und dann könnten auch die Kosten sinken.
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