Forscher entwickeln Benzinzusatz aus Riesengras
Forschende haben Verfahren entwickelt, mit denen sich ein umweltverträglicher Benzinzusatz herstellen lässt. Anders als heute üblich sind dafür weder Nahrungs- noch Futtermittel nötig.
Gleich zwei Forschungsteams an deutschen Universitäten haben Verfahren zur Herstellung des Treibstoffs Ethanol aus Biomasse entwickelt, die weder als Nahrungs- noch als Futtermittel dient. Daniel Klüh, Doktorand von Matthias Gaderer, Professor für Regenerative Energiesysteme an der Technischen Universität München (TUM), der eins der beiden Verfahren gemeinsam mit Kollegen der Technischen Universität Lappeenranta-Lahti (LUT) in Finnland entwickelt hat, setzt auf Restholz als Ausgangsmaterial.
„Die Herstellung von Kraftstoffen aus erneuerbaren Quellen wie Holzresten oder erneuerbarem Strom wäre eine Möglichkeit, die Kohlenstoffemissionen des Verkehrssektors zu verringern“, sagt Klüh.
Kohlenstoffdioxid wird endgelagert
Andreas Kiesel vom Fachgebiet Nachwachsende Rohstoffe in der Bioökonomie an der Universität Hohenheim in Stuttgart, Koordinator des europäischen Projekts GRACE (Growing Advanced industrial Crops on Marginal Lands for Biorefineries) hat vor allem Miscanthus x giganteus im Visier. Das Besondere an Grace: Das bei der Herstellung des Ethanols anfallende Kohlenstoffdioxid wird in unterirdischen geologischen Formationen eingelagert. Das Verfahren hat also eine negative CO2-Bilanz.
„Der Gesamtprozess besteht überwiegend aus technisch ausgereiften Teilprozessen“, sagt Klüh. „Die Zusammensetzung der Prozessschritte und die finale Hydrierung von Essigsäure zur Ethanolgewinnung sind allerdings neu.“
In drei Schritten zum Ethanol
Im ersten Schritt wird die Biomasse wärmebehandelt und in ein Gemisch aus Kohlenstoffmonoxid (CO), Kohlenstoffdioxid (CO2) und Wasserstoff(H2) umgewandelt. Ein Teil des CO wird abgetrennt, der Rest in einen Reaktor geleitet, in den zusätzlich weiteres CO2 sowie H2 strömt. Den Wasserstoff liefert ein Elektrolyseur, der mit Ökostrom betrieben wird. Mit Hilfe eines Katalysators entsteht im Reaktor Methanol, das bereits als Treibstoff genutzt werden könnte. Da Ethanol einen höheren Energieinhalt hat und zudem bereits als Zusatz zu Benzin (E10) genutzt wird, die bisherige Infrastruktur also weiterhin genutzt werden kann, setzt das deutsch-finnische Team auf die Weiterverarbeitung zu Ethanol. Dazu fließt das Methanol in einen zweiten Reaktor, in den CO-reiches Gas geleitet wird. Dazu kommt Wasserstoff aus dem Elektrolyseur. Dieses Flüssigkeit-Gas-Gemisch verwandelt sich in Essigsäure. In einem dritten Prozessschritt entsteht durch Zugabe von Wasserstoff, ebenfalls aus dem Elektrolyseur, das gewünschte Ethanol. Für E10 wird es bisher weitgehend durch Vergären von Getreide oder Mais gewonnen, also Nahrungs- und Futtermitteln, was angesichts der Unterversorgung in vielen Teuiln der Welt vielfach kritisiert wird.
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Mit Enzymen und Mikroorganismen
Im Grace-Verfahren wird das Riesengras zunächst mit Hilfe von Dampf in Lignin und Cellulose aufgespalten. Enzyme wandeln dann die Cellulose in Glukose um, eine von vielen Zuckerarten. Den Rest der Arbeit erledigen Hefen oder Bakterien. Sie nutzen den Zucker für ihren Stoffwechsel, bei dem Ethanol frei wird. Der gleiche Prozess wird genutzt, um Trinkalkohol, Wein und Bier herzustellen. Zuletzt müssen nur noch Ethanol und Wasser voneinander getrennt werden.
Bioraffinerie-Modul in Kroatien
Beim Vergären von Zucker entsteht nebenbei noch Kohlenstoffdioxid. Dieser wird abgetrennt und endgelagert. Zusammen mit kroatischen Forschern entwickeln die Stuttgarter derzeit ein Bioraffinerie-Modul, in dem das neue Verfahren eingesetzt wird. Es wird in eine bestehende Ölraffinerie des Öl- und Gasunternehmens INA im kroatischen Sisak integriert. In der Nähe befinden sich ausgebeutete Erdöllagerstätten, in die das komprimierte CO2 gepresst wird. Es soll dort hunderte Jahre, vielleicht für ewig bleiben, möglicherwiese sogar kristallisieren, sodass es nie wieder mit der Atmosphäre in Berührung kommt. „Je nach Bilanzierungsansatz für die biologische Kohlenstoffspeicherung ist ein Reduktionspotenzial von mehr als 100 Prozent gegenüber dem EU-Vergleichswert für fossile Kraftstoffe wahrscheinlich“, sagt Jan Lask, der das Projekt an der Universität Hohenheim betreut.
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Miscanthus wächst auf mageren Böden
Schätzungen zufolge befinden sich in der Gespanschaft Sisak-Moslavina rund 60.000 Hektar ungenutzter landwirtschaftlicher Flächen, die zum Teil zur Produktion der Biomasse genutzt werden können, die für die Bioethanol-Herstellung notwendig ist. Miscanthus hat zum einen den Vorteil, dass es sehr schnell wächst, zum anderen benötigt es keine hochwertigen Böden, wie sie für den Anbau von Nahrungs- und Futterpflanzen benötigt werden. Gespanschaften sind Verwaltungseinheiten in Ungarn und Teilen des ehemaligen Jugoslawiens.
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