Fliegender Energiedrache macht Windrädern Konkurrenz
Er fliegt in 500 Metern Höhe und zieht ein lorenähnliches Fahrzeug mit einem Stromgenerator über einen Rundkurs: Ein Drache, den Uwe Ahrens entwickelt hat. Der deutsche Luft- und Raumfahrtingenieur will mit seiner fantasievollen Art der Stromerzeugung Windrädern Konkurrenz machen.
Lenkdrachen werden gemeinhin in die Sparte Spielzeug eingeordnet – völlig zu Unrecht, wie Uwe Ahrens findet. Der Berliner Luft- und Raumfahrtingenieur ist Gründer der Firma NTS Energie- und Transportsysteme und will Lenkdrachen als Energielieferanten einsetzen. Daran arbeitet er seit 2006. Inzwischen hat er zehn Mitarbeiter, und auch das Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung in Stuttgart ist mit eingestiegen. Derzeit sucht Ahrens nach Investoren, um seinen Plan voranzutreiben.
Das Konzept ist einfach: Die Drachen steigen in eine Höhe von je nach Windstärke 200 bis 500 Metern auf. Sie sind durch Seile mit speziellen Schienenfahrzeugen verbunden, die sich auf einem ovalen Rundkurs bewegen. In Windrichtung und mit Seitenwind werden die lorenähnlichen Fahrzeuge allein durch Windkraft betrieben, ein Generator an den Achsen erzeugt Strom. Auf dem Stück, auf dem Gegenwind herrscht, verwandelt sich der Generator in einen Elektromotor, der die Lore wieder in den Wind fährt – dort beginnt das Spiel von neuem. Auf einem einzigen Rundkurs können zudem mehrere Loren fahren: Ahrens spricht von sechs bis 24 Stück, abhängig von der Größe des Schienensystems.
Drache hat derzeit eine Leistung von 120 Kilowatt
Trotz des Energieeinsatzes auf der Gegenwindstrecke lohnt sich das System nach Uwe Ahrens‘ Berechnungen: Im Test wurde bisher eine Leistung von bis zu 120 Kilowatt erzielt. Theoretisch hat ein Drache eine Leistung von einem Megawatt und das auch noch deutlich billiger als mit den inzwischen schon klassischen Windrädern. Um das zu erreichen, müssen die Drachen entsprechend groß sein: Bis zu 400 Quadratmeter misst die Fläche jedes einzelnen, der aus rund 300 Kilo recyclebarem Kunststoff besteht. Ersetzt werden müssen sie laut Ahrens nach etwa sechs Monaten. Gehalten wird jeder Drache von vier Seilen, wie sie sich seit über 100 Jahren im Aufzugbau bewährt haben und die etwa alle drei Jahre ausgewechselt werden müssen.
Idealerweise fliegen die Drachen in 300 bis 500 Metern Höhe – hier herrschen selbst in eher windarmen Gebieten starke und vor allem konstante Winde. Sollte der Luftstrom stärker werden, wird die Flughöhe des Drachen nach unten angepasst. Erst bei Windstärke zehn müssen die Drachen eingeholt werden. Sollte trotz der Höhe doch einmal Flaute herrschen, schaltet die Lore wie bei Gegenwind auf Elektroantrieb um, so dass der Drache auch auf Durststrecken wie diesen in der Luft bleibt – genauso wird ein Drache auch gestartet.
Laut NTS Energie- und Transportsysteme schafft die Drachenanlage so auch rund 5000 Betriebsstunden im Jahr. Ein normales Windrad an Land verzeichnet maximal die Hälfte. Das schlägt sich auch in den Kosten nieder: Eine herkömmliche Windkraftanlage in einer guten Inlandslage produziert Strom für sechs bis acht Cent pro Kilowattstunde. Uwe Ahrens rechnet mit drei bis fünf Cent – knapp über dem derzeitigen Preis für Kohlestrom.
Energiedrachen gelten als Luftfahrthindernis
Noch einen weiteren Vorteil haben die Drachen gegenüber Windkraftanlagen, und auch dieser hat mit ihrer großen Flughöhe zu tun: Vom Boden sind sie kaum sichtbar. Gerade einmal so groß wie ein 20-Cent-Stück erschienen die Drachen in ihrer normalen Höhe, vergleicht Uwe Ahrens, und die Seile seien schon in geringer Höhe so gut wie gar nicht mehr erkennbar. Zudem würden der Schattenwurf und der so genannte Discoeffekt durch die regelmäßig schattenwerfenden Rotorblätter entfallen. Dazu seien die Loren deutlich leiser als die Windmühlen, und selbst den Innenraum des Rundkurses können man zum Beispiel landwirtschaftlich nutzen, wenn ein Tunnel unter den Schienen hindurchführte.
Einen Haken gibt es allerdings auch: Die Drachen fliegen so hoch, dass sie als Luftfahrthindernis gelten, in Flugkarten eingetragen und mit Warnlichtern ausgestattet werden müssen. Allein für seine Teststrecke habe er fünf Jahre lang mit mehr als einem Dutzend Behörden verhandeln müssen, so Ahrens.
Nächster Schritt: Rundkurs von 700 Metern
Derzeit laufen Versuche auf einer 400 Meter langen Teststrecke in Mecklenburg-Vorpommern. Allerdings ist die Strecke gerade, und die Loren müssen nach jedem Flug wieder an den Ausgangspunkt zurückgefahren werden. Deshalb planen Ahrens und sein Team jetzt einen Rundkurs von 700 Metern, um eine durchgängige, vollautomatische Stromproduktion zu erreichen. Voraussetzung für die ambitionierten Pläne ist, dass genügend Investoren zusammenkommen, die NTS derzeit unter anderem über eine Mikroinvest- und eine Crowdfunding-Plattform sucht.
Bewährt sich das System in der Praxis, stehen erste kommerzielle Projekte an. Eine Energiegenossenschaft hat Interesse an einer Anlage in Mecklenburg-Vorpommern mit einer Leistung zwischen sechs und 24 Megawatt angemeldet, bei einer Rundkurslänge zwischen 1,2 und 5 Kilometern. Baubeginn könnte schon im kommenden Jahr sein. Auch aus Kasachstan und Südafrika gab es bereits Anfragen.
Ein Beitrag von: