Forscher entwickeln energieautarke Sensorsysteme für rauen Untertageeinsatz
Unter den erneuerbaren Energiearten kommt der Geothermie und der dazu erforderlichen Tiefbohrtechnik wachsende Bedeutung zu. Lagerstätte und Speichergestein müssen genau bekannt sein. Eines der wichtigsten Detailprobleme könnte mit einer Entwicklung von Forschern aus dem Ruhrgebiet jetzt gelöst sein: Sensoren zuverlässig und effizient über längere Zeit vor Ort im Bohrloch mit Energie zu versorgen.
Bereits während einer geothermischen Erkundung beim Niederbringen eines Bohrlochs geht es um die In-situ-Charakterisierung. Welche Temperatur, welche Feuchte, welche seismischen und chemischen Bedingungen herrschen vor Ort? Während der anschließenden Produktionsphase muss ein Langzeitmonitoring erfolgen, um zuverlässig Wärme aus dem Untergrund ernten zu können.
Die Betreiber eines solchen geothermischen Reservoirs brauchen dazu spezifische, hochauflösende Sensoren. Diese sollen über eine autarke und möglichst langzeitverfügbare Energieversorgung der Bohrlochsonden sowie der kleinkalibrigen Sonden zuverlässig betrieben werden können. In der Regel müssen sie druck- und vor allem temperaturstabil sein. Eine wirkliche Herausforderung für die Ingenieure, der jetzt Wissenschaftler aus dem Ruhrgebiet nachgegangen sind.
Das Institut für Angewandte Energiesysteme (ESYS) der Westfälischen Hochschule Gelsenkirchen und der Hochschule Bochum entwickelt zurzeit mit dem Internationalen Geothermiezentrum in Bochum das Brennstoffzellen-System Geofuelcells. „Ein wichtiger Teilaspekt dieser Aufgabenstellung ist der Aufbau von unter Tage autark – und hier vor allem energieautark – agierenden Sensorsystemen“, erläutert ESYS-Direktor Michael Brodmann.
Rolf Bracke, Leiter des Geothermiezentrums, ergänzt: „Das können Temperaturfühler sein. Aber auch alle anderen Arten von physikalischen, seismologischen, hydraulischen oder chemischen Sensoren zur Bestimmung der Gesteins- und Fluideigenschaften in einem tiefen Bohrloch mit Temperaturen oberhalb von 140 °C.“
Lithium-Ionen-Batterien halten hohe Temperaturen nicht aus
Bis zu diesem Temperaturniveau von 140 °C setzt die Erdöl- und Erdgasindustrie in der Regel Lithium-Ionen-Batterien zur Versorgung ihrer Bohrlochsensorik ein. Diese halten die höheren Temperaturen in geothermischen Bohrlöchern jedoch nicht aus. Auch kabelgebundene Systeme sind bei Tiefen von bis zu 5000 m nicht mehr einsetzbar.
Der Langzeiteinsatz derartiger Sensorsysteme unter Tage stellt an entsprechende Energiespeicherungs- bzw. -gewinnungssysteme Anforderungen, die häufig durch konventionelle Energiespeicher nicht erfüllbar sind. So können sich zum Beispiel Batteriesysteme selbst entladen. Oder für einen Langzeiteinsatz sind Stromspeicherdichten zu gering. In anderen Systemen ist die Temperaturbeständigkeit nicht gegeben.
„Im Rahmen dieses Projekts soll daher ein energieautarkes modulares Sensorsystem für unterschiedliche Einsatzmöglichkeiten aufgebaut werden“, so Brodmann. „Ziel ist hierbei, Überwachungs- und Erkundungsaufgaben unter Tage mithilfe eines Rechnersystems durchzuführen, das hinsichtlich seines Energieverbrauchs optimiert und von einer brennstoffzellenbasierten Energieversorgung versorgt wird.“
Die Stromversorgung durch ein integriertes Brennstoffzellenmodul ist der eigentliche Clou des Systems. Es ist temperaturbeständiger als Batterien, kompakt, je nach benötigter Energie modular erweiterbar und benötigt keine Versorgungsleitung. Bracke: „Im ersten Schritt wird die Brennstoffzelle eine Leistung von circa 40 W abgeben. Final denken wir an 300 W bis 400 W. Dies ist jedoch mehr oder weniger eine Frage der Dimensionierung der Stacks.“
Forscher entwickelten Brennstoffzellensystem als Energiequelle
Für die autarke Langzeitversorgung der Bohrlochsensorik mit elektrischer Energie wurden in der Vergangenheit unterschiedliche Ansätze – bis zum Untertageeinsatz von Atombatterien – betrachtet. Im Verlauf des Geofuelcells-Vorhabens soll nun ein PEM-Brennstoffzellensystem entwickelt werden, das unter den rauen Umgebungsbedingungen unter Tage diese Aufgabe übernimmt.
Brodmann: „Damit wird es möglich, die Vorteile der im Vergleich zu konventionellen Batteriesystemen größeren, im Wasserstoff gespeicherten Energiemenge pro Volumen für diese Technik nutzbar zu machen. Zudem ergibt sich eine leichte Skalierbarkeit des Systems, weil die Größe des Wasserstofftanks die Energiemenge bestimmt, die Brennstoffzellengröße hingegen durch die benötige Leistung vorgegeben ist.“
Bei der Bohrlochsensorik sind zwei Verfahren zu unterscheiden: zum einen die Versorgung einer Sensoreinrichtung während des Bohrvorgangs, deren Aufgaben die Vorortüberwachung des Bohrvorgangs und die geowissenschaftliche Strukturaufklärung sind. Diese Verfahren werden für vielfältige tiefbohrtechnische Prozesse in der Kohlenwasserstoffindustrie, der Geothermie und zukünftig wohl auch in der CCS-Technologie (Carbon Capture and Storage) eingesetzt werden.
„Zum anderen gilt es in vielen Fällen“, ergänzt Rolf Bracke, „im Nachgang des Bohrvorgangs eine kontinuierliche Überwachung der Umgebungsbedingungen im Bohrloch durchzuführen zum Beispiel die Überwachung des Grundwasserchemismus im Bereich von Sanierungsgebieten – das heißt im Umweltschutz – oder die kontinuierliche Überwachung von Trinkwasserbrunnen.“ Hier würde der Einsatz von konventionellen Batteriesystemen ein großes Risiko darstellen. Vor allem bei der kontinuierlichen Überwachung in Gebieten, in denen keine dauerhaften und einfachen Energieversorgungsmöglichkeiten existieren, wird die Bedeutung energieautark arbeitender Überwachungssysteme besonders deutlich. Dazu gehören zum Beispiel dauerhafte Erschütterungsmessungen in erdbebenaktiven Gebieten und andere Anlagen, nachdem die Tiefbohranlage abgebaut ist.
Im Augenblick geht es den Forschern in Gelsenkirchen und Bochum um die Konstruktion einer Brennstoffzelle mit hoher Leistungsdichte für einen Betriebstemperaturbereich zwischen 50 °C und 80 °C. Erst wenn diese erprobt und funktionssicher ist, werden Sensoren für höhere Temperaturen entwickelt, und damit auch für tiefengeothermische Anwendungen.
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