Forscher entwickeln ultraeffizientes Gewerbegebiet
Die Stadt Rheinfelden in Baden könnte mit dem geplanten ultraeffizienten Gewerbegebiet ein Leuchtturmprojekt schaffen. Forscher haben dafür ein Konzept entwickelt, von dem Umwelt, Anwohner und Firmen gleichermaßen profitieren sollen.
Rheinfelden kann als Stadt auf eine besondere Geschichte zurückblicken. Durch den Bau des Laufwasserkraftwerks Ende des 19. Jahrhunderts erlebte Rheinfelden eine Blüte. Denn das Kraftwerk zog Industriebetriebe an, die besonders energieintensiv waren. Zugleich wurden Menschen benötigt, die in den Betrieben arbeiteten. So entstanden Arbeitersiedlungen. Das Laufwasserkraftwerk ist nach wie vor in Betrieb und beschert der Stadt noch immer jede Menge Strom. Forscher der drei Fraunhofer-Institute für Produktionstechnik und Automatisierung (IPA), für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) sowie für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik (IGB) sahen in dem Kraftwerk eine gute Voraussetzung, ihr Vorhaben eines stadtnahen ultraeffizienten Gewerbegebietes konkret umzusetzen.
„Anstatt den Überschussstrom wie bisher ins Netz einzuspeisen oder einfach die Turbinen abzuschalten, könnte er künftig im gesamten Stadtgebiet Ladesäulen für Elektrofahrzeuge mit Energie versorgen“, erläutert Projektleiter Ivan Bogdanov die Ideen der Forschergruppe.
Mehrere Monate untersuchten die Wissenschaftler die Industriegebiete am östlichen Stadtrand und die Gewerbegebiete im Stadtteil Herten. Ihre Ziele: Abfall, Abwasser und Abluft möglichst ganz vermeiden. Um ein ultraeffizientes Gewerbegebiet zu schaffen, wie sie es selbst nennen, entwickelten sie fünf Handlungsfelder.
- Material: Die Unternehmen sollen ressourcenschonend wirtschaften, Stoffkreisläufe aufbauen und so viele Reststoffe wie eben möglich weiterverwerten.
- Energie: Wenn es gelänge, mehr regenerative Energiequellen einzubinden, könne man überschüssige Energie speichern und an anderer Stelle verwenden.
- Emissionen: Als Ziel wollen die Wissenschaftler es erreichen, Abfall, Abwasser, Abluft und Lärm möglichst komplett zu vermeiden.
- Mensch / Personal: Kurze Arbeitswege sowie flexible, kooperative Arbeitszeitmodelle sorgen für Effizienz. Zugleich bietet auch die Einbindung sozialer Einrichtungen in Gewerbegebiete neue Möglichkeiten der Kooperation.
- Organisation: Sollte es möglich sein, Dienstleistungen und Einrichtungen unternehmensübergreifend gemeinsam zu nutzen, dann profitieren alle.
Diese 5 Handlungsfelder haben die Forscher in den Mittelpunkt ihrer Arbeit gestellt.
Ressourcen gemeinschaftlich nutzen
Wichtig war ihnen dabei, nicht nur neue Ideen zu entwickeln, sondern auch an bestehende Infrastrukturen und Kooperationen anzuknüpfen. Ein Beispiel zeigt das lokale Leitungsnetz, das mehrere Industriebetriebe miteinander verbindet und über das Wasserstoff ausgetauscht wird. In dieses Leitungsnetz könne künftig auch eine Wasserstofftankstelle integriert werden, mit der Brennstoffzellen-Fahrzeuge betankt würden. Unternehmen, die Plastik für ihren Produktionsprozess benötigen, könnten ihn von benachbarten Firmen beziehen, bei denen dieser Rohstoff als Abfall anfällt. Damit spare man weite Wege, die sonst für die Beschaffung des Primärrohstoffs nötig seien. Dadurch entstünde ein eigener, geschlossener Kreislauf für Kunststoffe, so die Vision der Forscher.
Die Abwärme aus der chemischen Industrie wird aktuell in Rheinfelden schon gut genutzt – sie beheizt Schulen im Ort. Darüber hinaus könnte sie in Zukunft Gewächshäuser passend temperieren, welche das Konzept der Wissenschaftler für Dächer von Fabrikgebäuden vorsehen. Die Pflanzen wären ein möglicher Kohlendioxid-Abnehmer, um die Emissionen in der Stadt weiter zu reduzieren.
Diese Gewächshäuser könnten ebenso dazu beitragen, dass sich die Stadt zumindest zum Teil selbst mit Obst und Gemüse versorgen könne. Die Folge: Es müssten weniger Lkw in die Stadt fahren, um Supermärkte und Geschäfte zu beliefern. Um den Straßenverkehr im privaten Sektor zu verringern, regen die Forscher eine Plattform für Mitfahrgelegenheiten an. Generell verfolgen die Wissenschaftler stark die Idee, vorhandene Ressourcen gemeinschaftlich zu nutzen. Bei der Feuerwehr funktioniert dies schon, ebenso wie bei einer Firmenkantine, die auch anderen Firmen offensteht. Zusammenlegen ließen sich zum Beispiel die verschiedenen Fuhrparks der Firmen oder auch Rechenzentren. Personal wie Energie- und Umweltmanager, Arbeits- und Brandschutzbeauftragte, Reinigungsdienste und Gärtner könnten sich Unternehmen ebenfalls teilen.
Konzept mir praxisnahen Ideen
Ihr Konzept haben die Forscher in enger Zusammenarbeit mit der Stadt und den Unternehmen vor Ort entwickelt. Es enthält ihrer Auffassung nach deshalb zahlreiche praxisnahe Ideen. Das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg förderte die Erstellung des Konzepts im Rahmen des Forschungsprojekts „Ultraeffizienzfabrik – Symbiotisch-verlustfreie Produktion im urbanen Umfeld“ mit rund 250.000 Euro. Wollen die Stadt Rheinfelden und die lokalen Unternehmen das Konzept tatsächlich umsetzen, müssen sie dies auf eigene Rechnung tun.
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