Windkraft 05.11.2010, 19:49 Uhr

Freizeitkapitäne kappen Offshore-Stromkabel

Für Ingenieure gibt es auf dem Meer reichlich Arbeit. Das zeichnete sich auf der ersten Fachkonferenz des VDI-Wissensforums zu Offshore-Windenergieanlagen Ende Oktober in Bremerhaven ab. Wesentlichen Einfluss auf technische und wirtschaftliche Berechnungen haben die Umweltbedingungen. Eine Achillesferse im laufenden Betrieb sind rund um England die Kabel.

„Es gibt bei Ingenieuren, die bereits in der Windenergie arbeiten, einen hohen Bedarf, sich auszutauschen und über den eigenen Tellerrand hinaus ein Gefühl für die gesamte Komplexität zu bekommen“, erklärte Hans-Gerd Busmann, Leiter des Fraunhofer-Institutes für Windenergie und Energiesystemtechnik (Iwes). Im Kern geht es darum, funktionierende Lösungen für einen wirtschaftlichen Bau und Betrieb von Offshore-Windparks zu entwickeln sowie Banken und Versicherungen von den technischen Konzepten zu überzeugen.

Das Lastenheft der Versicherungen an die Ingenieure ist lang: So sollten die Gewährleistungen auf Umspannwerke, Kabel, Anlagen und Fundamente inklusive aller Logistikkosten mindestens fünf Jahre betragen und das Schlechtwetterrisiko zudem beim Auftraggeber liegen. Auf dem Wunschzettel stehen doppelte Condition-Monitoring-Systeme für Rotorblätter, Partikelfilter, mit Sensoren gespickte Triebstränge, Generatoren und Getriebe, der beste Blitzschutz oder eine 24-Stunden-Notstromversorgung.

Mit Argusaugen sehen die Versicherer auch auf die Kabel. „Hier geht es um den Schutz kritischer Stellen, wie die richtige Lage der Kabel geprüft wird oder Reparaturkonzepte aussehen“, erläuterte Ralf Skowronnek vom internationalen Versicherungsmakler Marsh.

Aus gutem Grund: Bisher entfielen 80 % der Offshore-Schäden auf Kabel, aber nur 20 % der Fehler traten bei der Verlegung auf. „Der Rest sind Ankerschäden, die vor allem rund um England durch Freizeitkapitäne auftreten, obwohl das Befahren der Windfarmen verboten ist. Außerdem spülen sich in einigen Parks die Kabel wieder frei. Das ist ein echtes Problem und macht unbedingt ein Kabelmonitoring erforderlich“, zeigte Skowronnek bereits auf die nächste Baustelle für die Windenergiebranche.

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Auf der Kostenseite steht bei Offshore-Windkraftanlagen vor allem die Aufbaulogistik. Die schlägt nur bei Errichterschiffen mit bis zu 200 000 € pro Tag zu Buche. Gleichzeitig verläuft der – politisch gewollte – Aufbau eher langsam und ist durch Umweltfaktoren limitiert.

Daher will die Windsparte von Siemens bald mit einer neuen Flotte auf den Markt. Der Plan sieht einen fließenden Prozess von Fließbandfertigung und Errichtung vor. Dabei sollen die Schiffe gleich mehrere fertige Windkraftanlagen in ein Baufeld transportieren können.

„Die Bauphase muss mit effizienteren Methoden und Schiffen deutlich reduziert werden“, erklärt Jesper Müller von Siemens Windpower auf der Fachkonferenz des VDI-Wissensforums zu Offshore-Windenergieanlagen Ende Oktober in Bremerhaven. „Wenn der Netzanschluss, die Fundamente und die Innerparkverkabelung stehen, wollen wir eine Windkraftanlagen an einem halben Tag errichten und gleich anschließen. Das reduziert die Kosten für Auftraggeber erheblich“, stellte er die Strategie vor. Dazu gehört der Aufbau der Serienfertigung von 6-MW-Maschinen in England.

Zentral sind im Betrieb die Zuverlässigkeit und Erreichbarkeit von Windkraftanlagen. Statistiken für die Windenergie an Land zeigen, dass die häufigsten Fehler auf Störungen der elektrischen Systeme, dem Ausfall von Sensoren oder Kontrolleinheiten beruhen.

Statistische Auswertungen der wenigen greifbaren Daten von Offshore-Windparks liefern ein geteiltes Bild. Bei Windparks, die mit Anlagen bis 2,3 MW ausgerüstet sind, liegt die Verfügbarkeit zum Teil bei über 90 %. In der 3-MW-Klasse schrammen die Projekte maximal die 80 %-Marke. Weil die Erreichbarkeit von Offshoreanlagen eine Frage des Wetters ist, sind neue Instandhaltungsstrategien und Monitoringsysteme nötig.

„Wir müssen Betriebsdaten sammeln und auswerten, um die Zustandsüberwachung zu verbessern“, sagte Holger Huhn, Leiter des Bereiches Technische Zuverlässigkeit beim Iwes. Doch das ist problematisch. Bisher beziehen Wissenschaftler ihre Werte aus den öffentlich zugänglichen Messergebnissen der Forschungsplattformen in Nord- und Ostsee wie Fino I direkt neben dem Testfeld Alpha Ventus. Beim Zugriff auf harte Daten aus den Anlagen im Testfeld wurde bisher gemauert und von Konferenzteilnehmern kritisiert, dass es zwei Jahre gedauert habe, um Herstellern eine verbindliche Mitarbeit abzuringen.

Gleichzeitig sollen die Anlagen optimale Erträge liefern und möglichst wenige Servicetechniker per Schiff oder mit teuren Helikopterflügen zum Einsatz kommen. „Die Konzepte müssen darauf hinauslaufen, dass nur einmal im Jahr eine Wartung fällig wird“, sagte Claus Burkhardt, der bei der EWE AG den Betrieb von Alpha Ventus verantwortet.

Der Hamburger Windkraftanlagenbauer Repower lässt eine eigene Serviceflotte mit Hubplattform, Überstiegssystemen und Transportschiff bauen, damit die Aufwendungen nicht aus dem Ruder laufen. Derzeit liegen die Servicekosten zwischen 2 Cent/kWh und 3,3 Cent/kWh. „2,5 Cent sind die Grenze, um wirtschaftlich zu arbeiten“, sagte Christian Müller, Bereichsleiter Offshore.

Eine Hürde sind die Wellen. Gängige Arbeitsboote und Zugangssysteme sind nur bis zu einer Wellenhöhe von 1,5 m einsetzbar. Nur wird die selten unterschritten. Daher öffnen sich längere Zeitfenster nur von April bis September. „Statistisch gesehen lassen sich Arbeitsschiffe ein halbes Jahr nicht einsetzen und beim Rest der Zeit sind die Bedingungen zum Teil grenzwertig. Gleichzeitig rechnen wir durchschnittlich mit 8000 Überstiegen im Jahr. Deshalb muss sich die Abhängigkeit vom Wetter reduzieren“, machte Müller deutlich. Wirtschaftlich sei die neue Serviceflotte, wenn 240 Maschinen stehen. Bisher hat Repower 14 Windkraftanlagen errichtet. Derlei Konzepte dürften die Versicherungen freuen, denn sie wollen möglichst viele Risiken abladen.

TORSTEN THOMAS

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