Fusionsreaktor Wendelstein 7-X hat erstes Plasma erzeugt
Es ist geglückt: Wissenschaftler haben im Fusionsreaktor Wendelstein 7-X in Greifswald das erste kurze Plasma erzeugt. Diesem Tag haben sie 20 Jahre lang entgegen gefiebert. Was sie jetzt vorhaben, soll noch viel spektakulärer sein.
High-Noon in Greifswald: Gestern Mittag um Punkt 12.00 Uhr startete Projektleiter Thomas Klinger den Countdown. Ganz so wie beim Start einer Rakete der Nasa zählten Mitarbeiter und die geladene Forscherprominenz von zehn abwärts mit. Dann feuerte der Mikrowellenofen Energie in das große reifenförmige Vakuumgefäß. Sekunden später huschte über einen der Monitore für kurze Zeit ein geisterhaftes Flackern und es brach Jubel aus.
Was steckt hinter diesem Flackern? Es ist das erste Plasma, das in der Kernfusionsforschungsanlage Wendelstein 7-X des Max-Planck-Instituts für Plasmaphysik (IPP) in Greifswald gezündet hat. Dabei handelt es sich um ein 1 Million °C heißes Gas aus Ionen und Elektronen. Nach 20 Jahren zermürbender Aufbauarbeit ist dieses kurze Plasmaflackern ein Durchbruch.
Ziel ist 100 Millionen Grad Celsius heißes Plasma aus Wasserstoff
Wendelstein 7-X ist ein seltsam geformter Riesenreifen aus Metall, der ein wenig an einen verdrehten Feuerwehrschlauch erinnert. Dieser Riesenreifen – gespickt mit Aggregaten, Schläuchen und Röhren – ist auf ein hohes Gerüst montiert und bildet mit seinem Außendurchmesser von 16 m den weltweit größten Versuchsaufbau seiner Art. Stellarator wird dieser Typ einer Kernfusionsanlage genannt. „Da sind mehr als eine Million Montagestunden hineingegangen“, erläutert Klinger, „deutlich mehr als bei einem Containerfrachter.“ In diesen Stahlkoloss von 725 t sind zudem bis jetzt über 1 Milliarde € Steuergelder geflossen.
Ziel ist es, ein rund 100 Millionen °C heißes Plasma aus Wasserstoff zu erzeugen. Das ist schwieriger als der gestrige Test, bei dem 10 mg Helium zum Einsatz kamen. „Mit Helium ist ein Plasma leichter zu erreichen als mit Wasserstoff“, erklärt Klinger. 70 Magnetspulen müssen gewährleisten, dass das Plasma nicht mit dem Metall des Vakuumrings in Kontakt kommt. Denn den Temperaturen von bis zu 100 Millionen °C würde kein Material der Erde standhalten.
Der Traum von einem Fusionskraftwerk für die Stromversorgung
Es ist mühsam und teuer, die Prozesse auf der Sonne hier unten auf der Erde nachzustellen. Aber zu attraktiv ist die Idee eines Fusionskraftwerkes, welches kein Kohlendioxid ausstösst, also klimaneutral wäre. „Man braucht nur wenig Brennstoff, und der ist überreichlich vorhanden“, betont Klinger. Das nötige Deuterium lässt sich aus Wasser herausfiltern, der zweite Brennstoff Tritium kann mit Hilfe von Lithium gewonnen werden. Das Wasser aus einer halben Badewanne und das Lithium aus einem alten Laptop-Akku würde nach den Berechnungen ausreichen, um 30 Menschen ein ganzes Jahr mit Strom zu versorgen.
Und das Prinzip der Kernfusion ist so bestechend einfach. Die Forscher füllen einfach nur etwas Brenngas in die Vakuumröhre und schalten die Heizung aus extrem starken Mikrowellen ein. „Die haben die tausendfache Leistung einer Küchenmikrowelle“, verdeutlicht IPP-Physiker Volker Erckmann. „Würde man einen ganzen Ochsen damit braten, wäre er in einer Minute gar.“
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