Ganz neues Material sticht Lithium-Ionen-Akkus aus
Akkus schnell laden und schnell entladen: Das könnte bald zur Realität werden. Denn russische Forscher präsentieren ein neues Material als Alternative zu Lithium-Ionen-Akkus. Was steckt dahinter?
Ohne Lithium-Ionen-Akkus ist unser Leben kaum vorstellbar. Sie versorgen zahlreiche tragbare elektronischen Geräte mit der nötigen Energie, sind aber auch zentrale Bausteine der Elektromobilität. Ihre Präsenz am Markt darf nicht über Schwachstellen hinwegtäuschen. Dazu gehören die potenzielle Brandgefahr und der Leistungsverlust bei tiefen Temperaturen. Auch die Umweltbelastung bei der Entsorgung verbrauchter Akkus ist kritisch. Diverse Schwermetalle müssen abgetrennt und dem Recycling zugeführt werden.
Eine mögliche Lösung kommt aus Russland. Oleg Levin, er ist Professor am Institut für Elektrochemie der Universität St. Petersburg, hat Redox-aktive, Stickstoff-haltige Polymere als Materialien für die elektrochemische Energiespeicherung untersucht. Die neu synthetisierten Verbindungen zeichnen sich durch eine hohe Energiedichte sowie durch eine hohe Lade- und Entladegeschwindigkeit aus. Die Molekülklasse ist schon länger bekannt, eignete sich bislang aber kaum zum praktischen Einsatz in Akkus. Denn ihre unzureichende elektrische Leitfähigkeit erschwerte jeden Einsatz selbst bei leitfähigen Zusätzen wie Kohlenstoff als Graphit.
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Wie ist der Durchbruch gelungen? In ihren Labors untersuchten Levin und seine Kollegen diverse Materialien. Ein Nickel-Salen-Komplex erwies sich als besonders vielversprechend. Dabei handelt es sich um eine sogenannte Komplexverbindung. Salen ist eine organische Verbindung aus Kohlenstoff, Sauerstoff und Stickstoff. Sie nimmt Nickel-Ionen wie eine Krebsschere in die Zange. Chemiker sprechen deshalb von Chelat-Komplexen. Diese Verbindungen sind besonders stabil, haben aber auch elektrochemisch interessante Eigenschaften. Sie wirken als molekularer Draht und verändern ihre Eigenschaften über einen weiten Temperaturbereich kaum. Nickel-Salen-Komplexe könne als Schutzschicht verwendet werden, um Kabel direkt an Elektroden von Lithium-Ionen-Akkus abzudecken und so zu schützen. Sie eignen sich aber auch als aktive Komponente, um elektrochemische Energie zu speichern.
Bis zu diesem Durchbruch musste ein steiniger Weg zurückgelegt werden. Die Forscher aus St. Petersburg haben bereits 2016 mit grundlegenden Arbeiten begonnen. Die Entwicklung des jetzt vorgestellten Polymers dauerte mehr als drei Jahre. Zu Beginn testeten die Wissenschaftler ihr Konzept am Computer. Sie kombinierten verschiedene Komponenten im Rahmen von Simulationen, um herauszufinden, welches molekulare Rückgrat sich besonders eignet. Anschließend synthetisierten sie unzählige Verbindung im Labor. Dieser Schritt erwies sich als recht aufwändig. Nicht alle Komplexe waren stabil genug, um sie in elektrochemischen Zellen einzusetzen. Nickel-Salen-Komplexe erfüllten alle Eigenschaften. Diese Moleküle zeichnen sich durch ein stabiles freies Radikal, das zur schnellen Oxidation und Reduktion beim Laden und Entladen fähig ist, aus. Das erklärt die besonderen Eigenschaften, die für Lithium-Ionen-Akkus benötigt werden.
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Anschließend untersuchten die Wissenschaftler ihr neues Material unter Praxisbedingungen. Sie stellten daraus eine Kathode für ihren Akku in der experimentellen Stromquelle her. Die Anode musste nicht neu konzipiert werden. Hier kamen bekannte Materialien zum Einsatz. „Zusammen bilden sie ein System, das in einigen Bereichen Lithium-Ionen-Akkus bald ersetzen kann“, hofft Levin. Zu den Ergebnissen seiner Tests sagt der Forscher: „Ein mit unserem Polymer hergestellter Akku wird in Sekundenschnelle aufgeladen – etwa zehnmal schneller als ein herkömmlicher Lithium-Ionen-Akku.“ Dies sei durch eine Reihe von Tests bestätigt worden.
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Außerdem kann der neue Akku bei niedrigen Temperaturen betrieben werden. Er ist eine Option, wenn es um schnelle Ladevorgänge geht. Die Feuergefahr stuft Levin als gering ein. Man erinnere sich: Lithium-Ionen-Akkus sind immer wieder in Brand geraten. Das Löschen gestaltet sich als schwierig. Die St. Petersburger Forscher sehen aber noch weitere Vorteile in ihrem Akku. Nickel benötigen sie nur in geringer Menge. Der Bedarf an umweltschädlichen Metallen ist geringer als in vergleichbaren Lithium-Ionen-Akkus.
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Dennoch kommen auf die Arbeitsgruppe einige Herausforderungen zu. Ihr experimenteller Akku hat nur 30% bis 40% der Kapazität herkömmlicher Systeme – ein gewaltiger Nachteil. „Wir arbeiten derzeit daran, diese Eigenschaft unter Beibehaltung der Lade-Entlade-Rate zu verbessern“, sagt Oleg Levin.
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