Gas- und Dampfturbinenkraftwerk Irsching bietet bisher unerreichte Effizienz
Mit dem Gas- und Dampfturbinenkraftwerk Irsching 4 erreicht Siemens einen Wirkungsgrad von 60,75 % bei einer elektrischen Nettoleistung der Anlage von 578 MW. Solch effiziente, schnell reagierende Großkraftwerke seien gerade in Zeiten, in denen immer mehr Windkraft- und Solaranlagen den Anteil fluktuierender Einspeisung ins Stromnetz stetig erhöhen, entscheidend für die Stabilität im Stromnetz, so der Münchner Konzern.
Nach rund zehn Jahren Entwicklungszeit konnte Siemens, zertifiziert vom TÜV Süd, einen neuen Weltrekord im Bereich der Gas- und Dampfturbinen (GuD) aufstellen: Das von E.on betriebene Kraftwerk Irsching 4 (nahe Ingolstadt gelegen) erzielte bei einer elektrischen Nettoleistung von 578 MW einen Wirkungsgrad von 60,75 %. Erstmals konnte im GuD-Betrieb die Effizienzschwelle von 60 % überschritten worden. „Damit schreiben wir nichts weniger als Technikgeschichte“, verkündete stolz Michael Süß, CEO des Siemens-Sektors Energy.
Diese neue Generation von GuD-Kraftwerken verbrauche ein Drittel weniger Erdgas pro erzeugte Kilowattstunde als der Durchschnitt aller derzeit weltweit installierten GuD-Anlagen, unterstrich Süß. Basis ist die vollständig luftgekühlte Gasturbine SGT5–8000H. Sie ist für 400 MW im reinen Gasturbinenbetrieb und für 600 MW im GuD-Betrieb ausgelegt. Rund zehn Jahre Entwicklungszeit stecken in der Anlage. Über 500 Mio. € hat Siemens in Entwicklung, Bau und Betrieb der Prototypanlage in Irsching investiert.
Um die Entwicklungsziele des Gas- und Dampfturbinenkraftwerks der H-Klasse Irsching 4 zu erreichen – ein höherer Wirkungsgrad bei größtmöglicher Betriebsflexibilität –, kam es neben der Neuentwicklung der Gasturbine SGT5–8000H besonders auch auf die Weiterentwicklung des gesamten Antriebsstrangs und einer Optimierung des Wasser-Dampf-Kreislaufs im Sinne einer vollintegrierten Gesamtlösung an, betonte Willibald Fischer, Program Director 8000H der Fossil Power Generation Division von Siemens Energy. „Insgesamt konnte durch das optimale Zusammenspiel der Einzelkomponenten eine noch weiter verbesserte Betriebsflexibilität erreicht werden.“
Irsching 4 basiert auf einem Einwellenkonzept, das sich bei Siemens in der hauseigenen Gasturbinengeneration der F-Klasse etabliert hat. Zusätzlich seien nun Maßnahmen zur Effizienzsteigerung und Flexibilisierung umgesetzt worden: Gasturbine mit hydraulischer Spaltoptimierung (HCO) und luftgekühltem Hochtemperatur-Verbrennungssystem, Benson-Abhitzedampferzeuger mit hochtemperaturbeständigen Werkstoffen, ausgelegt für 600 °C Dampftemperatur bei 170 bar.
Die Dampfturbine SST5–5000 arbeitet im Hochdruckteil ebenfalls bei 170 bar und 600 °C und der Generator SGen5–3000W verfügt über eine wassergekühlte Statorwicklung und wasserstoffgekühlte Rotorwicklung. „Zur Umsetzung der Wirkungsgrad-anforderungen haben wir die Prozessparameter des Wasser-Dampf-Kreislaufes entsprechend angehoben und dafür auch weiterentwickelte Materialien eingesetzt“, so Balling.
„Irsching 4 ist die erste 8000H (neue Siemens Gasturbinengeneration, Anm. d. Red.), die im kommerziellen Betrieb läuft“, erklärte Süß. „Es freut mich aber auch, dass wir nun die Markteinführung dieses Turbinentyps neben Europa auch noch auf zwei weiteren Kontinenten und im 60-Hz-Markt geschafft haben: Sechs Turbinen werden in die USA geliefert und eine Gesamtanlage geht nach Korea. Weitere Projekte sind in Verhandlung.“
Süß erkennt derzeit noch keinen Einfluss auf die Nachfrage durch die Ereignisse im japanischen Fukushima und die dadurch ausgelöste aktuelle Diskussion um die Zukunft der Kernenergie. Markttreiber für effiziente und gleichzeitig flexible Gaskraftwerke sei vielmehr der Erfolg der erneuerbaren Energien. So steige der Anteil fluktuierender Einspeisung ins Stromnetz aus Wind und Sonne stetig. Zum Beispiel lieferten in Bayern die installierten Photovoltaikanlagen an sonnigen Tagen schon über 50 % des benötigten Stroms. „Daher sind ausgleichende, schnell reagierende Kraftwerke für die Stabilität im Stromnetz immer entscheidender.“
Genau dafür sei die Anlage ausgelegt, betonte Süß. „In weniger als 30 min ist sie auf Volllast, genauso wie sie in weniger als 30 min wieder heruntergefahren ist. Zwischen der Mindestlast von 100 MW und der Grundlast von 578 MW wechselt die Maschine mit 35 MW/min.“
„Irsching 4 ist ein wichtiger Baustein für eine versorgungssichere Stromerzeugung“, meint Klaus Hammer, Leiter GuD-Kraftwerke bei dem Betreiber E.on. „Der Aspekt Versorgungssicherheit wird vor dem Hintergrund des diskutierten schnelleren Ausstiegs aus der Kernenergie für Deutschland immer konkreter. Das Kernkraftwerkmoratorium zeigt, dass Großkraftwerke wie Irsching 4 notwendig sind, um das Übertragungsnetz zu stabilisieren und damit die Versorgungssicherheit aufgrund wesentlich veränderter Lastflüsse insbesondere in Süddeutschland zu gewährleisten.“
„Wenn entgegen der Wetterprognose der Wind aufhört zu wehen und die Sonne aufhört zu scheinen, dann brauchen wir Ersatzkapazität, schnell und unkompliziert. Anlagen wie Irsching 4 sind die ideale Ergänzung zu den wetterabhängigen Erneuerbaren“, so Hammer. Das Kraftwerk selbst leiste zudem auch einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz. Durch Einsatz von Erdgas und die hohe Effizienz emittiere die Anlage nur etwas mehr als 330 g CO2 pro kWh – also etwa ein Drittel dessen, was Braunkohlekraftwerke emittieren. ROBERT DONNERBAUER
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